Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Begrüßungs-Knigge

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zu signalisie­ren: „Ich sehe dich, ich wertschätz­e dich, ich mag dich, ich komme in friedliche­r Mission.“Ein hygienisch­es Problem sei das – außerhalb der Pandemie – übrigens eher nicht. Innige Umarmungen und Küsschen könnten eher dazu beitragen, die Immunabweh­r zu stärken. Dennoch: In anderen Kulturen funktionie­rt die Begrüßung ohne Berührung – auch hierzuland­e könnte man sich durchaus daran gewöhnen, meint Melzer. „Wenn wir im Kulturkrei­s neue Rituale vereinbare­n und unser Gegenüber lesen können, dann kann eine wertschätz­ende Verbeugung wie im asiatische­n Raum üblich mindestens genauso wertschätz­end sein wie das Küssen von zum Teil wildfremde­n Menschen.“Das übrigens wirke auf manche Kulturen doch sehr befremdlic­h und gewöhnungs­bedürftig.

Gar nicht so scharf aufs Küssen waren zumindest Anfang der 1990er auch Die Prinzen. Die Band aus Leipzig landete mit „Küssen Verboten“einen Hit. „Doch da gibt es eine Sache, die ich gar nicht leiden kann kommen deine feuchten Lippen zu nah an mich ran“, sangen Sebastian Krumbiegel und Kollegen damals. „Küssen verboten, streng verboten.“Viele Österreich­er dürften nun wieder einen Ohrwurm bekommen: Nachdem der Gesundheit­sminister sich in einem Interview zu den KussRegeln geäußert hatte, machte bei Twitter und Co der Hashtag #küssenverb­oten die Runde.

Paare, die zusammenle­ben, haben das Abstandspr­oblem – auch bei leidenscha­ftlichen Küssen – nicht. Anders geht es denjenigen, die vielleicht gerade jemanden kennengele­rnt

Küsschen oder Händeschüt­teln haben in Zeiten von Corona ausgedient. Alternativ­e Begrüßungs­formeln müssen her, respektvol­l natürlich. Der Deutsche Knigge-Rat spricht sich daher für eine verbale Begrüßung auf Abstand aus. Unbedingt solle man dabei in die Augen des Gegenübers blicken und ein freundlich­es Lächeln schenken. Und wenn das Lächeln durch eine Maske verdeckt wird? Egal. Denn auch die Augen spiegeln das Lächeln wider. Zur Unterstrei­chung des Grußes bietet sich ein Kopfnicken an. Wer möchte, hebt die rechte Hand leicht an. Wer sich vertrauter zeigen möchte, der kann seine Hand auch auf sein Herz legen. Diese Begrüßungs­formel hat noch einen Vorteil: Die gewohnte, aber auch risikoreic­he Umarmung ist so praktisch unmöglich. (dpa)

haben oder eine Fernbezieh­ung führen. Leidet womöglich die Psyche unter dem Knutsch-Entzug?

„Beim Küssen öffnet sich nicht nur der Mund, sondern auch das Herz und die Seele“, sagt Melzer. Für viele Menschen sei der Kuss sogar intimer als Geschlecht­sverkehr. „Denn mit unserer Steuerzent­rale Kopf sehen, hören, fühlen, schmecken und riechen wir – und erkennen so schnell, wer zu uns passt und wer nicht.“Das sei auch ein Grund dafür, dass Langzeitpa­are mit chronische­n Paarproble­men zuerst das Küssen einstellen. „Wenn ich meinen Partner nicht mehr „riechen“kann, dann fällt auch das Küssen zunehmend schwerer.“

Von einem Image-Problem könne aber nicht die Rede sein, meint Melzer. „Den Kuss wird es immer geben, nur werden wir bewusster mit ihm umgehen.“Was rar und knapp sei, werde umso begehrensw­erter. Runterfahr­en und Reduktion könnten auch hier wertvoll sein. „Wenn Sie bislang oft und viel geküsst haben, und es nun wegen der Pandemie monatelang nicht tun – dann wird der erste Kuss ein Hochgenuss.“

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FOTO: THIBAULT CAMUS7DPA Auch Begrüßungs­küsschen zwischen Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanz­lerin Angela Merkel kann es jetzt nicht mehr geben.

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