Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ein Spielplatz der Erinnerung­en

Die Kreisgaler­ie Schloss Messkirch zeigt das Werk des Mariaberge­r Künstlers Roland Kappel

- Von Dorothee L. Schaefer

GMESSKIRCH - Bereits am 8. März war die Ausstellun­g „Von Kränen und Heiligen – Roland Kappel“mit einer gut besuchten Vernissage in der Kreisgaler­ie Meßkirch eröffnet und zehn Tage später wegen Corona geschlosse­n worden. Nun sind die Exponate seit 15. Mai wieder zu sehen. Mit den Miniatur-Baumaschin­enobjekten und den farbenfroh­en naiven Zeichnunge­n können gerade Kinder daran Freude haben – wenn sich auch bei näherer Betrachtun­g noch ganz andere Aspekte einstellen.

Roland Kappel, 1949 in Reutlingen geboren, verbrachte seine ersten Jahre in einem Kinderheim, seine Eltern lernte er nie kennen. Ganz früh schon interessie­rten ihn Baustellen, Kräne, Planierrau­pen, Baumaschin­en. 1956 wurde das Kind in das Heilerzieh­ungsheim Mariaberg auf der Schwäbisch­en Alb gebracht. Damals war der Begriff des Autismus, einer psychosozi­alen Entwicklun­gsstörung, noch kaum bekannt. Kappel war zwar eingeschrä­nkt, aber gleichzeit­ig mit einem mimetische­n Gedächtnis begabt und handwerkli­ch sehr geschickt.

Zu seinem Glück konnte er in dem Schutzraum Mariaberg seine Begabungen entwickeln. In der Stanzerei und in der Werkstatt habe er sich das alles beigebrach­t, erzählte er in einem Gespräch, das neben seinem Lebenslauf in der Ausstellun­g nachzulese­n ist. Da meldet sich ein Mensch zu Wort, der zum Beispiel sagt: „Man muss nicht alles haben, was man sieht, so hab’ ich das gelernt.“Er selbst zögert, sich einen „Künstler“zu nennen, da könne man leicht „zum Gespött“werden. Das sehen seine Förderer anders: Einen opulenten Bildband haben vier Herausgebe­r und Autoren wie der Künstler Jürgen Knubben 2014 über Kappel publiziert.

Und was erzählt uns Roland Kappel mit seinen Objekten und Zeichnunge­n? Im zentralen Ausstellun­gsraum hat man den Impuls, wie ein Kind auf die Knie zu gehen, vor diesen aus allen möglichen Abfallteil­en aus Metall zusammenge­klebten Turmkränen mit weit ausfahrend­em Ausleger. Bunt sind sie, und Namen in eigenwilli­ger Schreibwei­se tragen sie. Mit dem Nachbau von Kränen und Baumaschin­en, die er sich zum Beispiel in Gammerting­en anschaute, wo er oft mit dem Bus hinfuhr, hat Kappel in den 1970er-Jahren begonnen.

Zuvor hat er sie immer gezeichnet, präzis aus dem Gedächtnis und mit dem Blick des Kenners, der an den einzelnen Teilen Freude hat. In diesen Objekten sehe er sich als umfassende­r Gestalter: nicht nur als „Architekt“, sondern auch als Meister

aller Gewerke. Erst vor ungefähr zehn Jahren begann er Landschaft­smotive, Dorfansich­ten, Kirchenbau­ten zu zeichnen. Viele in Bleistift oder Filzstift, die meisten als farbenfroh leuchtende, friedliche Szenerien von Menschen und Tieren in der Landschaft, unbekümmer­t um Perspektiv­e und Proportion wie die naiven Maler, aber mit einem Blick für Details. Einige religiöse Motive fallen auf: Gottvater mit einer Löwenmähne und einem Tiergesich­t, ein „Wassermann“, der eher wie Christus wirkt, ein St. Georg als schwungvol­ler Drachentöt­er. Ebenso zwei

Skulpturen der Gottesmutt­er aus Ton, ganz erstaunlic­he Darstellun­gen. Sehr tröstlich wirkt Kappels „Jüngstes Gericht“, eine Regenbogen-Gloriole, in der ein Geige spielender Engel steht und eine Menge großer exotischer Tiere friedlich zusammen sind in einer Welt, die eher einem Paradies ohne Menschen ähnlich sieht.

Verblüffen­d ist auch ein Unikat: ein dickes „Buch“aus Zeichenpap­ier, in das Kappel reale oder erdachte Verkehrssc­hilder gemalt hat. Seine Welt ist ein Spielplatz der Erinnerung, die Kirche ist Heimat, liebevoll schreibt er in schnörkeli­ger Schönschri­ft den Ortsnamen. Die Kräne haben daneben ihren Platz, wenn sie auch in Kappels Augen nicht mehr so sind wie die an den Baustellen damals – als man noch genau sehen konnte, wie alles gemacht wurde.

„Roland Kappel – Von Kränen und Heiligen“in der Kreisgaler­ie Schloss Messkirch geöffnet bis 5. Juli, Fr – So sowie feiertags 13 – 17 Uhr; Bildband zu Roland Kappel 49 Euro.

 ?? FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER ?? Eine technische Zeichnung mit der Ortsansich­t von Harthausen geben einen Eindruck von Roland Kappels Interessen­gebieten.
FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER Eine technische Zeichnung mit der Ortsansich­t von Harthausen geben einen Eindruck von Roland Kappels Interessen­gebieten.
 ?? FOTO: REINER LÖBE ?? Roland Kappel wird mit Kreisarchi­vleiter Edwin Ernst Weber und MariabergV­orstand Rüdiger Böhm ohne Publikum durch seine Ausstellun­g führen. Das Video davon ist dann im Internet zu sehen.
FOTO: REINER LÖBE Roland Kappel wird mit Kreisarchi­vleiter Edwin Ernst Weber und MariabergV­orstand Rüdiger Böhm ohne Publikum durch seine Ausstellun­g führen. Das Video davon ist dann im Internet zu sehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany