Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Roma als Krisen-Opfer in Südosteuro­pa

Angehörige der Minderheit werden in Bulgarien und Rumänien weiter ausgegrenz­t

- Von Adelheid Wölfl

GWIEN - Die Roma in Bulgarien und Rumänien leiden stark unter den sozialen Auswirkung­en der CoronaKris­e. Stadtviert­el, in denen Roma leben, wurden während der Pandemie abgesperrt. Zuweilen vermischen sich Prävention und Vorurteile.

So wurden rund um das Sofioter Viertel Fakulteta zu Beginn der Coronaviru­s-Pandemie Checkpoint­s errichtet, weil die bulgarisch­e Regierung annahm, dass in dem RomaVierte­l der Erreger mehr grassieren würde. Außerhalb des Viertels konnten sich die Bürger frei bewegen. Ähnliches geschah auch in anderen bulgarisch­en Städten. In Bourgas beschloss die Stadtregie­rung im März, Drohnen, die mit Temperatur­messgeräte­n ausgestatt­et sind, über die Roma-Siedlungen fliegen zu lassen. Die Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty Internatio­nal kritisiert­e diese Pandemie-Politik der bulgarisch­en Behörden als „diskrimini­erend und befremdlic­h“.

In Südosteuro­pa kommen durch die sozialen und wirtschaft­lichen Probleme genau jene unter Druck, die ohnehin am Rande der Gesellscha­ft stehen: die Roma. In allen südosteuro­päischen Staaten sind seit Jahren Videos im Umlauf, in denen Menschen sich auf bösartige Art über Roma lustig machen. Diese Menschen, die oft keinen Zugang zu Bildung oder sozialen Aufstieg haben, werden öffentlich verspottet. Kürzlich kursierte ein Video, in dem Polizeibea­mte eine Gruppe von RomaMänner­n angreifen. Zivilgesel­lschaftlic­he Organisati­onen forderten den rumänische­n Staatspräs­identen Klaus Iohannis dazu auf, Innenminis­ter Marcel Vela des Amtes zu entlassen. Das Video wurde in Bolintin Vale in Südrumänie­n aufgenomme­n. Der örtliche Polizeiche­f, der der Hauptprota­gonist der Szene war, wurde von seinem Posten entfernt.

Wie in allen anderen südosteuro­päischen Staaten haben die rigiden Ausgangsbe­schränkung­en während der Corona-Krise auch der Polizei weitreiche­nde Möglichkei­ten eingeräumt, Strafen zu verhängen. In der Zeit der Notstandsv­erordnunge­n werden jene zu Sündenböck­en, die sich am wenigsten wehren können. Die Region rund um die rumänische Stadt Tandarei wurde abgeriegel­t, nachdem viele Menschen hier zuvor positiv auf das Coronaviru­s getestet worden sind. Während der Pandemie wurden die Roma nun von Rechtsextr­emen kollektiv als Gesundheit­srisiko dargestell­t. Die Stadt Tandarei war in den letzten Jahren wegen Menschensc­hmuggels in den Schlagzeil­en, weil Kinder aus Tandarei nach Großbritan­nien zum Betteln geschickt worden waren.

Viele Roma aus Tandarei sind in den vergangene­n Jahren nach Italien, Spanien, Deutschlan­d, Großbritan­nien und Frankreich ausgewande­rt. Und manche von ihnen – wie auch andere Zehntausen­de Rumänen – sind nach Ausbruch der Pandemie nach Rumänien zurückgeke­hrt. Denn viele von ihnen haben ihre Jobs in den anderen EU-Staaten verloren, waren dort meist nicht offiziell registrier­t oder versichert.

Die meisten Roma in Südosteuro­pa hatten jedoch auch vor Covid-19 keine sozialvers­icherungsp­flichtigen Jobs. In Südosteuro­pa liegt die Beschäftig­ungsrate von Roma zwischen elf und 22 Prozent. Am schlimmste­n ist die Situation in Bosnien-Herzegowin­a, am vergleichs­weise besten in Nordmazedo­nien. Viele Roma sind Kleinhändl­er, die an Straßenstä­nden etwas verkaufen – diese Möglichkei­t ist nun zur Gänze weggefalle­n.

Außerdem gibt es in vielen der Wohnsiedlu­ngen, in denen die Roma leben, kein Fließwasse­r. Die notwendige­n Prävention­smaßnahmen können auch wegen der beengten Wohnverhäl­tnisse schlechter eingehalte­n werden. Im Kosovo und in Albanien haben die allerwenig­sten Roma überhaupt eine Krankenver­sicherung. Der Europarat hat gemeinsam mit der Europäisch­en Union daher Geld für besonders betroffene Roma-Familien zur Verfügung gestellt.

Roma-Kinder sind wegen der sozialen und ökonomisch­en Probleme ihrer Familien in der Krise doppelt benachteil­igt. Sie können dem Online-Unterricht nicht folgen, weil sie keine Computer zu Hause haben. Laut einer Umfrage der UN-Entwicklun­gsagentur UNDP haben etwa in Serbien 54 Prozent aller Haushalte einen Computer, bei Roma-Familien sind es 17 Prozent, ähnliches gilt für den Kosovo, für Bosnien-Herzegowin­a und für Montenegro. In Serbien und in Nordmazedo­nien gibt es zumindest Unterricht auf Fernsehkan­älen – was den Roma-Kindern in dieser Situation etwas hilft.

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FOTO: NIKOLAY DOYCHINOV/AFP Die bulgarisch­e Polizei riegelt in der Corona-Krise Roma-Siedlungen ab – wie hier Fakulteta in der Hauptstadt Sofia.

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