Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Sehnsucht nach demVater-Sein
Auch für Männer kann der Kinderwunsch mit zunehmendem Alter schwieriger umsetzbar werden
GBERLIN (epd) - Er war eigentlich noch jung: Mit 35 Jahren hatte Stephan Lachmann das Gefühl, dass er in seinem Leben etwas ändern will. „Bis dahin hatte ich nur viel studiert, viel gearbeitet und Party gemacht“, erinnert er sich. Plötzlich fühlte es sich an, als wäre im Kopf „ein Schalter umgelegt“. Lachmann wollte eine eigene Familie – und Kinder.
Mit der Suche nach der richtigen Partnerin allerdings hatte es bis dahin nicht geklappt. Er registrierte sich bei Match-Patch, einer Berliner Dating-Plattform für „Singles mit Familiensinn“. „Nach unserer Statistik wünschen sich rund 70 Prozent unserer männlichen Single-Kunden Kinder oder können sich Nachwuchs vorstellen“, sagt Gründerin Sabine Bendzus.
Es ist ein Klischee, dass nur Frauen sich mit fortschreitendem Alter dringender fragen, ob sie Kinder haben wollen. Zwar tickt bei Frauen die „biologische Uhr“eindeutiger, ab 35 sprechen Mediziner bei Erstgebärenden von „Risikoschwangerschaften“und die Fruchtbarkeit nimmt ab. Aber anders als es die Geschichten von ergrauten Schauspielern, Politikern oder Wirtschaftsführern, die im fortgeschrittenen Alter Kinder bekommen, glauben machen: Mit zunehmendem Lebensalter sinkt auch bei Männern schnell die statistische Wahrscheinlichkeit, Vater zu werden. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hatten 2018 nur zwei Prozent aller neugeborenen Babys Väter, die älter als 50 waren. Im Schnitt waren Männer 35, als Nachwuchs zur Welt kam. Wer sich als Mann Kinder wünscht, sollte also nicht zu lange warten. Die Zeugungsfähigkeit
nimmt ab, aber nicht nur das. „Der Altersabstand bei Paaren liegt im Schnitt bei drei Jahren“, erklärt Lisa Fischbach, Hamburger Psychologin bei der Dating-Plattform ElitePartner. Wenn sich ältere Männer dann erst spät überlegen, noch Kinder zu wollen, „stehen junge Frauen meist nicht zur Verfügung“, so sagt es die Fachfrau für Beziehungsfragen.
Nach ihrer Ansicht ist das den meisten jungen Männern heute aber bewusst: „Die wahren BeziehungsJunkies sind die Männer“, schließt Fischbach aus ihren Studien. Sie sehnten sich nach Emotionalität, nach Nähe, lebten in einer Beziehung auch gesünder und wollten auch häufig Kinder.
Bei ElitePartner begeben sich jedes Jahr rund eine halbe Million Männer und Frauen im Alter von 18 bis über 60 Jahren auf Partnersuche. Rund die Hälfte sind unter 39 Jahre alt, die Geschlechter sind ungefähr gleich verteilt: Dabei geben einen expliziten Kinderwunsch 22,2 Prozent der Männer an, aber nur 17,9 Prozent der Frauen.
Ein klarer Beleg ist das nicht, weil darunter alle Altersklassen fallen, auch die Singles, die bereits Kinder haben - aber ein Hinweis, dass sich junge Männer durchaus Kinder wünschen. Immerhin 53,3 Prozent der Single-Männer betonen, dass „Kinder dem Leben einen tieferen Sinn geben.“
Dabei ist für die Statistiker der Kinderwunsch bei Männern offenbar bislang weniger interessant: In einer Pressemitteilung im vergangenen Jahr teilte das Statistische Bundesamt mit, das 2018 jede fünfte Frau zwischen 45 und 49 Jahren kinderlos war.
Die Zahl wird ausführlich nach regionaler Verteilung, Alter und beruflicher Herkunft erläutert. Zur Kinderlosigkeit von Männern dagegen „liegen keine belastbaren Daten vor“, teilte das Amt auf Anfrage mit. Eine Publikation über die Fertilität des Mannes sei aber für Oktober geplant. Petra Thorn, Familientherapeutin und Kinderwunschberaterin in Mörfelden, ist überzeugt, dass der Kinderwunsch bei Männern und Frauen gleichermaßen vorhanden ist. „Bei Männern setzt er vielleicht etwas später ein, weil zunächst Ausbildung, Beruf und Karriere noch wichtiger sind“, erläutert sie.
Petra Thorn berät ungewollt kinderlose Paare. Dabei geht es entweder um Hilfe durch die reproduktive Medizin oder auch eine Adoption. „Wenn es mit dem Kinderwunsch nicht klappt, teilen Frauen ihre Trauer offener mit“, sagt Thorn. Aber auch die Männer litten.
Stephan Lachmann lernte über Match-Patch schließlich Christa kennen. Sie hatte bereits einen achtjährigen Sohn. „Da war mein Kinderwunsch schon einmal erfüllt“, erzählt er lachend. Zwischen den beiden funkte es. Sie heirateten, ein Jahr später kam das gemeinsame Kind auf die Welt, ein Junge.