Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Wichtigste Frage bleibt offen
Recherchen zum Kunstfund Gurlitt weitgehend beendet
BERLIN/DÜSSELDORF (dpa) - Hildebrand Gurlitt war ein skrupelloser Geschäftsmann. Der Kunsthändler in Hitlers Auftrag nutzte Strohmänner und Decknamen, er log, ließ Quittungen fälschen und frisierte seine Geschäftsbücher. Sein Sohn Cornelius schmuggelte noch in den 1960er-Jahren Werke, die der Vater unter deutscher Besatzung in Frankreich gekauft hatte, über die Grenze. Bei ihm wurde vor rund acht Jahren der spektakuläre „Schwabinger Kunstfund“beschlagnahmt. Nun sind die systematischen Recherchen zur Herkunft der rund 1500 Kunstwerke zumindest von deutscher Seite weitgehend beendet. Ein neuer Sammelband mit Aufsätzen („Kunstfund Gurlitt. Wege der Forschung“, erschienen im Verlag Walter de Gruyter) bringt einige Erkenntnisse.
Zum formalen Abschluss der Arbeit der Provenienzforscher bleibt die drängendste Frage weiter unbeantwortet: Wie viele der Werke aus der Kollektion, die Cornelius Gurlitt (1932-2014) jahrzehntelang in München und Salzburg hütete, sind NSRaubkunst? Nur insgesamt 14 Werke von Künstlern wie Max Liebermann, Henri Matisse oder Adolph von Menzel wurden bisher eindeutig als Raubkunst identifiziert und an die rechtmäßigen Eigentümer restituiert. 445 Positionen wurden als „unbedenklich“kategorisiert. Doch es bleiben weit mehr als 1000 Werke, deren Herkunft nicht eindeutig geklärt werden konnte. „Es gibt eine ganz große Grauzone“, bilanziert der Kunsthistoriker Gilbert Lupfer, der den Sammelband mit herausgegeben hat. Er ist Vorstand des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste in Magdeburg, das seit 2016 die Forschungsarbeit zum Kunstfund Gurlitt fortführte.
Nachdem Experten aus Deutschland, Frankreich, Israel oder den USA jahrelang zum Gurlitt-Fund geforscht hätten, müsse man jetzt aber sagen: „Was möglich war an Recherche, das haben wir ausgeschöpft.“Das Kunstmuseum Bern, dem Cornelius Gurlitt die Sammlung vermacht hatte, betreibe noch eine eigene Provenienzforschung. „Und wenn neue Anhaltspunkte oder Quellen auftauchen, werden wir dem nachgehen“, sagt Lupfer.
Schon früh sei klar gewesen, dass es sich nicht um den anfangs vermuteten „Milliardenschatz der Nazis“handelte. „Es ist eine gute Kollektion, aber es war nicht die absolute Topsammlung.“Auch einige Fälschungen hatte sich Hildebrand Gurlitt (1895-1956) unterjubeln lassen, etwa eine allegorische Szene von Marc Chagall. Manche Grafik, angeblich von Auguste Rodin, stammte wohl ebenfalls aus Fälscherhand.
„Wir wissen jetzt auch viel mehr über Mechanismen des Kunsthandels und wie diese über Jahrzehnte ganz diskret weiter funktionierten“, sagt Lupfer. Spätestens durch den Kunstfund Gurlitt sei erneut klar geworden, dass die Suche nach Raubkunst nicht nur auf Museen konzentriert sein darf, sondern auch den Kunsthandel und private Sammler ins Visier nehmen müsse.