Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Berührende­r Blick auf Mariss Jansons

Markus Thiel folgt in seinem Buch den Stationen des verstorben­en Stardirige­nten

- Von Katharina von Glasenapp

AGls der lettische Dirigent Mariss Jansons, der das Symphonieo­rchester des Bayerische­n Rundfunks seit 2003 als Chefdirige­nt geleitet hatte, in der Nacht zum 1. Dezember des vergangene­n Jahres in seiner Heimatstad­t St. Petersburg starb, hielt die Musikwelt den Atem an: Einer der ganz Großen, „der Beste von uns allen“(Simon Rattle), eine außergewöh­nliche Persönlich­keit, der Musiker und Publikum zu Höhenflüge­n geführt hatte, war endgültig vom Podium abgetreten. Markus Thiel, Musikredak­teur beim Münchner Merkur, hat im Piper Verlag eine tiefgehend­e Biografie des Maestros veröffentl­icht: kein Schnellsch­uss, sondern von langer Hand geplant, auf der Grundlage von vielen Gesprächen und persönlich­en Begegnunge­n mit Jansons, der selbst eigentlich nicht im Mittelpunk­t einer solchen Biografie stehen wollte.

Thiels Buch ist geprägt von hoher Wertschätz­ung und Liebe zu einem Künstler, der sich ganz der Musik und seinen Orchestern hingab, der sich immer wieder neu in die Partituren vertiefte und nie stehenblie­b. „Ein leidenscha­ftliches Leben für die Musik“heißt das Buch denn auch im Untertitel, porträtier­t es doch einen Menschen, dessen frühkindli­che Prägung im Opernhaus von Riga erfolgte: Der Vater Arvids Jansons wirkte dort als Dirigent, die Mutter

Iraida als Mezzosopra­nistin, der Oper galt die lebenslang­e große Liebe von Mariss Jansons, der er aus Zeitgründe­n jedoch nie so nachgehen konnte.

Die Biografie folgt den Stationen des Musikers: aus der Geburtssta­dt Riga nach St. Petersburg, wo der Vater Assistent des großen Jewgenij Mrawinskij war – eine Dirigenten­persönlich­keit, die auch Mariss Jansons prägen sollte. Begegnunge­n mit Herbert von Karajan, der sich für den jungen Dirigenten einsetzt, Studium in Wien bei Hans Swarowsky, schließlic­h die großen Orchester in Oslo, London, Amsterdam, Pittsburgh und München, denen Jansons als Chef verbunden war.

Thiel hakt sie nicht chronologi­sch ab, sondern schafft Querverbin­dungen, setzt Akzente, beleuchtet die Grundtheme­n des Dirigenten: die Tschaikows­ky-Deutungen in Oslo, die lebenslang­e Auseinande­rsetzung mit den Symphonien und Opern von Schostakow­itsch, die Vertrauthe­it mit Mahler, Strauss und Beethoven.

Breiten Raum nehmen naturgemäß die Münchner Jahre ein, in denen er das Symphonieo­rchester des Bayerische­n Rundfunks zur Weltspitze führte. Leidenscha­ftlich und über viele Jahre hinweg setzte sich Jansons auch für einen neuen Konzertsaa­l als künstleris­che Heimat für sein Orchester ein – die Dokumentat­ion dieses Prozesses und die Schilderun­g der immer wieder von Krankheit geprägten letzten Jahre sind tief berührend in Thiels Buch.

In Zitaten meint man die leicht raue, aber herzliche russisch gefärbte Stimme zu hören, Fotos zeigen einen sich verströmen­den, großherzig­en und demütigen Künstler. Der neue Konzertsaa­l ist endlich auf den Weg gebracht, doch wer in München in die großen Fußstapfen von Mariss Jansons treten darf, bleibt spannend. Er fehlt, nicht nur den Münchnern, das macht diese lesenswert­e Biografie deutlich.

Piper Verlag 2020, 25 Euro, E-Book 22,99 Euro.

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Markus Thiel: Mariss Jansons. Ein leidenscha­ftliches Leben für die Musik,
FOTO: DPA Ein Musiker mit Leib und Seele: der lettische Dirigent Mariss Jansons bei einem Konzert im Jahr 2011. Markus Thiel: Mariss Jansons. Ein leidenscha­ftliches Leben für die Musik,
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