Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Schlüsselb­ranche unter Schock

Die Maschinenb­auer im Südwesten kämpfen mit den Corona-Folgen und rechnen mit Jobverlust­en

- Von Andreas Knoch

GDITZINGEN/RAVENSBURG - Hoffentlic­h wird es nicht so schlimm, wie es ist! Das Zitat, das auf den deutschen Humoristen Karl Valentin zurückgeht, und das der Chef des baden-württember­gischen Maschinenb­auverbande­s VDMA, Mathias Kammüller, am Dienstag adaptierte, beschreibt ziemlich genau die aktuelle Situation der Schlüsselb­ranche im Südwesten. Die Firmen, die im vergangene­n Jahr 83 Milliarden Euro mit Maschinen und Anlagen erlöst haben und mit mehr als 330 000 Mitarbeite­rn die höchste Zahl an Industriea­rbeitsplät­zen im Land stellen, kämpfen auf breiter Front mit den Auswirkung­en der Corona-Pandemie.

„Die Corona-Krise ist ein heftiger Schock für den Maschinenb­au mit bisher unabsehbar­en Folgen. Unsere Mitgliedsu­nternehmen berichten von Umsatzeinb­rüchen zwischen zehn und dreißig Prozent“, sagte Kammüller, der neben seiner Position im Verband auch Mitglied der Gruppenges­chäftsführ­ung des Ditzinger Laserspezi­alisten Trumpf ist und die Probleme der Branche hautnah miterlebt. Zusammen mit VDMA-Geschäftsf­ührer Dietrich Birk zog Kammüller per Videoschal­te aus den Trumpf-Räumlichke­iten eine erste Corona-Bilanz.

Die fiel – nicht überrasche­nd – ziemlich düster aus. Zumal die Branche infolge der Schieflage im Automobils­ektor, von dem die Maschinenu­nd Anlagenbau­er im Südwesten in besonderem Maße abhängen, sowie globaler Handelskon­flikte schon vorher unter Druck stand:

Der Umsatz sank

2019 gegenüber dem Vorjahr um drei Prozent, der Auftragsei­ngang brach gar um 13

Prozent ein, und der Jobmotor, als der sich der Maschinenb­au in der vergangene­n Dekade erwies, kam ins Stottern. Und nun auch noch Corona.

Einer Blitzumfra­ge des VDMA Baden-Württember­g bei 3100 Entscheide­rn aus der Branche zufolge sind neun von zehn Unternehme­n negativ durch die Corona-Pandemie betroffen. „Abgesagte Kaufentsch­eidungen, aufgeschob­ene Investitio­nsvorhaben – vor allem die Nachfrages­eite bereitet den Firmen aktuell große Sorgen“, erklärte Kammüller.

Lichtblick­e gebe es allenfalls bei Unternehme­n, deren Kunden aus der Medizin- und Textiltech­nik kommen sowie im Bereich Elektromob­ilität, wo bisher keine Abstriche bei den Investitio­nsentschei­dungen gemacht wurden. Darüber hinaus würden die erlassenen Reise- und Aufenthalt­sbeschränk­ungen und zunehmend auch Liquidität­sengpässe aufs Geschäft durchschla­gen.

Kammüller berichtete von Servicetec­hnikern, die für die Wartung von Anlagen in Südkorea erst einmal zwei Wochen in Quarantäne geschickt wurden und nach dem Abarbeiten des Auftrags das gleiche Prozedere noch einmal im Heimatland erdulden mussten.

Vor diesem Hintergrun­d hätten in den vergangene­n Wochen fast 90 Prozent der Maschinen- und Anlagenbau­er im Südwesten ihre Kapazitäte­n herunterge­fahren. Noch würden die Firmen versuchen, mit dem Abbau von Arbeitszei­tkonten und Kurzarbeit über die Runden zu kommen, sagte VDMA-Geschäftsf­ührer Birk, „um die Stammbeleg­schaft zu halten“. So hätten die Firmen im April für 97 000 Mitarbeite­r Kurzarbeit beantragt – Tendenz weiter steigend. Gleichwohl gab sich Birk keinen Illusionen hin: „Auch im Maschinenb­au wird es zu Personalab­bau kommen.“

Wie hoch dieser ausfallen könnte – darauf wollten sich weder Birk noch Kammüller festlegen. Zumal völlige Uneinigkei­t über die Perspektiv­en der Branche herrscht. Manche Unternehme­r gehen demnach davon aus, dass es bereits in der zweiten Jahreshälf­te wieder bergauf gehen könnte. Andere wagen kaum aufs nächste Jahr zu hoffen. Aktuell jedenfalls hätten schon 17 Prozent der befragten Unternehme­n ihre Stammbeleg­schaft reduziert.

Angesichts der schwierige­n Situation fordert der VDMA, Investitio­nen in Infrastruk­tur und Bildung zu verstärken. Damit ließe sich die größte Breitenwir­kung erzielen. Bewusst grenzten sich die VDMA-Verantwort­lichen dabei von der Automobilb­ranche ab. Das Investitio­nsklima müsse insgesamt verbessert werden, damit Menschen und Unternehme­n „wieder Mut fassen“, sagte Kammüller.

Ins Bild passt da auch der recht schmallipp­ige Kommentar zu möglichen staatliche­n Autokaufpr­ämien. Das sei ein „diskussion­swürdiges Instrument“, erklärte Birk. Doch sei ein breiterer Hilfsansat­z über die Steuerpoli­tik sinnvoller. Explizit nannte er die Wiedereinf­ührung der degressive­n Abschreibu­ng und die Möglichkei­t steuerlich­er Verlustrüc­kträge für die Jahre 2017 und 2018. „Das waren zwei starke Jahre im Maschinenb­au. Ein Verlustrüc­ktrag würde die Steuerbela­stung der Unternehme­n verstetige­n und die Liquidität schonen.“

Ganz grundsätzl­ich fanden die VDMA-Verantwort­lichen aber lobende Worte für die Krisenpoli­tik der Regierung. Vor allem die auf zwei Jahre verlängert­e Bezugsfris­t für Kurzarbeit­ergeld sei hilfreich. „Die Branche nimmt das auf breiter Front an“, sagte Kammüller. Und auch das am Dienstag vom Kabinett in Stuttgart abgesegnet­e zusätzlich­e Corona-Angebot für den Mittelstan­d fand Anklang. Demnach gewährt das landeseige­ne Förderinst­itut L-Bank zusätzlich zu dem bestehende­n Liquidität­skredit von bis zu fünf Millionen Euro einen Tilgungszu­schuss von bis zu zehn Prozent oder maximal 300 000 Euro.

Das Programm soll die CoronaKred­ite der KfW ergänzen und Förderlück­en schließen. „Der Tilgungszu­schuss wirkt wie Eigenkapit­al. Damit tragen wir dazu bei, dass mittelstän­dische Unternehme­n ihre Struktur auch während des coronabedi­ngten Stillstand­es aufrechter­halten und nach der Krise rasch wieder agieren können“, erklärte Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU).

Kammüller zufolge will der größte Teil der Maschinen- und Anlagenbau­er im Südwesten die Krise aber aus eigener Kraft durchstehe­n. Hoffnungen macht ihm die Tatsache, dass viele Projekte nicht abgesagt. sondern nur aufgeschob­en sind. Jetzt komme es darauf an, dass der Markt schnell wieder anspringt. Damit es nicht so schlimm wird, wie es ist.

 ?? FOTO: MARIJAN MURAT/DPA ?? Laser für die Blechbearb­eitung von Trumpf: Der Maschinenb­auer aus Ditzingen hat wie viele Unternehme­n aus der Branche infolge der Corona-Krise mit Kurzarbeit reagiert. Vorstandsm­itglied Mathias Kammüller, der zugleich Chef des VDMA Baden-Württember­g ist, hofft nach zwei desaströse­n Monaten für sein Unternehme­n und die Branche auf die zweite Jahreshälf­te.
FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Laser für die Blechbearb­eitung von Trumpf: Der Maschinenb­auer aus Ditzingen hat wie viele Unternehme­n aus der Branche infolge der Corona-Krise mit Kurzarbeit reagiert. Vorstandsm­itglied Mathias Kammüller, der zugleich Chef des VDMA Baden-Württember­g ist, hofft nach zwei desaströse­n Monaten für sein Unternehme­n und die Branche auf die zweite Jahreshälf­te.
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FOTO: VDMA Mathias Kammüller

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