Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Abstand halten ohne Angst
Stadt setzt bei Notbetreuung auf kleine Gruppen – Erweiterung der Betreuung ab 27. April
GLAUPHEIM - Kinderlachen dringt vom Freigelände der Kita Pusteblume in die Edith-Stein-Straße in Laupheim. Denn auch wenn Tagesstätten, Kindergärten und Schulen seit dem 17. März aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen sind: Einige Kinder befinden sich doch in der Obhut von Erzieherinnen oder Lehrkräften, in der Notbetreuung. Diese wurde eingerichtet, damit Eltern, die in systemrelevanten Bereichen arbeiten, nicht zu Hause bleiben müssen, um den Nachwuchs zu versorgen. Die SZ hat bei einer Gruppe vorbeigeschaut.
Vier Kinder und ein großer Garten: Fast verloren wirken die kleinen Jungs, die das Freigelände der Kita Pusteblume an diesem windigen Apriltag 2020 für sich alleine haben. Immer dabei: Kita-Leiterin Irena Hahn und die Erzieherin Aline Schlenzig. „Eine von uns ist immer direkt bei den Kindern, die andere in Rufweite“, erläutert Irena Hahn. Ein bisschen ungewohnt sei das, meinen die beiden Frauen. Denn normalerweise umfasst eine Gruppe über 20 Kinder.
Doch in Zeiten von Corona sind persönliche soziale Kontakte unerwünscht, um die Ausbreitung des Virus zu bremsen. Deshalb legt die Stadtverwaltung, welche die Notfallbetreuung organisiert, Wert darauf, dass in den Gruppen möglichst nicht mehr als fünf Kinder sind. Insgesamt werden derzeit 48 Kita-, Kindergartenund Schulkinder in 14 Gruppen betreut.
48 Kinder, das hört sich nicht nach viel an. „Das war ja auch das Ziel von Anfang an: Der überwiegende Teil der Kinder sollte daheim bleiben, um die Ausbreitung des Virus nicht zu fördern“, erläutert Sigrid Scheiffele, Amtsleiterin Bildung und Betreuung bei der Stadt Laupheim, Anfang der Woche. „Das ist leider so, das erfordert diese Zeit. Und da bitten wir die Bürger auch wirklich um Verständnis, wenngleich wir natürlich wissen, wie schwierig sich der Alltag in den Familien derzeit gestalten kann.“Denn der Sinn der Notbetreuung sei in erster Linie, dass die systemrelevanten Bereiche funktionieren – „niemandem ist gedient, wenn im Hospital die Krankenschwester fehlt, weil sie zu Hause ihre Kinder betreuen muss, statt sich um schwerkranke Patienten zu kümmern“.
Die Betreuung findet jeweils in der Einrichtung statt, die das betreffende Kind normalerweise auch besucht. „Das gibt den Kindern Sicherheit, dort kennen sie sich aus.“Eine konkrete Vorschrift in Bezug auf Abstandhalten oder Händewaschen gibt es nicht. „Je jünger die Kinder sind, desto schwieriger lässt sich das vollkommen umsetzen“, erläutert Scheiffele. „Aber natürlich achten die Erzieherinnen darauf, dass Abstand gehalten wird und die Hände öfter gewaschen werden.“Auch seien die Reinigungsintervalle in Schulen und Betreuungseinrichtungen verkürzt worden.
Soweit die Theorie. Und wie sieht die Betreuung in der Praxis aus? Jonas, Justus und Julian (Namen geändert), alle vier Jahre alt, toben durch den Kita-Garten und klettern wagemutig über Balken und Seile. Der zweijährige Jeremias schaut lieber noch von unten zu. Ab und zu helfen die Erzieherinnen den Kindern beim Balancieren; den Kleinen bleibt viel Platz beim Spielen.
An diesem Tag haben die „Großen“alle Schals an, die sie über Mund und Nase gezogen haben. „Sie spielen Ninjas“, sagt Irena Hahn schmunzelnd.
In den Innenräumen der Kita achten die Erzieherinnen strenger auf die Distanz. Um zu enge Begegnungen zu vermeiden, setzen sie auf Aktivitäten, die keine Körperkontakte erfordern. So stehen Beschäftigungen wie das Ausmalen von Mandalas oder Puzzlespiele auf dem Programm.
„Bei der Zubereitung des Essens tragen wir Masken und Handschuhe“, erklärt Irena Hahn. Gegessen wird an zwei separaten Tischen, an denen dann jeweils zwei Kinder in möglichst großer Entfernung zueinander sitzen. Zudem steht häufiges Händewaschen auf dem Programm.
Warum sie Abstand halten und oft Hände waschen sollen, haben Aline Schlenzig und Irena Hahn den Kindern erklärt – „ohne Angst“, wie sie betonen. Die Kinder würden so ebenfalls angstfrei mit dem Thema Corona umgehen. Trotzdem: „Man merkt, dass die sozialen Kontakte allgemein weniger geworden sind“,
Bei selbstständig oder freiberuflich Tätigen muss eine Eigenbescheinigung vorgelegt werden.
Die Notbetreuung findet in der Einrichtung, die das Kind bislang besucht, durch deren Personal in möglichst kleinen Gruppen statt. In dieser Einrichtung müssen Anmeldung und Bescheinigung des Arbeitgebers per E-Mail oder schriftlich eingereicht werden.
Sofern die Betreuungskapazitäten der Einrichtung nicht ausreichen, haben Kinder Vorrang, bei denen ein Elternteil in der kritischen Infrastruktur (gemäß Corona-Verordnung) arbeitet und unabkömmlich ist, Kinder, deren Kindeswohl gefährdet ist, sowie Kinder, die im Haushalt einer beziehungsweise eines Alleinerziehenden leben. (svl)
GGsagt Irena Hahn. „Die Kinder freuen sich gerade über jeden Passanten, der an der Kita vorbeigeht, und rufen den Menschen freundlich zu.“
Ab Montag, 27. April, könnte es wieder ein bisschen voller werden in der Kita Pusteblume – und auch in den anderen Betreuungseinrichtungen und Schulen. Denn ab diesem Zeitpunkt wird die Betreuung erweitert (siehe Kasten).
„Bereits jetzt erhalten wir einige Anfragen und Anmeldungen“, informiert die Stadtverwaltung auf Anfrage der SZ in einem Schreiben. „Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage sehr hoch sein wird.“
Es stehe jedoch nur eine begrenzte Anzahl an Plätzen zur Verfügung, da die zulässige Gruppengröße höchstens die Hälfte der in der Betriebserlaubnis genehmigten Gruppengröße betragen darf. Konkret heißt das, dass maximal 10 bis 14 Kinder pro Kindergartengruppe und maximal vier bis fünf Kinder pro Krippengruppe (je nach Genehmigung) zugelassen sind.
„Deshalb müssen bei einer Anmeldung weitere Faktoren geprüft werden“, heißt es in dem Schreiben weiter. „Es gibt ein klares Ranking, nach welchem die Kinder aufgenommen werden sollen.“
Der Aufwand, die neuen Bestimmungen innerhalb des kurzen Zeitraums umzusetzen, sei immens. Bei der Betreuung werden Mitarbeiter, die definitiv zur Risikogruppe gehören, nicht eingesetzt.