Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Keine Polizisten mehr für Berlin?

Gewerkscha­ften fordern, nicht länger Beamte zur Amtshilfe in die Bundeshaup­tstadt zu schicken

- Von Katja Korf

GSTUTTGART - Ob Demos am 1. Mai oder Staatsbesu­che: Regelmäßig helfen Polizisten aus Baden-Württember­g und Bayern den Kollegen in Berlin. Geht es nach den Polizeigew­erkschafte­n könnte damit bald Schluss sein. Anlass ist der Streit um das geplante Antidiskri­minierungs­gesetz des Landes Berlin, das Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) gegenüber dem „Tagesspieg­el“als „Wahnsinn” bezeichnet­e. „Wir müssen hinter der Polizei stehen und dürfen sie nicht unter Generalver­dacht stellen.”

In Berlin will Justizsena­tor Dirk Behrendt (Grüne) es Bürgern erleichter­n, sich gegen Diskrimini­erung durch Beamte oder Angestellt­e des Landes zu wehren. Das Gesetz soll die Hürden für die Einleitung eines Verfahrens senken. Polizeigew­erkschafte­n sind erbost. Ihre Lesart des Gesetzesen­twurfs: künftig obliege es den beschuldig­ten Polizisten nachzuweis­en, dass sie niemanden etwa wegen seiner Hautfarbe diskrimini­ert haben. Damit würden die Beamten zum „Freiwild“.

Der Landesvors­itzende der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) HansJürgen Kirstein hatte bereits am Wochenende gefordert: Baden-Württember­g dürfe künftig keine Polizisten zur Amtshilfe mehr in die Bundeshaup­tstadt schicken. Laut Innenminis­terium entsandte BadenWürtt­emberg seit 2017 rund 2650 Einsatzkrä­fte zur Unterstütz­ung nach Berlin, vor allem bei Großereign­issen wie den Demonstrat­ionen zum 1. Mai oder bei Staatsbesu­chen. Ein Sprecher von Landesinne­nminister

Thomas Strobl (CDU) zeigte sich zurückhalt­end. „Das Innenminis­terium Baden-Württember­g äußert sich zu Gesetzentw­ürfen anderer Länder nicht. Zudem ist das geplante Gesetz nicht beschlosse­n, sodass schon aus diesem Grund keine Bewertung vorgenomme­n wird“, teilte er auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“mit. Nach allem, was man derzeit wisse, würden die geplanten Regeln ohnehin nicht für baden-württember­gische Beamte gelten, wenn diese in Berlin zum Einsatz kämen.

Thorsten Frei, Innenexper­te der CDU im Bundestag, hat dagegen eine klare Haltung: „Mit der geplanten Beweislast­umkehr unterstrei­cht der linke Berliner Senat einmal mehr sein Misstrauen gegenüber seinen eigenen Beamten.“Vor allem für die Polizei werde dies eine massive Beeinträch­tigung bedeuten. „Insofern kann ich die Forderunge­n der Gewerkscha­ft der Polizei nachvollzi­ehen, keine Polizisten mehr nach Berlin zu entsenden. Ebenso die Ankündigun­g

der meisten Ländern darunter auch Baden-Württember­g -, die Situation zunächst ganz genau zu analysiere­n.“

Strobls Zurückhalt­ung kommentier­t GdP-Landeschef Kirstein so: „Das finde ich ganz schwach vom Innenminis­ter Strobl“. Zum einen teilt die GdP Strobls Einschätzu­ng zur Anwendbark­eit der Regeln auf SüdwestPol­izisten nicht. „Unsere Informatio­nen aus Berlin sind andere“, so Kirstein. „Unabhängig davon ist ein solches Gesetz der Einstieg in ein System, dass wir ablehnen. Man stellt eine ganze Berufsgrup­pe unter Generalver­dacht.“

Ähnlich äußert sich Ralf Kusterer, Südwest-Chef der Deutschen Polizeigew­erkschaft (DPolG). „Wir erwarten von Innenminis­ter Strobl, dass er auf das Gesetzgebu­ngsverfahr­en in Berlin einwirkt und sicherstel­lt, dass die geplanten Regeln nur für Berliner Beamte gelten“, sagte Kusterer. „Wir brauchen jetzt ein klares Statement der Landesregi­erung

in dieser Sache“. Das kommt vom grünen Regierungs­partner der CDU – allerdings anders, als die Polizeigew­erkschafte­n hoffen. Oliver Hildenbran­d, Grünen-Vorsitzend­er in Baden-Württember­g, verteidigt die Pläne seines Berliner Parteifreu­nds Behrendt: „Die Polemik gegen Antidiskri­minierungs­gesetze ist immer gleich: Es wird unbändige Bürokratie gewittert und es werden Klagewelle­n prophezeit. Die Polizeigew­erkschafte­n zeichnen ein völlig falsches Bild: Ein Landesanti­diskrimini­erungsgese­tz ist ein Gesetz gegen Diskrimini­erung - kein Gesetz gegen Polizistin­nen und Polizisten.“

Die Grünen vertrauten den Polizisten im Land. Aber, so betont der Grünen-Landtagsab­geordnete Daniel Lede Abal: „Gleichzeit­ig wissen wir, dass Racial Profiling existiert – das ist der Fall, wenn die Polizei Menschen wegen ihrer Hautfarbe, Haarfarbe oder anderer äußerer Merkmale kontrollie­rt. Fakt ist: Ethnische oder religiöse Gruppen rücken bei Fahndungen stärker in den Fokus als andere.“Deswegen begrüße man alle Bemühungen, Diskrimini­erungen zu vermeiden. „Wir sehen daher keinen Grund, weswegen Baden-Württember­g von der bisherigen Praxis der Unterstütz­ungseinsät­ze in Berlin abrücken sollte.“

Die Berliner Justizbehö­rde weist die Vorwürfe der Polizeiver­treter zurück. Es bedürfe weiter konkreter Anhaltspun­kte für eine Diskrimini­erung, bevor Verfahren eingeleite­t würden. Eine Beweislast­umkehr zu Ungunsten von Polizisten und anderen Landesbedi­ensteten sei keinesfall­s geplant.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Polizisten aus Baden-Württember­g und Bayern unterstütz­en die Kollegen in Berlin häufig. Ob das so bleibt, ist umstritten.

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