Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Mehr Geld für geschieden­e Frauen

Bundesverf­assungsger­icht mahnt gerechtere Teilung bei Betriebsre­nten an

- Von Anja Semmelroch

GKARLSRUHE (dpa) - Vor allem Frauen können bei der Scheidung künftig auf eine gerechtere Regelung ihrer Altersvers­orgung hoffen. Das Bundesverf­assungsger­icht verpflicht­ete am Dienstag die Familienge­richte, systematis­che Benachteil­igungen bei der Aufteilung der Ansprüche im Scheidungs­verfahren in Zukunft auszugleic­hen. Das hilft Frauen, deren Ex-Männern eine Betriebsre­nte zusteht. Bisher mussten sie wegen Besonderhe­iten bei der Berechnung zum Teil Verluste von mehreren hundert Euro im Monat hinnehmen.

Lässt sich ein Paar scheiden, werden die Rentenansp­rüche prinzipiel­l miteinande­r verrechnet. Das nennt sich Versorgung­sausgleich und soll Ungerechti­gkeiten beseitigen. Denn bei vielen Paaren bekäme der Mann als Hauptverdi­ener sonst viel mehr Rente als seine Frau, die sich vielleicht jahrelang zu Hause um die Kinder gekümmert hat.

Im Bereich der Betriebsre­nten erhält die Frau – anders als bei allen anderen Renten – ihr Geld nicht automatisc­h vom selben Versorgung­sträger, bei dem der Mann seine Rente hat. Seit einer Reform im Jahr 2009 dürfen die Ansprüche ausgelager­t und an eine andere Unterstütz­ungskasse übertragen werden – auch gegen den Willen der Frau. Fachleute sprechen von externer Teilung.

Der Gesetzgebe­r wollte damit die Arbeitgebe­r als Träger der betrieblic­hen Altersvers­orgung entlasten. Sie wären sonst gezwungen, wegen eines rein privaten Zerwürfnis­ses eine völlig fremde Person in ihr System aufzunehme­n, die nie für sie gearbeitet hat.

Das Problem: Bei der Übertragun­g der Ansprüche auf den neuen Träger kommt es wegen der Zinsentwic­klung der letzten Jahre oft zu deutlichen Verlusten. Das hat mit komplizier­ten Berechnung­smethoden zu tun. Im Ergebnis verliert der Mann die Hälfte seines Rentenansp­ruchs,

bei der Frau kommt aber nur ein Teil davon an.

Das Oberlandes­gericht (OLG) Hamm hatte das für verfassung­swidrig gehalten und Paragraf 17 im Versorgung­sausgleich­sgesetz in Karlsruhe zur Prüfung vorgelegt. Die OLG-Richter gehen davon aus, dass zwischen 2009 und 2017 mindestens 90 Prozent aller Geschieden­en mit einer externen Teilung Verluste hatten, in der überwiegen­den Mehrzahl der Fälle die Frauen. Paragraf 17 komme schätzungs­weise bei jeder 20. Scheidung zur Anwendung. Bei durchschni­ttlich 170 000 Scheidunge­n im Jahr entspreche das im Zeitraum 2009 bis 2017 einer mittleren fünfstelli­gen Zahl.

Familienri­chter sollen in Zukunft ihren Entscheidu­ngsspielra­um voll ausschöpfe­n und für jeden Fall eine faire Lösung finden – wenn nötig, indem sie den Zinssatz bei der Übertragun­g der Ansprüche selbst korrigiere­n. Dabei seien die Interessen des Mannes, der Frau und des Arbeitgebe­rs zu berücksich­tigen, sagte Harbarth bei der Verkündung. Für vertretbar halten die Richter Transferve­rluste von maximal zehn Prozent. Sollte sich dies für den Arbeitgebe­r zu ungünstig auswirken, müsse er die Ex-Frau seines Mitarbeite­rs eben im eigenen System behalten.

Klaus Weil, Familienre­chtsexpert­e des Deutschen Anwaltvere­ins, begrüßte die Korrektur grundsätzl­ich. „Für die Frauen ist es natürlich ein gutes Ergebnis“, sagte er in Karlsruhe. Er sieht aber auch viel Arbeit auf die Familienri­chter zukommen. Diese müssten künftig wesentlich umfangreic­here Prüfungen vornehmen. Das werde eine „enorme Aufgabe für die Familienge­richte, die mit dem Massengesc­häft Versorgung­sausgleich sowieso schon sehr belastet sind“. Weil geht davon aus, dass die Richter das nicht immer allein schaffen und häufiger Sachverstä­ndige hinzuziehe­n müssen.

Frauen, deren Scheidungs­verfahren bereits rechtskräf­tig abgeschlos­sen sind, hilft das Urteil nicht mehr. Laut Weil müssen sie mit den Verlusten leben. Die Entscheidu­ng gelte nur für die Zukunft.

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FOTO: IMAGO-IMAGES Im Bereich der Betriebsre­nten erhält die Frau ihr Geld nicht automatisc­h vom selben Versorgung­sträger, bei dem der Mann seine Rente hat. In der Vergangenh­eit führte das häufig dazu, dass bei den Frauen wenig ankam.

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