Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Steriler Petersdom
Der Vatikan öffnet nach rund acht Wochen wieder für Gläubige – mit Einschränkungen
GROM - Als Papst Franziskus am Montagmorgen, pünktlich um 7 Uhr am Hauptaltar, direkt unterhalb der Kuppel von Michelangelo, einen Gedenkgottesdienst zum 100. Geburtstag seines Vorgängers Johannes Paul II. feierte, war er fast allein. Wie schon in den vergangenen Wochen, musste die Messe ohne das Beisein von Gläubigen stattfinden. Dafür richteten sich Kameras auf den Pontifex, die die Messe live in die ganze Welt übertrugen. Es soll vorerst die letzte Messe dieser Art gewesen sein. Denn nach dem Gottesdienst wurden, zum ersten Mal seit mehr als rund zwei Monaten, die Pforten der größten Kirche der katholischen Christenheit wieder geöffnet. Doch von normalem Alltag kann dort noch keine Rede sein.
Neben Sicherheitskontrollen müssen Besucher nun auch hygienische Kontrollen über sich ergehen lassen. Betreten kann das gewaltige Gotteshaus nur, wer mit einer Atemschutzmaske ausgestattet ist. Mit Thermoscannern kontrolliert das Personal am Eingan die Körpertemperatur. Wird bei einem Besucher eine Temperatur von mehr als 37,5 Grad gemessen, darf er nicht hinein.
Nur wenige Besucher fanden am Montagvormittag den Weg in den gewaltigen Kircheninnenraum. So ganz ohne Touristen ist es im Petersdom und auch auf dem Petersplatz ziemlich leer. Wenn ab 3. Juni Touristen und Pilger wieder aus ganz Italien und aus dem EU-Ausland sowie der Schweiz nach Rom reisen dürfen, wird der Eintritt in die Peterskirche begrenzt, damit es nicht zu eng wird.
Am Wochenende vor dieser historischen Wiedereröffnung wurden der Petersdom und sämtliche vatikanischen Basiliken in Rom gründlich desinfiziert. Der Hygiene-Experte Andrea Arcangeli ließ von seinen in weiße Ganzkörperanzüge gekleideten Mitarbeitern sämtliche Fußböden und Oberflächen der Peterskirche und der vatikanischen Basiliken, wie etwa der Johannes-Basilika, bakterienund virenfrei machen. Diese Reinigung betraf vor allem jene Bereiche dieser Kirchen, die am häufigsten von Gläubigen und anderen
Besuchern frequentiert und berührt werden. In einem Interview mit „Vatican News“erklärte Arcangeli, dass eine Kirche niemals so steril sein könne wie der Operationssaal eines Krankenhauses. Doch er könne garantieren, so der Hygienefachmann des Papstes, dass man Kirchenbänke, Stühle und Brüstungen, wie etwa vor der Marmor-Pietà von Michelangelo im Petersdom, mit mehreren Desinfektionsmitteln einer gründlichen Reinigung unterzogen habe.
Offiziell ließen nicht nur in Rom, sondern in ganz Italien sämtliche Geistliche ihre Kirchen desinfizieren. Am Montag wurden im ganzen Land nicht nur die Gotteshäuser wieder geöffnet, sondern auch Messfeiern abgehalten. Auch dort müssen strenge hygienische Regeln eingehalten werden. In normalgroßen Kirchen dürfen nur bis zu 200 Personen an einem Gottesdienst teilnehmen. In kleineren Kirchen weniger als 100. Die Hostie darf während der Eucharistiefeier nur von einem Geistlichen ausgeteilt werden, der sich zuvor seine Hände gründlich desinfizieren muss. Die Hostie darf nicht in den Mund, sondern nur in die Hände des Gläubigen gelegt werden. Bei Gottesdiensten unter freiem Himmel dürfen nur höchsten 1000 Personen teilnehmen. Ob diese Höchstgrenze auch für die Papstgottesdienste und -audienzen auf dem Petersplatz gelten soll, ist noch unklar. Jetzt, wo in Italiens Kirchen wieder Gottesdienste abgehalten werden, verzichtet der Vatikan auf die weltweite Live-Ausstrahlung der morgendlichen Messfeiern
mit dem Papst. Ab Dienstag finden sie wieder ohne Fernsehkameras statt. Ende Mai sollen auch wieder die vatikanischen Museen zugänglich sein. Allerdings nur mit einer Vorbuchung, mit Atemschutzmasken und mit einer Besucherhöchstgrenze, die noch definiert werden muss. Das große Gerangel mit bis zu 40 000 Besuchern pro Tag wird damit vorläufig der Vergangenheit angehören.
Der Wiedereröffnung der Museen des Papstes kommt auch aus finanziellen Gründen eine besondere Bedeutung zu. Die Einnahmen aus den Eintrittstickets sind sehr wichtig für den Kirchenstaat, der dieses Jahr mit einem voraussichtlichen Defizit von rund 53 Millionen Euro rechnen muss.