Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Spitzenreiter in der EU bei Corona-Hilfen
Länder weniger finanzielle Spielräume als etwa die Regierung in Berlin. Das liegt zum Teil an ihrer geringeren Wirtschaftsleistung, aber auch an ihren vergleichsweise hohen Staatsschulden. „Das heißt, die Corona-Krise vertieft noch einmal die Spaltung Europas“, sagt Martin Lück.
Die unterschiedlichen Möglichkeiten, Unternehmen und Wirtschaft vonseiten des Staates unter die Arme zu greifen, sieht auch EUWettbewerbskommissarin Margrethe Vestager als ein Problem. Von den bislang angemeldeten Hilfen in Höhe von knapp zwei Billionen Euro entfielen rund 51 Prozent auf die Bundesrepublik, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission am Montag in Brüssel. Das aber kann letztlich zu Wettbewerbsverzerrungen führen, wenn Unternehmen in einigen Ländern wie Deutschland nach der Krise mit Rückenwind aus großen Hilfsprogrammen wieder durchstarten können, während andere Unternehmen
vor allem in den Südländern noch mit den Langzeitfolgen der Krise kämpfen müssen.
Während Deutschland rund ein Drittel seiner Wirtschaftsleistung gegen die Krise aufbringen kann, rechnet beispielsweise die Regierung in Athen bislang nur mit Summen von knapp fünf Prozent der Wirtschaftsleistung, rechnet der Chefvolkswirt der ING, Carsten Brzesjki vor: „Wir haben also das große Risiko, dass sich die wirtschaftlichen Unterschiede nach der Krise noch vergrößern werden. Und wenn es dann nicht wieder zu einer neuen Eurokrise kommen soll, dann sollte man darüber nachdenken, wie man in Südeuropa noch einmal helfen kann.“Ein Schritt in diese Richtung könnte ein Vorstoß aus Berlin und Paris sein. Die beiden führenden europäischen Wirtschaftsmächte schlagen einen gemeinsamen europäischen Wiederaufbauplan in Höhe von 500 Milliarden Euro vor.
Ein anderes und eher generelles Problem der schnellen Nothilfen für Wirtschaft und Unternehmen sieht die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE): Die Korruption dürfte zunehmen, weil die Behörden überfordert seien. „Die Kriminellen passen sich rasch an die Systemschwächen an, die durch die Covid-Krise hervorgerufen werden“, sagte OSZE-Generalsekretär Thomas Greminger der österreichischen Nachrichtenagentur APA. „Wir vermuten, dass wir in den nächsten Monaten sehr viel mehr Korruption sehen werden.“Auch der Menschenhandel dürfte nach Meinung Gremingers zunehmen. Denn durch die Wiedereinführung von Kontrollen an den europäischen Binnengrenzen seien auch diese Behörden überfordert gewesen. Leider habe die Corona-Krise die Tendenz zu „sehr nationalen Reflexen, Alleingängen und unilateral isolationistischen Ansätzen verstärkt“.
Deutschland unterstützt seine Wirtschaft in der Corona-Krise
sagte eine Sprecherin der EU-Kommission am Montag. Die französischen Hilfen machen demnach nur einen Anteil von 17 Prozent aus, die italienischen 15,5 Prozent. Der polnische Anteil beträgt lediglich 2,5 Prozent. Wie stark Deutschland die Wirtschaft in der Krise unterstützt, wird vor allem deutlich, wenn der Anteil an den Staatshilfen in der EU ins Verhältnis zum Anteil an der Wirtschaftsleistung gesetzt wird. So lag der deutsche Anteil am Bruttoinlandsprodukt der EU Ende 2019 nur bei etwa einem Fünftel. Zugleich entfallen mehr als die Hälfte der genehmigten Corona-Hilfen auf Deutschland. Insgesamt hat die EU-Kommission nach eigenen Angaben bereits 160 Corona-Hilfsmaßnahmen der Mitgliedstaaten und Großbritanniens genehmigt. Um eine Zunahme der Ungleichheiten zu verhindern, wird nun von der Behörde an einem Plan für den Wiederaufbau der Wirtschaft in der EU gearbeitet. Er soll es ermöglichen, Länder mit weniger finanziellen Möglichkeiten stärker zu unterstützen. Ein Sprecher der EU-Kommission betonte, dass die in Deutschland gezahlten Hilfen indirekt auch Unternehmen in anderen EU-Staaten zu Gute kommen könnten – zum Beispiel, in dem Lieferketten aufrechterhalten werden. (dpa)