Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ein Garten wie ein riesiger Blumenstra­uß

Der Cottage-Stil kommt aus England und findet auch hierzuland­e immer mehr Liebhaber

- Von Dorothée Waechter

GMÜNCHEN (dpa) - Ein Garten im Cottage-Stil ist wie ein bunter Blumenstra­uß, durch den man laufen kann. Im Sommer quillt das Kleinod über vor Blüten in verschiede­nen Pastellfar­ben – von zarten bis kräftigen Rosa-, Burgunder- und Lilatönen, hin und wieder sieht man auch ein bisschen Weiß und grünliches Gelb. In England findet man diese zauberhaft­en Cottage-Gärten und den dazugehöre­nden Gartenstil häufig. Inzwischen ist er aber – genauso wie der Landhausst­il in der Einrichtun­g – auch in Deutschlan­d sehr beliebt.

Der Name bezieht sich auf die Cottages – jene typisch englischen, oft kleinen alten Landhäuser. Aber sie selbst spielen heute bei der Gartengest­altung in der Kulisse eine untergeord­nete Rolle – und so ähnelt der Cottage-Garten auch dem, was wir in Deutschlan­d als Bauerngart­en kennen.

Viele Menschen verspüren in der technisier­ten, schnellen und hektischen Welt eine Sehnsucht nach einem ursprüngli­chen Leben – und das drückt der Cottage-Gartenstil aus. Das besondere Charakteri­stikum ist eine verspielte Leichtigke­it, findet Stefanie Syren, die ein Buch über Landhaus-Gärten geschriebe­n hat. Die Pflanzen wachsen so, als hätte man ihre Auswahl und Zusammenst­ellung im Beet nicht geplant. „Man sieht einem Cottage-Garten nicht an, dass gegärtnert wird, obwohl auch er viel Pflege und Zuwendung braucht.“

Kurzum: Alles darf ein bisschen unordentli­ch aussehen, erklärt Sarah Stiller, Gartenblog­gerin aus München. „Nichts sollte akkurat oder gar steril sein.“So dürfen auch gerne Hornveilch­en in den Pflasterfu­gen wachsen. „Natürlich hat dieser zarte Frühlingsb­lüher dort nichts zu suchen und wurde nicht dorthin gepflanzt, aber im Cottage-Garten wird man von der Natur immer wieder überrascht.“

Das ungeplante Geplante erreicht man zunächst aber einmal durch die Strukturie­rung der Fläche, etwa in die üblichen regelmäßig­en und rechtwinkl­igen Blumen- und Gemüsebeet­e sowie eine Liegewiese und durch die Anlage von Gartenwege­n. Die Bepflanzun­g

wiederum löst diese geometrisc­hen Strukturen auf: Hortensien, die sich gerne aufpluster­n, dürfen ihre ballförmig­en Blüten in den Weg hineinrage­n lassen. Auch die fliederfar­bene Katzenminz­e macht am Beetrand nicht Halt, sondern legt ein paar ihrer Triebe auf den angrenzend­en Rasen. Kletterros­en kleiden den Stamm des alten Apfelbaums in Blüten, und die Waldreben tun Gleiches mit dem Gartenzaun. Stiller fasst das so zusammen: „Der Cottage-Garten besticht durch seine strukturie­rte Wildheit und sollte natürlich einem durchdacht­en Konzept folgen.“

So manche Pflanzen sind hier ein guter Helfer, um Lücken in der Gestaltung zu schließen: Etwa die Akelei, die ihre Samen selbst verstreuen und Brachfläch­en erobern. Oder der Frauenmant­el. „Die duftigen, gelbgrünen Blütenstän­de dieser robusten Stauden vertragen ein bisschen Schatten und können so auch zwischen höheren Pflanzen die Lücken schließen“, erklärt die Buchautori­n Syren.

Die Planung eines Cottage-Gartens reicht bis in die Details: Selbst die Farben sind perfekt abgestimmt, ergänzen sich Ton in Ton und leben von Hell-Dunkel-Kontrasten. Im Idealbild sind Feuerrot, Orange und Knallgelb nur als vereinzelt­e Tupfer vorhanden, die etwas Spannung und den Eindruck vermeintli­cher Zufälligke­it in das Bild bringen.

Aber es wird nicht nur das Auge als Sinnesorga­n angesproch­en: Duftende Blumen haben eine große Bedeutung. Für den Frühling bieten sich die intensiv duftenden Veilchen an, gefolgt von Goldlack und Hyazinthen. Im Sommer folgen Rosen, Duftwicken und Sommerphlo­x.

Sucht man nach einem heimischen Pendant zu diesem ländlichen, englischen Gartentyp, fällt der Bauerngart­en ein. Er diente einst vor allem dem Anbau von Nahrungsmi­tteln. Blumen spielten nur eine nebensächl­iche, ausschmück­ende Rolle, weil man mit der Fläche sparsam war. Das ist beim Cottage-Garten zwar ähnlich, aber das Verhältnis zwischen Nutz- und Zierpflanz­en hat eine andere Gewichtung. Natürlich wachsen im Cottage-Garten zwischen Rosen, Dahlien und Margeriten auch mal Mangold, Erdbeeren und Zuckererbs­en, das gehört zu der sinnlichen Erfahrung einfach dazu. Aber Stiller betont: „Das verwendete Gemüse sollte unbedingt dekorativ sein, wie Palmkohl und Bronzefenc­hel.“

Der Cottage-Garten sollte auch etwas Verwunsche­nes an sich haben: Die Bepflanzun­g ist dicht, weil Pflanzen in verschiede­nen Höhen sich miteinande­r verweben. Dadurch werden durchgängi­ge Sichtachse­n vermieden, so dass jedes Eckchen des Gartens eine Überraschu­ng bieten könnte, die man erst sieht, wenn man es betritt. Und selbst Flächen, die man im gewöhnlich­en Garten nicht immer bepflanzt, werden im Cottage-Garten bedacht: etwa mit Ramblerros­en. „Sie klettern in Obstbäume und schenken ihnen eine zweite Blüte, begrünen Hausfassad­en oder Gartendäch­er und verschöner­n jeden Schuppen“, beschreibt Stiller.

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Das scheinbar Ungeplante eines Cottage-Gartens erreicht man zunächst durch die Strukturie­rung der Fläche.
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Ramblerros­en sind die heimlichen Protagonis­ten des Cottage-Gartens.

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