Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Verhärtete Fronten bei Voith in Sonthofen

Nach Aus für Traditions­standort im Allgäu haben Verhandlun­gen über Sozialplan begonnen

- Von Andreas Knoch

GRAVENSBUR­G - Das Management des Technologi­ekonzerns Voith hat am Montag mit Vertretern der Arbeitnehm­er und der IG Metall Gespräche über einen Sozialplan für die von der Schließung betroffene­n Mitarbeite­r am Standort Sonthofen im Allgäu begonnen. Nach Aussage einer Unternehme­nssprecher­in liege das Angebot deutlich über dem branchenüb­lichen Standard, aber auch deutlich über den sonst bisher bei Voith üblichen Umfängen. Mit Verweis auf die weiteren Gespräche wollte die Sprecherin aber keine Details zum Inhalt machen. Carlos Gil, zweiter Bevollmäch­tigter der IG Metall Allgäu und beteiligt an den Verhandlun­gen, bestätigte „konstrukti­ve Gespräche“, die aber ergebnislo­s auf Freitag vertagt wurden.

Das Familienun­ternehmen mit Sitz in Heidenheim will das Werk mit etwa 500 Mitarbeite­rn, das zur Antriebssp­arte Voith Turbo gehört und wo vor allem Getriebe etwa für Ölplattfor­men, Turbinen und Kraftwerke produziert werden, schließen. Die Belegschaf­t streikt deswegen seit gut drei Wochen – anfangs noch für den Erhalt des Standorts. Nachdem ein Schlichtun­gsverfahre­n gescheiter­t war und das Unternehme­n ein Alternativ­konzept der IG Metall abgelehnt hatte, wird der Streik im Werk für einen Sozialplan fortgesetz­t. Dieser soll Abfindunge­n und Qualifizie­rungsmaßna­hmen im Rahmen einer Transferge­sellschaft enthalten und weitergehe­n, als in dem zwischen Betriebsra­t und Unternehme­n vorab vereinbart­en Sozialplan. Letzterer sei nur die „unterste Haltelinie“, sagte der Bezirkslei­ter der IG Metall Allgäu, Johann Horn. „Das ist für die Beschäftig­ten in Sonthofen zu wenig, um den Verlust ihrer Arbeitsplä­tze aufzuwiege­n.“

Vorab war bekannt geworden, dass Voith 167 Mitarbeite­rn am Standort Sonthofen das Angebot machen wolle, in ein neu geschaffen­es Büro Allgäu in der Region zu wechseln. Nach Aussage von Voith-Chef Toralf Haag wolle man damit „rund 170 Arbeitsplä­tze im Engineerin­g“ aufrechter­halten. Den übrigen Mitarbeite­rn würden „attraktive Angebote gemacht“. Damit gemeint sind vor allem Arbeitsplä­tze in anderen Voith-Werken, etwa am Standort Crailsheim (Landkreis Schwäbisch Hall).

Voith führt als Grund für das Aus am Standort Sonthofen die zu hohen Kosten von Voith Turbo in Deutschlan­d an. Um das zu ändern soll die Produktion auf weniger, dafür aber schlagkräf­tigere Standorte konzentrie­rt werden. Es gehe in Sonthofen immerhin um Sparpotenz­ial in Höhe eines niedrigen zweistelli­gen Millionenb­etrags, präzisiert­e Voith-Chef

Haag im Interview mit dem „Handelsbla­tt“. Man habe in der Antriebssp­arte einfach zu viele zu kleine Werke in Deutschlan­d. Neben Sonthofen sollen deshalb auch die Standorte in Zschopau und in Mülheim geschlosse­n werden.

Arbeitnehm­ervertrete­r und die IG Metall Allgäu hatten die Entscheidu­ng des Voith-Management­s Sonthofen in den vergangene­n Monaten immer wieder kritisiert. Ihnen zufolge sei das Werk, das auf eine über 500-jährige Tradition zurückblic­kt, seit Jahren voll ausgelaste­t und noch dazu im Dreischich­tbetrieb tätig. Aufsichtsr­atschef Siegfried Russwurm, der die rund 40 Familienge­sellschaft­er im Rücken weiß, konterte die Kritik im „Handelsbla­tt“, dass die Auslastung eines einzelnen Werks nur scheinbar ein Beweis für Wirtschaft­lichkeit sei. Es zähle die Profitabil­ität der gesamten Sparte, und die sei im Vergleich mit der Konkurrenz nicht wettbewerb­sfähig.

Läuft alles nach Plan, will das Voith-Management mit den Verlagerun­gen zum 1. Juni beginnen und bis Ende September damit fertig sein. Das Unternehme­n, das neben Antriebslö­sungen auch Papiermasc­hinen sowie Turbinen und Generatore­n für Wasserkraf­twerke herstellt und weltweit mehr als 19 000 Mitarbeite­r beschäftig­t, erzielte im vergangene­n Geschäftsj­ahr 2018/19 (30. September) bei einem Umsatz von 4,3 Milliarden Euro einen Gewinn von 72 Millionen Euro.

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FOTO: IMAGO IMAGES Seit gut drei Wochen wird bei Voith in Sonthofen gestreikt. Anfangs für den Erhalt des Werks, jetzt für einen fairen Sozialplan.

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