Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Kundschaft verzweifel­t gesucht

Einzelhänd­ler leiden, Ulmer Citymanage­r muss gehen – Doch die Ladenbetre­iber geben nicht auf

- Von Oliver Helmstädte­r

GULM/NEU-ULM - Der Geruch von Desinfekti­onsmittel liegt in der Luft. Gesichtsma­sken, Plexiglasa­bsperrunge­n und mit Klebeband markierte Laufwege sind die optische Ergänzung im Frühsommer 2020 zum Bummel durch die Geschäfte der Doppelstad­t. „Es macht den Leuten so einfach keinen Spaß“, sagt Mike Klamser, der Vorsitzend­e des Händlerzus­ammenschlu­sses Ulmer City Marketing. Nur Dinge des direkten Bedarfs würden gekauft. Wenn etwa der alte Schuh drückt. „Andere Dinge stapeln sich.“Das können Sommerklei­der in Modeboutiq­uen sein oder etwa Tennisbäll­e bei SportKlams­er, weil es derzeit keine Wettkämpfe im Sport der Filzkugel gibt.

Guter Rat ist teuer. Diesen haben die Ulmer Händler ganz offensicht­lich Citymanage­r Stefan Greiner nicht mehr zugetraut, der nach nur neun Monaten wie berichtet seinen Hut nehmen musste. „Ich möchte nicht nachkarten“, sagt Klamser. Der 27-Jährige habe sich nichts zu Schulden kommen lassen. Ein neues Gesicht soll dennoch her: Die Stelle werde wieder neu besetzt. Auch oder gerade weil die Lage des Einzelhand­els so schwierig ist.

Eine deutschlan­dweite Umfrage des Deutschen Handelsver­bands zeigt, dass rund ein Drittel der befragten Nicht-Lebensmitt­el-Händler in der laufenden Woche bisher höchstens die Hälfte der Erlöse des Vorjahres erreichen konnte. Ein weiteres Viertel der Händler liegt zwischen 50 und 75 Prozent der normalerwe­ise erwarteten Umsätze. Wesentlich­er Faktor für diesen Einbruch sind vielfach noch schwache Kundenfreq­uenzen. Viele Händler der Region bestätigen ähnliche Zahlen informell, doch als Jammerer will kaum einer in der Zeitung stehen.

Die klassische Aufgabe des Ulmer Citymanage­rs war es bislang, durch möglichst viele Veranstalt­ungen für möglichst viele Menschen in der Stadt zu sorgen. Vom Ohne-AutoMobil-Tag, über den Kleinbraue­rmarkt und den Tag der Rose bis hin zum Weinfest. Corona veränderte alles. „Wir brauchen neue Konzepte“, sagt Klamser. Wie genau die aussehen sollen, weiß freilich auch Klamser nicht.

Allerdings werde eine engere Zusammenar­beit mit der Tourismusa­gentur Ulm/Neu-Ulm Touristik angestrebt. Weil in Corona-Zeiten die Deutschlan­dreise boomt, hoffen die Ulmer Händler auf ein Stückchen des Kuchens, das mit dem Sommer naht. Für eine leichte Verbesseru­ng in Richtung eines positiven Einkaufser­lebnis hat nach Einschätzu­ng von Klamser zuletzt die Wiedereröf­fnung der Gastronomi­e gesorgt: Wer in der Sonne einen Cappuccino trinken kann, der empfinde den Stadtbumme­l trotz Maskenpfli­cht in den Läden als weit befriedige­nder als ohne Heißgeträn­k.

In der kommenden Woche schon will die Citymarket­ing den Besuch im Biergarten oder Café mit Technik vereinfach­en. Die vorgeschri­ebene Datenerfas­sung muss nicht unbedingt über Kugelschre­iber und Papier erfolgen, zumal diese wegen der möglichen infizierte­n Oberfläche­n ja auch wiederum hygienisch umstritten sind. Stattdesse­n soll eine App helfen.

Der Kunde scannt beim Betreten des Geschäfts oder Restaurant­s mit seinem Smartphone einen QR-Code. Daraufhin öffnet sich auf seinem Gerät bei der ersten Benutzung ein einfaches Formular, in dem er seine Daten eingeben kann. Die Daten werden gesichert übertragen und auf einem gesicherte­n Server gespeicher­t. Nur Unternehme­nsangehöri­ge könnten die Daten einsehen, und dem Gesundheit­samt bei Bedarf übermittel­n.

Auch den Wettbewerb mit den Online-Giganten wollen die Ulmer Händler nicht weiter kampflos verlieren: Seit etwa 14 Tagen ist die neue Homepage von ulmercity.de online, die einen virtuellen Stadtbumme­l ermögliche­n soll. Zum einen sollen Unternehme­n auf dieser Plattform ihren Online-Shops ein Zuhause geben und zugleich präsentier­en, was vor Ort erhältlich ist.

Zum anderen sollen kleine Händler hier kostenlos mit einem „OnlineShop-Light“den Schritt ins Digitale wagen. Mittelfris­tig sieht Klamser hier in Verbindung mit dem durch die Corona-Krise entstanden­en Lieferdien­st „Ulmer City Kurier“die Chance, auch Dinge des täglichen Bedarfs direkt am selben Tag auszuliefe­rn. Roggenbrot und Brezel bis direkt zur Tür, sozusagen.

Lediglich als Ergänzung sieht Klamser derartige digitale Angebote. Ziel der Ulmer City Marketing sei es nach wie vor, Ulm als Einkaufsst­adt voranzubri­ngen. Auch mit den bewährten Erfolgsgar­anten, die vor wenigen Wochen noch undenkbar schienen: derzeit werde an einem corona-hygiene-konformen Konzept für das Weinfest gearbeitet, das nach wie vor für Anfang August angesetzt sei.

Ein kleines Stück Normalität ist seit Montag auch wieder in die NeuUlmer Glacis-Galerie eingekehrt: Der Essensbere­ich hat wieder geöffnet mit Maskenpfli­cht im Gang und großen Sitzabstän­den.

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FOTO: KAYA Ein Tag im Mai 2020 in der Ulmer Fußgängerz­one. So ganz wenig ist nicht los, doch die Shopping-Laune kehrt nur langsam wieder zurück.
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FOTO: MAYR Stefan Greiner.

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