Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Kundschaft verzweifelt gesucht
Einzelhändler leiden, Ulmer Citymanager muss gehen – Doch die Ladenbetreiber geben nicht auf
GULM/NEU-ULM - Der Geruch von Desinfektionsmittel liegt in der Luft. Gesichtsmasken, Plexiglasabsperrungen und mit Klebeband markierte Laufwege sind die optische Ergänzung im Frühsommer 2020 zum Bummel durch die Geschäfte der Doppelstadt. „Es macht den Leuten so einfach keinen Spaß“, sagt Mike Klamser, der Vorsitzende des Händlerzusammenschlusses Ulmer City Marketing. Nur Dinge des direkten Bedarfs würden gekauft. Wenn etwa der alte Schuh drückt. „Andere Dinge stapeln sich.“Das können Sommerkleider in Modeboutiquen sein oder etwa Tennisbälle bei SportKlamser, weil es derzeit keine Wettkämpfe im Sport der Filzkugel gibt.
Guter Rat ist teuer. Diesen haben die Ulmer Händler ganz offensichtlich Citymanager Stefan Greiner nicht mehr zugetraut, der nach nur neun Monaten wie berichtet seinen Hut nehmen musste. „Ich möchte nicht nachkarten“, sagt Klamser. Der 27-Jährige habe sich nichts zu Schulden kommen lassen. Ein neues Gesicht soll dennoch her: Die Stelle werde wieder neu besetzt. Auch oder gerade weil die Lage des Einzelhandels so schwierig ist.
Eine deutschlandweite Umfrage des Deutschen Handelsverbands zeigt, dass rund ein Drittel der befragten Nicht-Lebensmittel-Händler in der laufenden Woche bisher höchstens die Hälfte der Erlöse des Vorjahres erreichen konnte. Ein weiteres Viertel der Händler liegt zwischen 50 und 75 Prozent der normalerweise erwarteten Umsätze. Wesentlicher Faktor für diesen Einbruch sind vielfach noch schwache Kundenfrequenzen. Viele Händler der Region bestätigen ähnliche Zahlen informell, doch als Jammerer will kaum einer in der Zeitung stehen.
Die klassische Aufgabe des Ulmer Citymanagers war es bislang, durch möglichst viele Veranstaltungen für möglichst viele Menschen in der Stadt zu sorgen. Vom Ohne-AutoMobil-Tag, über den Kleinbrauermarkt und den Tag der Rose bis hin zum Weinfest. Corona veränderte alles. „Wir brauchen neue Konzepte“, sagt Klamser. Wie genau die aussehen sollen, weiß freilich auch Klamser nicht.
Allerdings werde eine engere Zusammenarbeit mit der Tourismusagentur Ulm/Neu-Ulm Touristik angestrebt. Weil in Corona-Zeiten die Deutschlandreise boomt, hoffen die Ulmer Händler auf ein Stückchen des Kuchens, das mit dem Sommer naht. Für eine leichte Verbesserung in Richtung eines positiven Einkaufserlebnis hat nach Einschätzung von Klamser zuletzt die Wiedereröffnung der Gastronomie gesorgt: Wer in der Sonne einen Cappuccino trinken kann, der empfinde den Stadtbummel trotz Maskenpflicht in den Läden als weit befriedigender als ohne Heißgetränk.
In der kommenden Woche schon will die Citymarketing den Besuch im Biergarten oder Café mit Technik vereinfachen. Die vorgeschriebene Datenerfassung muss nicht unbedingt über Kugelschreiber und Papier erfolgen, zumal diese wegen der möglichen infizierten Oberflächen ja auch wiederum hygienisch umstritten sind. Stattdessen soll eine App helfen.
Der Kunde scannt beim Betreten des Geschäfts oder Restaurants mit seinem Smartphone einen QR-Code. Daraufhin öffnet sich auf seinem Gerät bei der ersten Benutzung ein einfaches Formular, in dem er seine Daten eingeben kann. Die Daten werden gesichert übertragen und auf einem gesicherten Server gespeichert. Nur Unternehmensangehörige könnten die Daten einsehen, und dem Gesundheitsamt bei Bedarf übermitteln.
Auch den Wettbewerb mit den Online-Giganten wollen die Ulmer Händler nicht weiter kampflos verlieren: Seit etwa 14 Tagen ist die neue Homepage von ulmercity.de online, die einen virtuellen Stadtbummel ermöglichen soll. Zum einen sollen Unternehmen auf dieser Plattform ihren Online-Shops ein Zuhause geben und zugleich präsentieren, was vor Ort erhältlich ist.
Zum anderen sollen kleine Händler hier kostenlos mit einem „OnlineShop-Light“den Schritt ins Digitale wagen. Mittelfristig sieht Klamser hier in Verbindung mit dem durch die Corona-Krise entstandenen Lieferdienst „Ulmer City Kurier“die Chance, auch Dinge des täglichen Bedarfs direkt am selben Tag auszuliefern. Roggenbrot und Brezel bis direkt zur Tür, sozusagen.
Lediglich als Ergänzung sieht Klamser derartige digitale Angebote. Ziel der Ulmer City Marketing sei es nach wie vor, Ulm als Einkaufsstadt voranzubringen. Auch mit den bewährten Erfolgsgaranten, die vor wenigen Wochen noch undenkbar schienen: derzeit werde an einem corona-hygiene-konformen Konzept für das Weinfest gearbeitet, das nach wie vor für Anfang August angesetzt sei.
Ein kleines Stück Normalität ist seit Montag auch wieder in die NeuUlmer Glacis-Galerie eingekehrt: Der Essensbereich hat wieder geöffnet mit Maskenpflicht im Gang und großen Sitzabständen.