Schwäbische Zeitung (Laupheim)
„Literatur macht dich vom User zum Co-Autor“
Thea Dorn möchte eine offenere Form für die Sendung „Das Literarische Quartett“
Mit Literatur kennt sie sich aus, nun ist sie zur Gastgeberin der ZDF-Büchersendung „Das Literarische Quartett“im ZDF aufgerückt. In ihrer Sendung am 1. Mai diskutiert sie mit ihren Gästen Eva Menasse, Eugen Ruge und Matthias Brandt über Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt.
Frau Dorn, bedauern Sie es, dass Ihre Mitstreiter Volker Weidermann und Christine Westermann das „Literarische Quartett“verlassen haben?
Aber ja! Beide sind wunderbare Kollegen, ich habe die drei Jahre, die wir die Sendung gemeinsam bestreiten durften, sehr genossen. Aber Menschen fällen ihre eigenen biographischen Entscheidungen, das muss man respektieren.
Die Sendung wird nun mit einem neuen Konzept weitergeführt.
Nach dem Ausscheiden von Volker Weidermann und Christine Westermann mussten wir überlegen, wie wir „Das Literarische Quartett“für die Zukunft gestalten. Das Leseverhalten, der Literaturbetrieb, unsere gesamte Gesellschaft haben sich stark verändert. Großkritiker wie Reich-Ranicki gibt es nicht mehr, seit der Digitalisierung ist es nicht einfacher geworden, Begeisterung fürs Lesen zu wecken, und unsere Gesellschaft ist heterogener geworden. All dies sprach aus unserer Sicht dafür, sich vom Vorbild der Kritikerrunde zu lösen und eine offenere Form zu finden, die sich eher am Lesekreis, am literarischen Salon orientiert.
Wobei Sie jetzt die Nummer eins, mithin die Chefin im Ring sind.
Ich würde die Bezeichnung „Gastgeverteidigt, berin“bevorzugen. Oder, um es mit Reich-Ranicki zu sagen: Ich bin Gesprächsleiter und einer der vier Diskutanten zugleich.
Nach welchen Kriterien werden die Bücher ausgewählt?
Wir schlagen unseren Gästen gezielt Bücher vor, die uns spannend und relevant erscheinen, und zwar sowohl in literarischer Hinsicht als auch mit Blick auf die wichtigen Themen unserer Zeit. Allerdings muss der Gast schon anbeißen. Das Prinzip, dass jedes Buch, das im „Quartett“besprochen wird, einen Paten hat, der es leidenschaftlich
haben wir also nicht aufgegeben. Wenn der Gast uns erklärt, warum er ein anderes Buch für triftiger hält, tritt er mit diesem an. Die Methode erfordert einen regen Austausch, aber sie funktioniert wunderbar.
Haben Sie denn auch die verwegene Hoffnung, mit Ihrer Sendung Nichtleser zu erreichen?
Sollten überzeugte Nichtleser tatsächlich das „Literarische Quartett“anschauen, anstatt erschrocken wegzuzappen, will ich gern versuchen, sie bei der Stange zu halten. Aber als unsere Kernklientel würde ich schon Leser betrachten und solche Menschen, die es als Verlust empfinden, wenn sie wenig oder gar nicht mehr lesen.
Warum sollen die Menschen denn Romane oder Erzählungen lesen?
Weil sie in eine andere Welt eintauchen können, wie dies nur in der Literatur möglich ist. Sie erfahren Dinge über sich, von denen sie nie geahnt hätten, dass sie in ihnen schlummern. Gleichzeitig erschließt Literatur uns die Welt, und das sogar im Funkloch. Nur Literatur bietet die Freiheit, Figuren und Schauplätze im eigenen Kopf entstehen zu lassen.
Literatur macht dich nicht zum User, sondern zum Co-Autor.
Was lesen Sie denn zurzeit?
Vor allem die Bücher, die ich für künftige Sendungen prüfen will. Und natürlich lese ich nochmals die vier Titel, um die es in der anstehenden Sendung geht. Privatlektüren kommen derzeit ein bisschen zu kurz. Aber ich entdecke schon seit einer Weile das Hörbuch für mich, Marcel Proust und seine „Suche nach der verlorenen Zeit“sind mir seit Jahren teure, treue Begleiter.
Wo hören Sie das bevorzugt?
Vor allem im Auto. Proust ist mit mir schon weit herumgekommen. Und in Berlin, wo ich wohne, könnte er vermutlich den Taxischein machen. Der arme Marcel. 1. Mai, ZDF, 22.45 Uhr
Freitag,