Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Zumindest zahlt Voith höhere Abfindungen
Mitarbeiter erstreiken Sozialtarifvertrag in Sonthofen – Werksschließung können sie jedoch nicht verhindern
GSONTHOFEN/HEIDENHEIM - Knapp fünf Wochen haben die Beschäftigten das vor der Schließung stehende Sonthofener Werk des Technologiekonzerns Voith bestreikt – nun gibt es ein Ergebnis. Den Fortbestand haben sie zwar nicht erkämpft, doch gibt es nun nach Angaben der IG Metall Bayern einen zufriedenstellenden Sozialtarifvertrag für die IG Metall-Mitglieder im Werk Sonthofen. Demnach erhalten die Beschäftigten zusätzliche Abfindungsleistungen und alle Auszubildenden können ihre Ausbildung am Standort Sonthofen zu Ende bringen. 167 Beschäftigte bekommen in einem neuen, tarifgebundenen Büro Allgäu für drei Jahre eine Beschäftigungssicherung.
„Die Beschäftigten haben sich diesen Sozialtarifvertrag hart erkämpft und erstreikt. Sie erhalten nun angemessene Abfindungen für den Verlust ihrer Arbeitsplätze. Ihre Solidarität zahlt sich jetzt für sie aus“, sagte Johann Horn, Bezirksleiter der IG Metall Bayern und Verhandlungsführer. „Uns schmerzt ungemein, dass wir unser Werk und unsere Arbeitsplätze nicht retten konnten. Wir haben aber einen guten Sozialtarifvertrag errungen, der gewährleistet, dass niemand in existenzielle Nöte gerät“, kommentierte die Betriebsratsvorsitzende Birgit Dolde das Ergebnis. Und auch Voith-Bereichsleiter Mathias Mörtl zeigte sich erleichtert. „Wir werden uns nun darauf konzentrieren, die anstehenden Veränderungen verantwortungsvoll umzusetzen.“
Konkret regelt der Sozialtarifvertrag zusätzlich zum bereits Anfang Mai vom Gesamtbetriebsrat mit Voith ausgehandelten Sozialplan eine drei Monate längere Transfergesellschaft (bis zu 18 Monate) mit Qualifizierungsmaßnahmen unter Fortzahlung eines Unterhaltsgeldes. Verlassen Beschäftigte die Transfergesellschaft vorzeitig, fließt das so eingesparte Geld in einen weiteren Fortbildungsfonds. Außerdem wird ein Härtefonds eingerichtet, aus dem IG Metall-Mitglieder zusätzliche Abfindungen erhalten, insbesondere ältere Beschäftigte, Eltern, Alleinerziehende und Lebenspartner, die beide bei Voith arbeiten.
Sollten die Beschäftigten im neuen Büro Allgäu trotz der Beschäftigungssicherung innerhalb von drei Jahren betriebsbedingt gekündigt werden, gilt für sie auch der Sozialtarifvertrag. Dieser legt zudem fest, dass gegen Beschäftigte aufgrund ihrer Beteiligung am Streik keine arbeitsrechtlichen Maßnahmen ergriffen werden.
Für die nicht in der IG Metall organisierten Beschäftigten des Standorts Sonthofen gilt der zwischen Gesamtbetriebsrat und Voith vorab ausgehandelte Sozialplan. Laut Carlos Gil, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Allgäu und beteiligt an den Verhandlungen, sind aber die meisten der rund 500 Mitarbeiter Gewerkschaftsmitglieder. Die Einigung zwischen IG Metall und Voith, der 87 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder im Werk zugestimmt hatten, bedeutet gleichzeitig das Ende des Arbeitskampfes, der seit dem 23. April andauert. Seit diesem Mittwoch wird in Sonthofen, wo Voith Spezialgetriebe produziert, wieder gearbeitet.
Das Familienunternehmen hatte bereits im Herbst 2019 Schließungspläne für das Werk bekannt gemacht. Voith führt als Grund für das Aus des Standorts Sonthofen die zu hohen Kosten von Voith Turbo in Deutschland an. Um das zu ändern soll die Produktion auf weniger, dafür aber schlagkräftigere Standorte konzentriert werden. Neben Sonthofen werden deshalb auch die Standorte in Zschopau und in Mülheim geschlossen. Läuft alles nach Plan, will Voith mit den Verlagerungen bis Ende September fertig sein. Allen Mitarbeitern am Standort Sonthofen, die kein Beschäftigungsangebot für das neue Büro Allgäu erhalten, bietet der Konzern einen Arbeitsplatz an einem anderen Voith-Standort an.