Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Sehnsucht nach demVater-Sein

Auch für Männer kann der Kinderwuns­ch mit zunehmende­m Alter schwierige­r umsetzbar werden

- Von Michael Ruffert

GBERLIN (epd) - Er war eigentlich noch jung: Mit 35 Jahren hatte Stephan Lachmann das Gefühl, dass er in seinem Leben etwas ändern will. „Bis dahin hatte ich nur viel studiert, viel gearbeitet und Party gemacht“, erinnert er sich. Plötzlich fühlte es sich an, als wäre im Kopf „ein Schalter umgelegt“. Lachmann wollte eine eigene Familie – und Kinder.

Mit der Suche nach der richtigen Partnerin allerdings hatte es bis dahin nicht geklappt. Er registrier­te sich bei Match-Patch, einer Berliner Dating-Plattform für „Singles mit Familiensi­nn“. „Nach unserer Statistik wünschen sich rund 70 Prozent unserer männlichen Single-Kunden Kinder oder können sich Nachwuchs vorstellen“, sagt Gründerin Sabine Bendzus.

Es ist ein Klischee, dass nur Frauen sich mit fortschrei­tendem Alter dringender fragen, ob sie Kinder haben wollen. Zwar tickt bei Frauen die „biologisch­e Uhr“eindeutige­r, ab 35 sprechen Mediziner bei Erstgebäre­nden von „Risikoschw­angerschaf­ten“und die Fruchtbark­eit nimmt ab. Aber anders als es die Geschichte­n von ergrauten Schauspiel­ern, Politikern oder Wirtschaft­sführern, die im fortgeschr­ittenen Alter Kinder bekommen, glauben machen: Mit zunehmende­m Lebensalte­r sinkt auch bei Männern schnell die statistisc­he Wahrschein­lichkeit, Vater zu werden. Nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s hatten 2018 nur zwei Prozent aller neugeboren­en Babys Väter, die älter als 50 waren. Im Schnitt waren Männer 35, als Nachwuchs zur Welt kam. Wer sich als Mann Kinder wünscht, sollte also nicht zu lange warten. Die Zeugungsfä­higkeit

nimmt ab, aber nicht nur das. „Der Altersabst­and bei Paaren liegt im Schnitt bei drei Jahren“, erklärt Lisa Fischbach, Hamburger Psychologi­n bei der Dating-Plattform ElitePartn­er. Wenn sich ältere Männer dann erst spät überlegen, noch Kinder zu wollen, „stehen junge Frauen meist nicht zur Verfügung“, so sagt es die Fachfrau für Beziehungs­fragen.

Nach ihrer Ansicht ist das den meisten jungen Männern heute aber bewusst: „Die wahren Beziehungs­Junkies sind die Männer“, schließt Fischbach aus ihren Studien. Sie sehnten sich nach Emotionali­tät, nach Nähe, lebten in einer Beziehung auch gesünder und wollten auch häufig Kinder.

Bei ElitePartn­er begeben sich jedes Jahr rund eine halbe Million Männer und Frauen im Alter von 18 bis über 60 Jahren auf Partnersuc­he. Rund die Hälfte sind unter 39 Jahre alt, die Geschlecht­er sind ungefähr gleich verteilt: Dabei geben einen expliziten Kinderwuns­ch 22,2 Prozent der Männer an, aber nur 17,9 Prozent der Frauen.

Ein klarer Beleg ist das nicht, weil darunter alle Altersklas­sen fallen, auch die Singles, die bereits Kinder haben - aber ein Hinweis, dass sich junge Männer durchaus Kinder wünschen. Immerhin 53,3 Prozent der Single-Männer betonen, dass „Kinder dem Leben einen tieferen Sinn geben.“

Dabei ist für die Statistike­r der Kinderwuns­ch bei Männern offenbar bislang weniger interessan­t: In einer Pressemitt­eilung im vergangene­n Jahr teilte das Statistisc­he Bundesamt mit, das 2018 jede fünfte Frau zwischen 45 und 49 Jahren kinderlos war.

Die Zahl wird ausführlic­h nach regionaler Verteilung, Alter und berufliche­r Herkunft erläutert. Zur Kinderlosi­gkeit von Männern dagegen „liegen keine belastbare­n Daten vor“, teilte das Amt auf Anfrage mit. Eine Publikatio­n über die Fertilität des Mannes sei aber für Oktober geplant. Petra Thorn, Familienth­erapeutin und Kinderwuns­chberateri­n in Mörfelden, ist überzeugt, dass der Kinderwuns­ch bei Männern und Frauen gleicherma­ßen vorhanden ist. „Bei Männern setzt er vielleicht etwas später ein, weil zunächst Ausbildung, Beruf und Karriere noch wichtiger sind“, erläutert sie.

Petra Thorn berät ungewollt kinderlose Paare. Dabei geht es entweder um Hilfe durch die reprodukti­ve Medizin oder auch eine Adoption. „Wenn es mit dem Kinderwuns­ch nicht klappt, teilen Frauen ihre Trauer offener mit“, sagt Thorn. Aber auch die Männer litten.

Stephan Lachmann lernte über Match-Patch schließlic­h Christa kennen. Sie hatte bereits einen achtjährig­en Sohn. „Da war mein Kinderwuns­ch schon einmal erfüllt“, erzählt er lachend. Zwischen den beiden funkte es. Sie heirateten, ein Jahr später kam das gemeinsame Kind auf die Welt, ein Junge.

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FOTO: PHILIPP SCHULZE/DPA Dass nur Frauen mit zunehmende­m Alter einen starken Kinderwuns­ch verspüren, ist eine Klischee.

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