Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Bibliothek verleiht jetzt auch Sportgerät
Warum man in Ulm nun mehr als nur Medien ausleihen kann
GULM - Ein neues Regal steht mitten in der Ulmer Stadtbibliothek, es wirkt noch ein bisschen fremd an diesem Ort. In den Fächern liegen keine Romane, weder Sachbücher noch CDs, stattdessen baumelt ein Hula-HoopReifen an der Kante des Regals. Eine Sofortkamera liegt da neben einem Lesekissen, kleinen Trommeln, einem Tischtennis-Set und Wanderrucksäcken. Ein Bollerwagen steht rollbereit vor dem Regal, gleich bei einer Sackkarre. Diese bunt gemischten Dinge haben eines gemein: Man kann sie jetzt in der Stadtbücherei ausleihen. Die neue „Bibliothek der Dinge“ist eröffnet.
Bibliotheken, diese klassischen Orte der Kultur und Bildung, durchleben einen Wandel. In Geislingen, Rosenheim und Burghausen bieten Büchereien schon solche Ausleihen jenseits der Bücher und Medien an. Hier setzt sich ein Trend fort, der schon in den 1980er-Jahren begann: Mit CDs und Neuen Medien wollte man mehr Publikum erreichen und heute spielt vor allem der Gedanke der Nachhaltigkeit eine Rolle. Das Prinzip lautet „Sharing Economy“. Was das bedeutet, erklärt Bibliotheksdirektor Martin Szlatki: „Global denken, lokal handeln“, miteinander teilen und die Lebensdauer von Produkten verlängern. Vor allem für Familien und ein junges Publikum könnte das neue Angebot interessant sein, ab zwölf Jahren dürfen sich Jugendliche hier etwas ausleihen.
Für Bibliotheksdirektor Martin Szlatki steht fest: „Das ist auch eine Frage der Generationen.“Viele junge Menschen würden weniger Wert auf Eigentum legen, sondern mehr auf Nachhaltigkeit. Private Sachspenden für die Bibliothek der Dinge sind nicht möglich. „Wir bekommen schon im normalen Bibliotheksbetrieb mehr Angebote als wir entgegennehmen können.“
Im Regal sammeln sich Dinge des Alltags, die man nur einmal oder sehr selten braucht, die sonst vielleicht viel Platz im eigenen Keller blockieren. Aber es sind auch Spiele und Geräte, die man schon immer einmal ausprobieren wollte, im Sommer, an der Donau.
Bei der Anschaffung gab es einige Kriterien, erklärt die Projektleiterin Maike Körber: Die Leihobjekte sollten keine Verletzungsgefahr bergen. Kurzlebige Einmalprodukte würden der Sharing-Economy widersprechen. Geräte, für die großes technisches Know-how nötig ist, sind auch ausgeschlossen.
Seit dem 26. Mai steht das Regal frei zugänglich in der Glaspyramide. Die Dinge der Bibliothek teilen sich auf in vier Kategorien: Musikinstrumente, Spiel und Sport (darunter ein riesiges Mikado-Spiel und ein Outdoor-Mensch-ärgere-dich-nicht), Haus und Hof (Kabeltrommel, Sackkarre, Aktenvernichter) und Outdoor & Freizeit (Kraxen und bald auch Holzschlitten). Und der Bestand lässt sich erweitern. Szlatki könnte sich eine digitale Fortsetzung der Bibliothek der Dinge vorstellen, VR-Brillen, die digitale Welten erzeugen? Denkbar, doch erst einmal bleibt es beim überschaubaren Angebot.
2700 Euro hat die Bücherei in die Bibliothek der Dinge investiert. Ukulelen und Tischtennisschläger sollen hier ein- und ausgehen wie die Literatur: Die Ausleihe funktioniert nach denselben Regeln wie bei Büchern. Doch, wenn es ums Tauschen und Teilen geht, wird auch Corona zum Thema. Die Gegenstände wandern von Hand zu Hand. Besondere Desinfektionsmaßnahmen seien aber nicht geplant, sagt Szlatki: „Die Wahrscheinlichkeit, sich an den Dingen zu infizieren, ist sehr, sehr gering.“Schließlich werden die Leihgegenstände auch nicht am selben Tag zurück- und wieder ausgegeben. Bei Rückgabe werde überprüft, ob sie sauber, vollständig und funktionsfähig sind.
Auch der ganz normale Büchereibetrieb läuft wieder. Szlatki erklärt: „Bücher sind nach wie vor unser Hauptaspekt. Die Bibliothek bleibt ganz maßgeblich ein Bildungsort.“Ausleihen, zurückgeben, stöbern, das ist wieder möglich. Verweilen, gemütlich lesen und lernen am Tisch? Nein. Das verhindern (noch) die Corona-Regeln.
Mehr als 1000 neue Mitgliederausweise hat die Bücherei bei einem kostenlosen Testangebot ausgestellt. Die Analyse, wie viele neue Büchereimitglieder bleiben, steht noch aus. Als die Bibliothek Ende April wieder eröffnete, habe er jedenfalls einen „richtig großen Andrang erlebt“, sagt Szlatki. Dass wieder ein Stück Normalität eingekehrt ist, sei „ein ganz großes Glück“.
Die Gegenstände sind für 14 Tage ausleihbar. Alle Medien sind im Webkatalog der Bücherei verzeichnet.