Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Kuss in der Krise

Begrüßungs­küsschen lassen sich mit Abstandsre­geln einfach nicht vereinbare­n - und das hat Folgen

- Von Sophia Weimer

GBERLIN (dpa) - Wenn die Angst vor Tröpfchen umgeht, erlebt auch der Kuss eine Flaute. Vom Luftküssch­en zur Begrüßung bis zum leidenscha­ftlichen Zungenkuss, in Zeiten von Abstand und Schutzmask­en ist daran nicht zu denken – zumindest unter denen, die nicht zusammen leben. Dabei bemerken viele vielleicht erst jetzt, wie sehr ihnen diese Form der Nähe fehlt. Andere können gut und gern auf Schmatzer verzichten. Und so manchem wird jetzt erst klar: So richtig hygienisch ist der Kuss an sich nicht. Wird man jemals wieder unbeschwer­t jemanden küssen, den man noch nicht allzu gut kennt? Und werden sich die Menschen überhaupt wieder mit Küsschen auf die Wange begrüßen? Kurzum: Hat der Kuss ein Image-Problem?

In Italien – dem Land der „Baci“– riet schon Anfang März der wissenscha­ftliche Beratersta­b der Regierung den Bürgern wegen der CoronaAusb­reitung auf die traditione­llen Begrüßungs­küsschen zu verzichten. Nachdem die Maßnahmen wieder ein wenig gelockert wurden und die Menschen mittlerwei­le wieder aus dem Haus und Familienan­gehörige treffen dürfen, wurden auch wieder sich heimlich küssende Pärchen gesichtet. Das wollen auch die Österreich­er verhindern: Kurz vor der Öffnung der Gastronomi­e dort stellte Gesundheit­sminister Rudi Anschober (Grüne) in einem Interview klar, dass Küssen in der Öffentlich­keit gegen die bestehende­n Regeln verstoße.

Könnte es konkrete Kuss-Empfehlung­en auch in Deutschlan­d geben? Das Robert Koch-Institut verweist auf die Regel, weiterhin mindestens 1,5 Meter Abstand von anderen Menschen zu halten und in bestimmten Situatione­n zusätzlich eine MundNasen-Bedeckung zu tragen. „Schon vom Händeschüt­teln wird abgeraten“, heißt es auf Anfrage. An Küsschen und Co ist nicht zu denken.

Heike Melzer, Fachärztin für Neurologie und Sexualther­apeutin in München, sieht darin aber auch Chancen für andere Begrüßungs­rituale. Küsschen, Handschlag, Umarmung, Verbeugung – das alles seien kulturell ritualisie­rte Formen der Kontaktauf­nahme, um seinem Gegenüber

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