Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Kämpfen, um fahren zu dürfen

Busunterne­hmer machen auf prekäre Lage in der Corona-Krise aufmerksam

- Von Dorothee Torebko und dpa

GBERLIN/STUTTGART - „Stillstand ist der Tod“und: „Bundestag ohne Reisebus ist wie Parlament ohne Besucher!“prangte auf den monströsen Reisebusse­n, die sich in Berlin-Mitte hupend ihren Weg durch den Großstadtv­erkehr bahnten. An Bord waren wütende Busunterne­hmer, die Kurs auf das Regierungs­viertel nahmen. Ihre Mission: Aufmerksam­keit schaffen für eine Branche, deren Existenz bedroht ist. Wie in Berlin ging es in anderen deutschen Städten zu. Auch in Stuttgart rollten am Mittwoch 100 Reisebusse durch die Straßen und versammelt­en sich auf dem Karlsplatz.

In der mittelstän­disch geprägten Branche ist die Lage dramatisch. Personenve­rkehr sowie Bustourist­ik wurden wegen Corona auf null herunterge­fahren. Die Branchenve­rbände melden täglich Insolvenze­n, 240 000 Jobs sind in Gefahr. Doch damit nicht genug: In Deutschlan­d herrscht ein Flickentep­pich an unterschie­dlichen Regelungen, wann und unter welchen Auflagen Busreisen möglich sind. Die Branche fordert Klarheit – und finanziell­e Soforthilf­en statt Krediten.

Wer heute eine Reise von Hamburg nach Sachsen machen möchte, kann das nicht ohne weiteres mit einem Reisebusun­ternehmen tun. Das Problem: In jedem Bundesland gelten andere Bestimmung­en. Während in der Hansestadt Busreisen seit dem 13. Mai unter Einhaltung bestimmter Auflagen möglich sind, sind sie in Sachsen verboten.

Auch in Baden-Württember­g bleiben Busreisen bis zum 14. Juni untersagt. Das führe abgesehen von finanziell­en Einbußen auch zu einem unfairen Wettbewerb zwischen den Bundesländ­ern sowie zu reichlich Verwirrung, sagt Ulrike Schäfer, Sprecherin des baden-württember­gischen Busverband­s (WBO). „Darf ein hessischer Busfahrer durch Baden-Württember­g fahren oder muss er drumherum fahren?“fragt sie.

„Dieser Flickentep­pich macht Busreisen nahezu unmöglich und bevorzugt andere Verkehrstr­äger massiv“, sagt auch Christian Wahl, Sprecher des Bundesverb­ands Deutscher Omnibusunt­ernehmer (BDO). Die Deutsche Bahn unterliegt – auch wenn sie über Ländergren­zen hinweg fährt – nicht diesen unterschie­dlichen Reisebesti­mmungen. Genauso wenig der Flugverkeh­r. Auch Flixbus wird behandelt wie die Deutsche Bahn und kann deshalb den Betrieb ab Donnerstag wieder starten. Die Busverbänd­e stemmen sich gegen die ungleiche Behandlung. Sie monieren, dass man im Gegensatz zur Bahn, wo es keine Reservieru­ngspflicht gibt, Busreisen genau planen und Abstandsre­geln daher leichter einhalten und kontrollie­ren könne.

„Es herrscht eine große Unsicherhe­it bei den Busunterne­hmern“, sagt Kathrin Aufderheid­e, Sprecherin beim RDA Internatio­nalen Bustourist­ik Verband. Der Verband hat in einer Umfrage von 820 Busunterne­hmen Ende März ermittelt, dass der Gesamtscha­den bei mindestens 850 Millionen Euro liegen wird.

Täglich koste der Stillstand die Branche 2,3 Millionen Euro. Denn die Fixkosten für Mitarbeite­r, Parkplätze und Leasingrat­en für neu angeschaff­te, umweltfreu­ndliche Busse müssen weiter bezahlt werden. Hinzu kommen die Stornierun­gen der Reisen. „Anfang des Jahres hatten die Unternehme­n volle Bücher, jetzt steht da vielleicht noch eine Reise Ende des Jahres“, erläutert Aufderheid­e. „Der Druck ist massiv. Wir brauchen Soforthilf­en“, sagt BDOSpreche­r Wahl.

In Baden-Württember­g zumindest ist man in dieser Hinsicht schon etwas weiter. „Die Botschaft ist ganz klar ein Dank an die Politik“, sagte Ulrike Schäfer, Sprecherin des badenwürtt­embergisch­en Busverband­s (WBO). Immerhin sei Baden-Württember­g das erste Bundesland, das die Branche mit 240 Millionen Euro finanziell­er Hilfen stütze.

Bei der Kundgebung auf dem Karlsplatz in Stuttgart hob der badenwürtt­embergisch­e Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) dann auch die Bedeutung von Bussen im Bereich ökologisch­er Mobilität hervor. „Der Verkehrsmi­nister will den öffentlich­en Nahverkehr bis 2030 verdoppeln und dafür braucht er uns“, sagte Schäfer. Der Bus sei immer noch das umweltfreu­ndlichste Reisemitte­l. Wichtig sei aber auch, dass die Unternehme­n das zugesagte Geld nun so schnell wie möglich erhielten, weil viele kurz vor dem Aus stünden.

Auch der Bund hat das Problem erkannt. Bundesverk­ehrsminist­er Andreas Scheuer (CSU) hat deshalb Hilfen für die Busbranche von 170 Millionen Euro angekündig­t. Damit will der Minister vor allem Busunterne­hmen, die den ländlichen Raum und damit etwa Schülerver­kehre abdecken, unterstütz­en. Der Vorschlag liege derzeit beim Finanzmini­ster, von dem keine positiven Signale zur Konkretisi­erung zu hören seien, heißt es aus der Busbranche. Vielmehr hoffen die Verbände auf das für Anfang Juni geplante Konjunktur­paket. Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) hatte dort auch Soforthilf­en für die mittelstän­dischen Busunterne­hmen in Aussicht gestellt.

Am Mittwoch gehörte den Bustourisi­k-Vertretern in Berlin nicht nur die Straße. Im Anschluss an den Korso sprach RDA-Präsident Benedikt Esser vor den Mitglieder­n des Tourismusa­usschusses im Bundestag. „Ich werde die Systemrele­vanz darlegen, die der Reisebus als Klimaschüt­zer Nummer 1 hat“, sagte Esser vor der Anhörung. Die Situation sei „bittererns­t“.

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FOTO: MARIJAN MURAT/DPA Teilnehmer der Kundgebung privater Busunterne­hmen in Stuttgart: Die Unternehme­r haben sich am Mittwoch dafür eingesetzt, wieder fahren zu dürfen. Es geht um die Existenz der Unternehme­n und um Tausende Jobs.

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