Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Kämpfen, um fahren zu dürfen
Busunternehmer machen auf prekäre Lage in der Corona-Krise aufmerksam
GBERLIN/STUTTGART - „Stillstand ist der Tod“und: „Bundestag ohne Reisebus ist wie Parlament ohne Besucher!“prangte auf den monströsen Reisebussen, die sich in Berlin-Mitte hupend ihren Weg durch den Großstadtverkehr bahnten. An Bord waren wütende Busunternehmer, die Kurs auf das Regierungsviertel nahmen. Ihre Mission: Aufmerksamkeit schaffen für eine Branche, deren Existenz bedroht ist. Wie in Berlin ging es in anderen deutschen Städten zu. Auch in Stuttgart rollten am Mittwoch 100 Reisebusse durch die Straßen und versammelten sich auf dem Karlsplatz.
In der mittelständisch geprägten Branche ist die Lage dramatisch. Personenverkehr sowie Bustouristik wurden wegen Corona auf null heruntergefahren. Die Branchenverbände melden täglich Insolvenzen, 240 000 Jobs sind in Gefahr. Doch damit nicht genug: In Deutschland herrscht ein Flickenteppich an unterschiedlichen Regelungen, wann und unter welchen Auflagen Busreisen möglich sind. Die Branche fordert Klarheit – und finanzielle Soforthilfen statt Krediten.
Wer heute eine Reise von Hamburg nach Sachsen machen möchte, kann das nicht ohne weiteres mit einem Reisebusunternehmen tun. Das Problem: In jedem Bundesland gelten andere Bestimmungen. Während in der Hansestadt Busreisen seit dem 13. Mai unter Einhaltung bestimmter Auflagen möglich sind, sind sie in Sachsen verboten.
Auch in Baden-Württemberg bleiben Busreisen bis zum 14. Juni untersagt. Das führe abgesehen von finanziellen Einbußen auch zu einem unfairen Wettbewerb zwischen den Bundesländern sowie zu reichlich Verwirrung, sagt Ulrike Schäfer, Sprecherin des baden-württembergischen Busverbands (WBO). „Darf ein hessischer Busfahrer durch Baden-Württemberg fahren oder muss er drumherum fahren?“fragt sie.
„Dieser Flickenteppich macht Busreisen nahezu unmöglich und bevorzugt andere Verkehrsträger massiv“, sagt auch Christian Wahl, Sprecher des Bundesverbands Deutscher Omnibusunternehmer (BDO). Die Deutsche Bahn unterliegt – auch wenn sie über Ländergrenzen hinweg fährt – nicht diesen unterschiedlichen Reisebestimmungen. Genauso wenig der Flugverkehr. Auch Flixbus wird behandelt wie die Deutsche Bahn und kann deshalb den Betrieb ab Donnerstag wieder starten. Die Busverbände stemmen sich gegen die ungleiche Behandlung. Sie monieren, dass man im Gegensatz zur Bahn, wo es keine Reservierungspflicht gibt, Busreisen genau planen und Abstandsregeln daher leichter einhalten und kontrollieren könne.
„Es herrscht eine große Unsicherheit bei den Busunternehmern“, sagt Kathrin Aufderheide, Sprecherin beim RDA Internationalen Bustouristik Verband. Der Verband hat in einer Umfrage von 820 Busunternehmen Ende März ermittelt, dass der Gesamtschaden bei mindestens 850 Millionen Euro liegen wird.
Täglich koste der Stillstand die Branche 2,3 Millionen Euro. Denn die Fixkosten für Mitarbeiter, Parkplätze und Leasingraten für neu angeschaffte, umweltfreundliche Busse müssen weiter bezahlt werden. Hinzu kommen die Stornierungen der Reisen. „Anfang des Jahres hatten die Unternehmen volle Bücher, jetzt steht da vielleicht noch eine Reise Ende des Jahres“, erläutert Aufderheide. „Der Druck ist massiv. Wir brauchen Soforthilfen“, sagt BDOSprecher Wahl.
In Baden-Württemberg zumindest ist man in dieser Hinsicht schon etwas weiter. „Die Botschaft ist ganz klar ein Dank an die Politik“, sagte Ulrike Schäfer, Sprecherin des badenwürttembergischen Busverbands (WBO). Immerhin sei Baden-Württemberg das erste Bundesland, das die Branche mit 240 Millionen Euro finanzieller Hilfen stütze.
Bei der Kundgebung auf dem Karlsplatz in Stuttgart hob der badenwürttembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) dann auch die Bedeutung von Bussen im Bereich ökologischer Mobilität hervor. „Der Verkehrsminister will den öffentlichen Nahverkehr bis 2030 verdoppeln und dafür braucht er uns“, sagte Schäfer. Der Bus sei immer noch das umweltfreundlichste Reisemittel. Wichtig sei aber auch, dass die Unternehmen das zugesagte Geld nun so schnell wie möglich erhielten, weil viele kurz vor dem Aus stünden.
Auch der Bund hat das Problem erkannt. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat deshalb Hilfen für die Busbranche von 170 Millionen Euro angekündigt. Damit will der Minister vor allem Busunternehmen, die den ländlichen Raum und damit etwa Schülerverkehre abdecken, unterstützen. Der Vorschlag liege derzeit beim Finanzminister, von dem keine positiven Signale zur Konkretisierung zu hören seien, heißt es aus der Busbranche. Vielmehr hoffen die Verbände auf das für Anfang Juni geplante Konjunkturpaket. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte dort auch Soforthilfen für die mittelständischen Busunternehmen in Aussicht gestellt.
Am Mittwoch gehörte den Bustourisik-Vertretern in Berlin nicht nur die Straße. Im Anschluss an den Korso sprach RDA-Präsident Benedikt Esser vor den Mitgliedern des Tourismusausschusses im Bundestag. „Ich werde die Systemrelevanz darlegen, die der Reisebus als Klimaschützer Nummer 1 hat“, sagte Esser vor der Anhörung. Die Situation sei „bitterernst“.