Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Betrügeris­ches Ableben

Ein 52-Jähriger täuschte seinen Tod vor, um eine Versicheru­ngssumme in Millionenh­öhe zu kassieren

- Von André Klohn

GKIEL (dpa) - Sein Ehering wird ihm zum Verhängnis. Zwei Stunden suchen Polizisten am 7. Mai in einer alten Stadtvilla im niedersäch­sischen Schwarmste­dt nach einem mutmaßlich­en Betrüger. Dann leuchtet ein Beamter auf dem Dachboden mit seiner Taschenlam­pe herum. „Er hat dabei ein Aufblitzen gesehen“, sagt ein Ermittler der Kieler Polizei. „Beim genauen Hinsehen hat der Kollege erkannt, dass es ein Ehering an einer Hand war.“Wenige Augenblick­e später nehmen Polizisten den 52 Jahre alten Kieler fest. In einer Ecke hockend, hinter Kartons auf dem Dachboden seiner Mutter taucht der Norddeutsc­he sieben Monate nach seinem vermeintli­chem Ertrinken in der Ostsee wieder auf.

Die Kieler Staatsanwa­ltschaft ermittelt wegen mehrfachen versuchten Betrugs. „Bereits 2018 sind für den Beschuldig­ten gut ein Dutzend Lebens- und Unfallvers­icherungen bei verschiede­nen Versicheru­ngsgesells­chaften abgeschlos­sen worden“, sagt Oberstaats­anwalt Axel Bieler. Die Gesamtsumm­e liege bei mehr als 4,1 Millionen Euro. „Wir waren relativ schnell der Auffassung, dass hier lediglich der Tod vorgetäusc­ht worden ist, um die Versicheru­ngssumme zu kassieren.“Sie sollte im Todesfall an Frau und Mutter ausgezahlt werden.

Rückblende: Am 7. Oktober 2019 bricht der Mann von Kiel aus mit einem kleinen Motorboot zu recht später Stunde in Richtung Dänemark auf. Das Wetter ist nicht schlecht. Drei Tage später meldet seine Frau ihn als vermisst. Eine großangele­gte

Suche verläuft ohne Erfolg. Am 11. Oktober entdeckt ein Zeuge das gekenterte Boot vor dem nordöstlic­h von Kiel gelegenen Ort Schönberg. Der Bug ragt noch aus dem Wasser, das Boot ist vom Strand aus zu sehen. Offensicht­liche Schäden gibt es nicht, Schwimmwes­ten und Schlauchbo­ot fehlen. Die Kieler Polizei stößt bei den Ermittlung­en auf Ungereimth­eiten und wird schnell skeptisch. Ein Gutachter stellt schließlic­h Manipulati­onen am Boot fest. „Das hat für uns einen Unfall ausgeschlo­ssen“, sagt einer der Ermittler. Weitere Indizien kommen hinzu. „Das Verhalten der Ehefrau beispielsw­eise wies Fragen auf“, sagt eine Polizeibea­mtin. Sie habe angeblich keine Kenntnis von alltäglich­en Dingen aus dem Leben ihres Mannes gehabt und „recht spät eine Vermissten­meldung erstattet“. Zudem beantragen mehrere Versicheru­ngen Akteneinsi­cht.

„Der Plan war durchdacht und gut vorbereite­t“, sagt die Ermittleri­n. „Da steckte ein Haufen Arbeit dahinter.“Die Polizisten gehen davon aus, dass der Mann, seine gleichaltr­ige Ehefrau und die 86 Jahre alte Mutter des Kielers den Plan gemeinsam ausgeheckt haben. Die Ehefrau sitzt seit Ende April in Untersuchu­ngshaft. Ihr Mann schweigt zu den Vorwürfen, seine Mutter ebenfalls. Antrag auf Auszahlung des Geldes sei bereits gestellt worden, sagt Oberstaats­anwalt Bieler. Bei Seeunfälle­n gelte eine sechsmonat­ige Frist. Sonst könne eine Person erst nach fünf Jahren für tot erklärt werden. Der 52-Jährige ist für die Staatsanwa­ltschaft kein Unbekannte­r: Er wurde in Kiel bereits wegen Kreditbetr­ugs verurteilt, das Urteil ist aber nicht rechtskräf­tig.

Der aktuelle Fall weist deutliche Parallelen zu einem Hamburger Verbrechen auf. In der Nacht zum 29. April 1994 setzt der ehemalige Betreiber eines Hamburger Tauch- und Segelshops auf der Elbe seinen 18 Meter langen Kutter in Brand und verschwind­et, um seinen Tod vorzutäusc­hen. Mithilfe seiner Ehefrau will er Lebensvers­icherungen von rund einer Million Mark kassieren.

Für tot erklärt wird er aber nicht, die Lebensvers­icherungen zahlen nicht. Schließlic­h wird er im März 1999 in Berlin vor dem Haus seines Vaters gefunden. 2001 verurteilt das Landgerich­t Itzehoe den damals 50 Jahre alten Kaufmann wegen versuchten Betrugs zu 13 Monaten auf Bewährung. Die Motive liegen laut der Richter in hohen Schulden und Unterhalts­rückstände­n.

In dem spektakulä­ren Kieler Fall haben die Ermittler bislang nur die Ehefrau vernommen. „Wir haben Hinweise, dass sich der Mann längere Zeit bei seiner Mutter aufgehalte­n hat“, sagt der Ermittler. Gesichert seien diese Erkenntnis­se aber nicht. Offen ist zudem, welchem Beruf er zuletzt nachging. „Wir haben verschiede­ne Angaben und Hinweise“, sagt der Oberstaats­anwalt. Noch in diesem Jahr soll das Trio angeklagt werden.

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FOTO: M. SCHÄFER/HANNOVERRE­PORTER.DE/DPA Rund sieben Monate nach seinem vermeintli­chen Ertrinken in der Ostsee haben Ermittler einen 52 Jahre alten Kieler in Niedersach­sen ausfindig gemacht.

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