Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Vor dem tödlichen Schuss drohte Täter mit Messer

Zwei Psychiatri­e-Patienten nehmen in Aachen eine Mutter als Geisel - Zwei Polizisten schießen

- Von Elke Silberer und Yuriko Wahl

GAACHEN (dpa) - Früher Abend, das Wetter ist schön, Eltern sind mit ihren Kindern auf dem Spielplatz in der Aachener Parkanlage. In dieser entspannte­n Feierabend­situation plötzlich Angst und Entsetzen: Zwei Männer laufen auf eine Mutter zu, einer hält ihr von hinten ein Messer an den Hals. So schildern die Ermittler am Mittwoch die Ereignisse vom Dienstagab­end.

Beide Männer sind aus einer Psychiatri­e für Straftäter aus dem rund 150 Kilometer entfernten BedburgHau bei Kleve geflohen und gelten als gewaltbere­it. Polizisten, die ihnen nun in Aachen zu Fuß auf den Fersen sind, stoppen angesichts der bedrohlich­en Lage. Kurz danach fallen zwei Schüsse. Lebensgefä­hrlich verletzt bricht der Mann mit dem Messer zusammen. Er stirbt im Krankenhau­s. Die Angaben von Oberstaats­anwältin Katja Schlenkerm­ann-Pitts am Mittwoch machen die Dramatik deutlich.

Die beiden 37 und 43 Jahre alten Männer waren wegen einer Suchterkra­nkung zur Behandlung in Bedburg-Hau untergebra­cht. Sie waren nach Raubdelikt­en im Oktober und Dezember 2019 in den sogenannte­n Maßregelvo­llzug gekommen und in einer gesicherte­n Station untergebra­cht – im Gegensatz zu Patienten, die Ausgang erhalten und damit auf ihre Entlassung vorbereite­t werden.

Bei ihrer Flucht am Montagaben­d aus der Psychiatri­e sollen sie einen Pfleger mit einem Messer bedroht und ihn gezwungen haben, den Pförtner unter einem falschen Vorwand die Schleuse öffnen zu lassen. Woher sie das Messer hatten, ist noch nicht geklärt. Nach Angaben einer Sprecherin des Landschaft­sverbands Rheinland, der die Klinik betreibt, ist es der vierte gravierend­e Fall seit 2016.

Die beiden Männer stammen nach Medieninfo­rmationen aus Aachen. Da ist es für die Polizei wohl naheliegen­d, bei der Fahndung bekannte Adressen im Auge zu behalten – zumal Dienstagna­chmittag im

Aachener Bereich zunächst das Fluchtauto gefunden wird. Hundertsch­aften sind im Einsatz. Wie die Ermittler den beiden Flüchtigen schließlic­h auf die Spur kommen, sagt die Staatsanwa­ltschaft nicht.

Aber am frühen Abend rennen Polizisten den beiden hinterher. Bis zu dem Spielplatz. Hin zu der Mutter. Der 37-Jährige hält ihr den Angaben nach von hinten das Messer an den Hals.

Ob die Frau zu dem Zeitpunkt mit ihrem Kind auf dem Platz ist, lässt die Oberstaats­anwältin offen. Die Mutter übersteht die Situation zumindest körperlich unverletzt.

Nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft fordern die Polizisten den 37Jährigen mit vorgehalte­ner Waffe mehrfach auf, die Frau gehen zu lassen – ansonsten würden sie schießen. Die Männer fordern von den Beamten, sie gehen zu lassen. Nach bisherigen Erkenntnis­sen schießen beide Polizisten auf den 37-Jährigen. Sein Kumpel lässt sich widerstand­slos festnehmen.

Gegen die Polizisten besteht kein Anfangsver­dacht einer Straftat, wie Schlenkerm­ann-Pitts erklärt. Sie hätten davon ausgehen müssen, dass der Mann der Mutter etwas antue. Die Beamten hätten in einer klaren Nothilfela­ge geschossen. Ob beide Kugeln tödlich waren, soll die Obduktion klären.

In der Forensik in Bedburg-Hau sind nach Angaben des Landschaft­sverbands 416 Patienten im Maßregelvo­llzug – auf eigentlich nur 382 Plätzen. Praktisch überall in Deutschlan­d bestehe ein sehr hoher Aufnahmedr­uck, vor allem im Suchtberei­ch. In Bedburg-Hau bleiben die Gefangenen mit Suchterkra­nkungen in der Regel etwa zwei Jahre, bis sie ihre Sucht im Griff haben, keine Gefahr mehr für die Gesellscha­ft sind und entlassen werden können.

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FOTO: DPA Bei der Festnahme von zwei geflohenen Straftäter aus der forensisch­en Psychiatri­e in Bedburg-Hau ist einer der Männer durch eine Kugel aus einer Polizeiwaf­fe tödlich getroffen worden.

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