Schwäbische Zeitung (Laupheim)
In Deutschland geht die Jobangst um
Geschäftsklima stürzt auf Rekordtief – So viele Kurzarbeiter wie nie
GBERLIN (dpa) - Hunderttausende Beschäftigte sind in Kurzarbeit, zahlreiche Betriebe haben Existenzsorgen, Kitas und viele Geschäfte sind dicht – im Kampf gegen das Coronavirus droht der Wirtschaft eine Dauerkrise. Deutschland rutscht in eine schwere Rezession, in vielen Firmen herrscht große Verunsicherung, wie es weitergeht, und der Ifo-Index stürzte auf ein Rekordtief. Vor diesem Hintergrund sprach Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag in einer Videokonferenz mit Spitzenverbänden der Wirtschaft und Gewerkschaften.
Das Signal: Die Bundesregierung lässt Firmen und Arbeitnehmer nicht alleine und ist bereit, bei Hilfen nachzulegen – auch um das Wiederanlaufen der Wirtschaft zu unterstützen. Der Weg dorthin aber ist lang. Ein Überblick zur Lage in der Wirtschaft.
Unternehmen Druck
Gschwer unter
Um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, kam das Wirtschaftsleben fast zum Erliegen. Die Folge sind Einbrüche bei Aufträgen und Umsätzen. Schwer gebeutelt sind nicht nur Kneipen und Restaurants, Fluggesellschaften und Reiseveranstalter, sondern etwa auch Handwerker und Industriebetriebe. Der wichtigste Frühindikator zur Konjunkturentwicklung, der Ifo-Geschäftsklimaindex, stürzte im April auf 74,3 Zähler – ein Rekordtief. Ifo-Präsident Clemens Fuest sprach von einer „katastrophalen“Stimmung in den Chefetagen der Unternehmen: „Die Corona-Krise trifft die deutsche Wirtschaft mit voller Wucht.“
Das zeigen auch Prognosen des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt
und Berufsforschung (IAB). Deren Ökonomen sagen einen Einbruch der Wirtschaftsleistung in Deutschland um 8,4 Prozent in diesem Jahr voraus – dazu in der Spitze drei Millionen Arbeitslose. Die Zahl der Kurzarbeiter werde im Jahresschnitt auf 2,5 Millionen steigen – ein einsamer Rekord, der die Verhältnisse zur Finanzkrise 2008 und 2009 bei Weitem in den Schatten stellt. „Die deutsche Wirtschaft stürzt in die schwerste Rezession der Nachkriegsgeschichte“, heißt es in dem Bericht des Forschungsinstituts der Bundesagentur für Arbeit.
Die Gewerkschaft IG Metall sieht jeden vierten Betrieb in ihrem Organisationsbereich in massiven Liquiditätsproblemen. Zehn Prozent mit zusammen rund 130 000 Beschäftigten hätten bereits aktuell erhebliche Engpässe, sagte der Erste Vorsitzende Jörg Hofmann.
Internationale Lieferketten sind unterbrochen, Firmen können nicht mehr produzieren – und auch der private Konsum ist zurückgegangen, weil viele Geschäfte trotz erster Lockerungen noch geschlossen sind. Dazu kommen Einkommensverluste durch weitverbreitete Kurzarbeit.
Langsames Wiederhochfahren der Wirtschaft
GDie Rückkehr auch in eine „neue Normalität“, ein Leben mit Corona unter strengen Regeln zum Gesundheitsschutz, wird mühsam. Merkel hat mehrfach vor einem Rückfall gewarnt. „Wir bewegen uns auf dünnem Eis, man kann auch sagen: auf dünnstem Eis“, sagte sie am Donnerstag im Bundestag.
Viele Betriebe bereiten sich derzeit intensiv darauf vor, die Arbeit und Produktion wieder hochzufahren. Mit Spannung wird erwartet, ob und wann Beschränkungen weiter gelockert werden. Bund und Länder beraten darüber in der kommenden Woche. Wirtschaftsverbände fordern, einen Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen zu vermeiden – die Politik müsse außerdem einen klaren Fahrplan vorlegen. Denn bis zum Wiederanlaufen der Produktion braucht es einen Vorlauf und wegen der Vernetzung am besten eine EU-weit abgestimmte Linie.
Wenn die Wirtschaft langsam wieder hochgefahren wird, fragen sich viele Eltern: Wer betreut meine Kinder? Denn Kitas haben weiter dicht, selbst Spielplätze sind geschlossen. Die IG Metall warnte am Freitag, das Hochlaufen der Produktion sei durch eine fehlende Kinderbetreuung gefährdet.
Nachbesserungen von CoronaHilfen
GViele Unternehmen hängen derzeit am Tropf des Staates. Die Politik hat beispiellose und milliardenschwere Hilfspakete beschlossen. Im Zentrum stehen Kreditprogramme, der Staat übernimmt bis zu 100 Prozent des Risikos. Nur: Die Kredite müssen irgendwann zurückgezahlt werden. In der Wirtschaft wächst die Sorge, denn je länger die Krise dauere, desto schwieriger werde das für Firmen. Denn in vielen Branchen können Umsätze nicht einfach nachgeholt werden.
Um die Konjunktur wieder anzukurbeln, wenn Lockerungen weiter aufgehoben werden, wird in der Regierung über verschiedene Maßnahmen beraten: etwa weitere Prämien beim Kauf umweltfreundlicherer Autos, ein Vorziehen der Soli-Teilabschaffung und neue Steuerentlastungen. Eine vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie haben die Spitzen der Koalition bereits beschlossen.