Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Kuss in der Krise
Begrüßungsküsschen lassen sich mit Abstandsregeln einfach nicht vereinbaren - und das hat Folgen
GBERLIN (dpa) - Wenn die Angst vor Tröpfchen umgeht, erlebt auch der Kuss eine Flaute. Vom Luftküsschen zur Begrüßung bis zum leidenschaftlichen Zungenkuss, in Zeiten von Abstand und Schutzmasken ist daran nicht zu denken – zumindest unter denen, die nicht zusammen leben. Dabei bemerken viele vielleicht erst jetzt, wie sehr ihnen diese Form der Nähe fehlt. Andere können gut und gern auf Schmatzer verzichten. Und so manchem wird jetzt erst klar: So richtig hygienisch ist der Kuss an sich nicht. Wird man jemals wieder unbeschwert jemanden küssen, den man noch nicht allzu gut kennt? Und werden sich die Menschen überhaupt wieder mit Küsschen auf die Wange begrüßen? Kurzum: Hat der Kuss ein Image-Problem?
In Italien – dem Land der „Baci“– riet schon Anfang März der wissenschaftliche Beraterstab der Regierung den Bürgern wegen der CoronaAusbreitung auf die traditionellen Begrüßungsküsschen zu verzichten. Nachdem die Maßnahmen wieder ein wenig gelockert wurden und die Menschen mittlerweile wieder aus dem Haus und Familienangehörige treffen dürfen, wurden auch wieder sich heimlich küssende Pärchen gesichtet. Das wollen auch die Österreicher verhindern: Kurz vor der Öffnung der Gastronomie dort stellte Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne) in einem Interview klar, dass Küssen in der Öffentlichkeit gegen die bestehenden Regeln verstoße.
Könnte es konkrete Kuss-Empfehlungen auch in Deutschland geben? Das Robert Koch-Institut verweist auf die Regel, weiterhin mindestens 1,5 Meter Abstand von anderen Menschen zu halten und in bestimmten Situationen zusätzlich eine MundNasen-Bedeckung zu tragen. „Schon vom Händeschütteln wird abgeraten“, heißt es auf Anfrage. An Küsschen und Co ist nicht zu denken.
Heike Melzer, Fachärztin für Neurologie und Sexualtherapeutin in München, sieht darin aber auch Chancen für andere Begrüßungsrituale. Küsschen, Handschlag, Umarmung, Verbeugung – das alles seien kulturell ritualisierte Formen der Kontaktaufnahme, um seinem Gegenüber