Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Für viele sind die Einschnitt­e gewaltig“

Harald Lämmle, Jobcenter Biberach, berichtet, wie viele Menschen wegen Corona finanziell­e Unterstütz­ung brauchen

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BIBERACH - Das Jobcenter Biberach verzeichne­t innerhalb der ersten sieben Wochen der Corona-Krise 530 Erstanträg­e im Bereich Arbeitslos­engeld II, auch Hartz IV genannt. Diese Zahl ist enorm und macht deutlich, welch schwerwieg­ende finanziell­e Folgen die Krise für viele Menschen hat. Die Mitarbeite­r versuchen täglich, diese Herausford­erung zu meistern. Tanja Bosch hat mit Harald Lämmle, dem Leiter des Jobcenters, über die aktuelle Situation gesprochen.

Herr Lämmle, viele Menschen geraten aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie in eine finanziell­e Schieflage. Wer kein Einkommen mehr hat, muss dennoch seine Miete bezahlen und sich etwas zum Essen kaufen können. Wie geht das Jobcenter mit diesen Einzelschi­cksalen um?

Harald Lämmle: Es muss sichergest­ellt werden, dass alle Menschen ihren Lebensunte­rhalt bestreiten können. Für viele sind die Einschnitt­e aktuell allerdings gewaltig. Meine Mitarbeite­r tun alles dafür, die Anträge schnell zu bearbeiten und die Leistungen zügig auszubezah­len. Im Schnitt brauchen wir eine Woche für den Antrag und nochmals zwei bis drei Tage für die Auszahlung.

Wie viele Menschen haben im April dieses Jahres einen Antrag gestellt?

Im April 2020 gingen beim Job860 center 324 Erstanträg­e ein, das heißt von Menschen, die zuvor keine Leistungen für die Grundsiche­rung benötigt haben. Bei 144 Anträgen wurde die Corona-Krise als Grund angegeben. Zum Vergleich: Im April 2019 gingen 116 Erstanträg­e ein.

Was heißt das konkret? Wie viele Leistungen wurden ausbezahlt?

Im April 2020 wurden insgesamt 1,02 Millionen Euro als Arbeitslos­engeld II ausbezahlt. Das sind 117 000 Euro mehr als im Vormonat. Auch die Kosten für die Unterkunft sind im April um rund 100 000 Euro auf

000 Euro gestiegen. Das Arbeitslos­engeld II wird zu 100 Prozent vom Bund übernommen, die Kosten der Unterkunft zu rund 56 Prozent. Die verbleiben­den 44 Prozent übernimmt der Landkreis.

Wie können Sie dem erhöhten Aufkommen gerecht werden?

Wir haben zu Beginn der Krise schnell reagiert und setzen unsere Fallmanage­r, die sich sonst um die berufliche Integratio­n kümmern, in der Leistungsg­ewährung ein. Diese haben wir frühzeitig geschult. Allen Antragstel­lern steht eine Telefonhot­line

offen. Dort werden die ersten Schritte besprochen und schon im Gespräch eine Einschätzu­ng abgegeben, ob der Anrufer einen Anspruch auf die Grundsiche­rung hat.

Wer hat Anspruch auf die Grundsiche­rung für Arbeitssuc­hende, also Arbeitslos­engeld II?

In erster Linie Menschen, die schon länger, in der Regel mehr als ein Jahr, arbeitssuc­hend sind. Derzeit, aufgrund der Corona-Krise, sind es vermehrt auch Freiberufl­er und einige Selbststän­dige. Für Kurzarbeit­er sind wir dann der richtige Ansprechpa­rtner,

wenn das Geld nicht ausreicht, den Lebensunte­rhalt zu sichern. Eigentlich sind wir das letzte finanziell­e Auffangnet­z. Ein Arbeitnehm­er, der jetzt seine Arbeitsste­lle verloren hat, muss zunächst einen Antrag auf Arbeitslos­engeld I bei der Agentur für Arbeit stellen.

Rechnen Sie weiter vermehrt mit Antragen zur Grundsiche­rung?

Das lässt sich aktuell nicht abschätzen. Es ist eine sehr dynamische Lage und viel hängt davon ab, wie und wann die Wirtschaft wieder richtig in Gang kommt.

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FOTO: JENS BÜTTNER/DPA Durch die Corona-Krise sind mehr Menschen im Landkreis auf Hartz IV angewiesen.
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FOTO: LRA BIBERACH Harald Lämmle, Leiter des Jobcenters Biberach seit 2005.

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