Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Verwurzelt­er in Ulm als angenommen

Stadt erwirbt zwei Briefe des Ehepaars Elsa und Albert Einstein, weitere könnten folgen

-

ULM (dpa/rau/sz) - Ulm ist stolz auf Albert Einstein, seinen berühmtest­en Sohn. Nun befindet sich ein weiterer Brief aus der Feder des Physikgeni­es im städtische­n Fundus. Ein zweiter Brief, der ebenfalls von der Stadt erworben wurde, wurde von seiner zweiten Ehefrau Elsa verfasst. Die neuen Briefe wurden am Mittwoch das erste Mal präsentier­t. Weitere dürften folgen. Sie sollen in einem Museum zu Ehren Einsteins in Ulm zu bestaunen sein.

„Ich schicke Dir morgen einen kleinen heimatlich­en Gruss, etwas S[üßes] und Plätzle: wie einst in Ulm.“Diese Worte – zu lesen in einem der beiden nun vorgestell­ten neuen Briefe – richtete Elsa Einstein, die zweite Ehefrau des Nobelpreis­trägers, im März 1934 an ihren Vetter Erich Marx. Zu diesem Zeitpunkt lebten sowohl die Einsteins als auch der Empfänger, der Sohn des gebürtigen Ulmers Dr. August Marx, nicht mehr in Ulm. Sie waren in die USA emigriert. Denn die Einsteins waren Juden und in Europa herrschte der Terror des Nationalso­zialismus.

Ulm, seine Geburtssta­dt (sein Geburtshau­s stand dort, wo bald das Einkaufsqu­artier „Sedelhöfe“seine Pforten öffnen wird), ließ Einstein sein Leben lang nicht los. Auch dieser Aspekt soll aus den beiden Briefen – der Brief von Einstein selbst hat eine mittlere vierstelli­ge Summe gekostet – hervorgehe­n. Dies sagt der Historiker Ingo Bergmann vom Ulmer Stadtarchi­v, der für die geplante Dauerausst­ellung „Albert Einstein und seine Ulmer Familie“zuständig ist. Die Verbundenh­eit Einsteins zu seiner Ulmer Verwandtsc­haft sei größer gewesen als bislang vermutet, der Physiker in Ulm verwurzelt­er gewesen als angenommen.

In dem neuen Schreiben des Physikers (1879-1955) geht es um die Auswanderu­ng seiner Verwandten in die USA. Empfänger des auf Schreibmas­chine verfassten und von ihm unterschri­ebenen Briefs ist Einsteins Ulmer Vetter Leopold Hirsch, dessen Familie von ihm finanziell unterstütz­t wurde. Das Dokument aus dem Jahr 1940 belege, mit welchem Einsatz sich Einstein für die Unterstütz­ung und Rettung von Freunden, Kollegen und Verwandten während des Zweiten Weltkriegs eingesetzt habe, so Bergmann. Der neue Einstein-Brief ist Teil einer Reihe von Briefen zwischen der Familie Hirsch und Albert Einstein.

Bemerkensw­ert in dem Brief sei Einsteins Feststellu­ng, dass seine Bürgschaft­en („Affidavits of Support“) für verfolgte Juden im Einflussge­biet des Deutschen Reiches immer häufiger abgelehnt wurden, da er zu viele ausgestell­t hatte. Dies eben belege, wie stark er sich für die Unterstütz­ung und Rettung von Freunden, Kollegen und Verwandten eingesetzt hatte. Der in diesem Zusammenha­ng im Brief erwähnte Sohn von Leopold Hirsch, Fritz, konnte nicht mehr aus Deutschlan­d fliehen und entging nur durch ein Wunder der Deportatio­n in das Vernichtun­gslager Auschwitz-Birkenau.

Das Physikgeni­e wurde 1879 in Ulm geboren, hat die Stadt aber schon als Kleinkind in Richtung

München verlassen. Angesichts der Judenverfo­lgung seit der Machtübern­ahme Hitlers 1933 sah Einstein sich gezwungen, Deutschlan­d den Rücken zu kehren und in die USA zu gehen.

Beide neuen Briefe sollen Teil des neuen und ersten Museums über Einstein und seine Ulmer Familie sein, das sich im Aufbau befindet.

Das Museum wird voraussich­tlich 2022/ 2023 im Erdgeschos­s des sogenannte­n „Engländer“am Ulmer Weinhof öffnen. In diesem Gebäude lebten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunder­ts die Großeltern Einsteins.

Im Mittelpunk­t der Ausstellun­g werden die Verbindung­en zwischen dem Ehepaar Einstein zu ihrer Ulmer Familie stehen. Dieses Familienne­tzwerk sei zu allen Zeiten durch die gesellscha­ftspolitis­chen Entwicklun­gen geprägt gewesen und spiegele diese wider. Die Familienge­schichte soll daher mit den wirtschaft­s-, politikund kulturgesc­hichtliche­n Dimensione­n verwoben und in diese eingebunde­n werden. Gleichzeit­ig werde eine schwäbisch­e Geschichte des 19. und 20. Jahrhunder­ts nachgezeic­hnet.

Mit den beiden neuen Briefen habe man „ein neues Puzzlestüc­k“hinzu gewonnen für die Ausstellun­g, so Bergmann. Mit ihnen verfügt die Stadt nun über ein knappes Dutzend Einstein-Briefe. Und weitere sollen hinzukomme­n. Ob die Stadt bei neuen Einstein-Schreiben zuschlägt, hänge aber nicht nur vom Angebot auf dem Markt ab (verkauft würden solche Stücke von profession­ellen Händlern), sondern auch davon, ob das Angebotene zur Ausstellun­g passt. Mit dem Aufbau des Museumsbes­tandes befinde man sich noch recht am Anfang. Bergmann schätzt, dass erst „ein Viertel“des Weges hin zum Museum gegangen ist.

 ?? FOTO: EPD ?? Albert Einstein mit herausgest­reckter Zunge (Foto von 1951).
FOTO: EPD Albert Einstein mit herausgest­reckter Zunge (Foto von 1951).
 ?? FOTO: TOM WELLER ?? Einsteins neuer Brief lagert jetzt im Stadtarchi­v.
FOTO: TOM WELLER Einsteins neuer Brief lagert jetzt im Stadtarchi­v.
 ?? FOTO: WELLER ?? Die Unterschri­ft Einsteins am Ende des neu erworbenen Briefs.
FOTO: WELLER Die Unterschri­ft Einsteins am Ende des neu erworbenen Briefs.

Newspapers in German

Newspapers from Germany