Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Bei Fehlern muss man sich wehren“
Wolfgang Christ sieht keine Alternative zur telefonischen Krankschreibung
OCHSENHAUSEN - Die Strafanzeige hatte der Ochsenhauser Hausarzt Wolfgang Christ (68) schon vorbereitet. Der Mediziner wollte sich gegen den Stopp der Ausnahmeregelung zur Krankschreibung per Telefon wehren und Klage bei der Staatsanwaltschaft Ravensburg wegen „Gefährdung der körperlichen Sicherheit“einreichen. Nach Protesten von Ärzten und Gesundheitspolitikern kann sich Christ juristische Schritte vorerst sparen. Am Montag wurde beschlossen, dass es den Krankenschein bis mindestens 4. Mai weiter per Telefon gibt. Im Gespräch mit Tobias Rehm zeigt sich Christ darüber erleichtert: „Für uns hätte das eine fahrlässige Gefährdung unserer Gesundheit bedeutet.“
Herr Christ, wie groß war die Erleichterung bei Ihnen, als am Montag die Rolle rückwärts gemacht wurde und telefonische Krankmeldungen nun doch weiterhin möglich sind?
Die Erleichterung war natürlich enorm. Auf der anderen Seite war vergangene Woche aber bei vielen meiner Kollegen und mir die Wut auch groß, als die Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung zunächst aufgehoben wurde. Für uns
ANZEIGEN hätte das eine fahrlässige Gefährdung unserer Gesundheit bedeutet. Viele Menschen können derzeit von zu Hause aus arbeiten. Bei uns Ärzten ist noch nie die Frage gestellt worden, ob wir es uns aus gesundheitlicher Sicht zutrauen, in die Praxis zu gehen. Dabei hat gerade unsere Berufsgruppe einen hohen Altersdurchschnitt und wir in unserer „AltenHasen-Praxis“in Ochsenhausen erst recht.
Sie hatten ja sogar vor, deswegen zu klagen.
Wenn Fehler gemacht werden, muss man sich dagegen wehren und sich nicht wegducken. Das ist eine Frage der Zivilcourage.
Die erneute Ausnahmeregelung läuft nun bis zum 4. Mai, anschließend muss abermals über eine mögliche Verlängerung entschieden werden. Wie lange ist die Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung noch notwendig?
Solange Kontaktsperren und Ausgangsbeschränkungen
gelten, ist für mich klar, dass wir in diesem Bereich besondere Möglichkeiten haben müssen. Es kann nicht sein, dass wir Hausärzte als Kanonenfutter vorgeschoben werden. Es gibt für mich keine Alternative zur telefonischen Krankschreibung, die Corona-Pandemie ist noch nicht vorbei. Andernfalls haben wir nur noch kranke Ärzte und medizinische Fachangestellte.
Heißt das im Umkehrschluss, Sie behalten sich rechtliche Schritte weiterhin vor, sollte die Regelung nicht verlängert werden?
Auf dem Kuvert mit der Strafanzeige ist noch keine Briefmarke drauf. Im Notfall werde ich es wieder aus der Schublade holen und von meinem Grundrecht Gebrauch machen.
Welche Erfahrungen haben Sie zuletzt mit den telefonischen Krankmeldungen in Ihrer Praxis gemacht?
Das hat sehr gut funktioniert. Die Zahl der ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen war signifikant höher als sonst. Aber wenn es ausdrücklich heißt, dass jeder zu Hause bleiben soll, der sich krank fühlt, ist das kein Wunder. Wenn die Politik das fordert, müssen wir die entsprechenden Papiere ausstellen. Bei den Abstrichen möglicher Infizierter sind wir zudem angehalten worden, möglichst zurückhaltend zu agieren. Zum Glück waren bislang viele meiner positiv getesteten Patienten nicht ernsthaft krank.
Die Maskenpflicht kommt ab dem 27. April auch in Baden-Württemberg. Was halten Sie davon?
Ich finde das absolut richtig und wichtig. Zu unseren Patienten sagen wir seit vergangener Woche, dass sie mit Schutzmaske kommen sollen. In der Praxis haben wir für vier Ärzte und sechs medizinisch-technische Angestellte zehn Masken von der Kassenärztlichen Vereinigung und fünf vom Gesundheitsamt bekommen. Das ist eine Unverschämtheit und ein weiterer Beleg dafür, dass der öffentliche Gesundheitsdienst völlig unterversorgt ist. Wir selbst haben 50 Schutzkittel gekauft und uns Masken aus Stoff nähen lassen. In die Masken ist ein Stück Küchenrolle als eine Art Filterpapier integriert, das gewechselt werden kann. Die Masken selbst kann man waschen oder kochen. Das funktioniert einwandfrei und so können wir die Leute, die wir behandeln, auch schützen.