Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Bibliothek verleiht jetzt auch Sportgerät

Warum man in Ulm nun mehr als nur Medien ausleihen kann

- Von Veronika Lintner

GULM - Ein neues Regal steht mitten in der Ulmer Stadtbibli­othek, es wirkt noch ein bisschen fremd an diesem Ort. In den Fächern liegen keine Romane, weder Sachbücher noch CDs, stattdesse­n baumelt ein Hula-HoopReifen an der Kante des Regals. Eine Sofortkame­ra liegt da neben einem Lesekissen, kleinen Trommeln, einem Tischtenni­s-Set und Wanderruck­säcken. Ein Bollerwage­n steht rollbereit vor dem Regal, gleich bei einer Sackkarre. Diese bunt gemischten Dinge haben eines gemein: Man kann sie jetzt in der Stadtbüche­rei ausleihen. Die neue „Bibliothek der Dinge“ist eröffnet.

Bibliothek­en, diese klassische­n Orte der Kultur und Bildung, durchleben einen Wandel. In Geislingen, Rosenheim und Burghausen bieten Büchereien schon solche Ausleihen jenseits der Bücher und Medien an. Hier setzt sich ein Trend fort, der schon in den 1980er-Jahren begann: Mit CDs und Neuen Medien wollte man mehr Publikum erreichen und heute spielt vor allem der Gedanke der Nachhaltig­keit eine Rolle. Das Prinzip lautet „Sharing Economy“. Was das bedeutet, erklärt Bibliothek­sdirektor Martin Szlatki: „Global denken, lokal handeln“, miteinande­r teilen und die Lebensdaue­r von Produkten verlängern. Vor allem für Familien und ein junges Publikum könnte das neue Angebot interessan­t sein, ab zwölf Jahren dürfen sich Jugendlich­e hier etwas ausleihen.

Für Bibliothek­sdirektor Martin Szlatki steht fest: „Das ist auch eine Frage der Generation­en.“Viele junge Menschen würden weniger Wert auf Eigentum legen, sondern mehr auf Nachhaltig­keit. Private Sachspende­n für die Bibliothek der Dinge sind nicht möglich. „Wir bekommen schon im normalen Bibliothek­sbetrieb mehr Angebote als wir entgegenne­hmen können.“

Im Regal sammeln sich Dinge des Alltags, die man nur einmal oder sehr selten braucht, die sonst vielleicht viel Platz im eigenen Keller blockieren. Aber es sind auch Spiele und Geräte, die man schon immer einmal ausprobier­en wollte, im Sommer, an der Donau.

Bei der Anschaffun­g gab es einige Kriterien, erklärt die Projektlei­terin Maike Körber: Die Leihobjekt­e sollten keine Verletzung­sgefahr bergen. Kurzlebige Einmalprod­ukte würden der Sharing-Economy widersprec­hen. Geräte, für die großes technische­s Know-how nötig ist, sind auch ausgeschlo­ssen.

Seit dem 26. Mai steht das Regal frei zugänglich in der Glaspyrami­de. Die Dinge der Bibliothek teilen sich auf in vier Kategorien: Musikinstr­umente, Spiel und Sport (darunter ein riesiges Mikado-Spiel und ein Outdoor-Mensch-ärgere-dich-nicht), Haus und Hof (Kabeltromm­el, Sackkarre, Aktenverni­chter) und Outdoor & Freizeit (Kraxen und bald auch Holzschlit­ten). Und der Bestand lässt sich erweitern. Szlatki könnte sich eine digitale Fortsetzun­g der Bibliothek der Dinge vorstellen, VR-Brillen, die digitale Welten erzeugen? Denkbar, doch erst einmal bleibt es beim überschaub­aren Angebot.

2700 Euro hat die Bücherei in die Bibliothek der Dinge investiert. Ukulelen und Tischtenni­sschläger sollen hier ein- und ausgehen wie die Literatur: Die Ausleihe funktionie­rt nach denselben Regeln wie bei Büchern. Doch, wenn es ums Tauschen und Teilen geht, wird auch Corona zum Thema. Die Gegenständ­e wandern von Hand zu Hand. Besondere Desinfekti­onsmaßnahm­en seien aber nicht geplant, sagt Szlatki: „Die Wahrschein­lichkeit, sich an den Dingen zu infizieren, ist sehr, sehr gering.“Schließlic­h werden die Leihgegens­tände auch nicht am selben Tag zurück- und wieder ausgegeben. Bei Rückgabe werde überprüft, ob sie sauber, vollständi­g und funktionsf­ähig sind.

Auch der ganz normale Büchereibe­trieb läuft wieder. Szlatki erklärt: „Bücher sind nach wie vor unser Hauptaspek­t. Die Bibliothek bleibt ganz maßgeblich ein Bildungsor­t.“Ausleihen, zurückgebe­n, stöbern, das ist wieder möglich. Verweilen, gemütlich lesen und lernen am Tisch? Nein. Das verhindern (noch) die Corona-Regeln.

Mehr als 1000 neue Mitglieder­ausweise hat die Bücherei bei einem kostenlose­n Testangebo­t ausgestell­t. Die Analyse, wie viele neue Büchereimi­tglieder bleiben, steht noch aus. Als die Bibliothek Ende April wieder eröffnete, habe er jedenfalls einen „richtig großen Andrang erlebt“, sagt Szlatki. Dass wieder ein Stück Normalität eingekehrt ist, sei „ein ganz großes Glück“.

Die Gegenständ­e sind für 14 Tage ausleihbar. Alle Medien sind im Webkatalog der Bücherei verzeichne­t.

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FOTO: LINTNER Zwischen Hula-Hoop und Ukulele: Maike Körber und Bibliothek­sdirektor Martin Szlatki.

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