Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Der Leitwolf mit dem feinen Lupfer
Bösinger Joshua Kimmich ist nicht nur gegen den BVB der Unterschiedspieler der Bayern
GMÜNCHEN - Ganz viel Lob nach einem formvollendeten Lob. Wie beim hoch und weiten gleichnamigen Tennisschlag überlobte Joshua Kimmich den verdutzten BVB-Torhüter Roman Bürki. Der 1:0-Siegtreffer des FC Bayern bei Borussia Dortmund war ein Meisterwerk, Ex-Profi Mehmet Scholl bezeichnete den eleganten Heber als „Gemälde“. Ausgerechnet Super-Techniker Scholl, der Kimmich vor Wochen wegen zu vieler öffentlicher Kommentare bissig mit der Klima-Aktivistin Greta Thunberg verglich, sagte: „Kimmich kann man herausnehmen, das Tor war extraordinär.“Der Ex-Mittelfeldspieler Scholl zog für Mittelfeldspieler Kimmich nach dem Titel-Showdown via „Bild“den Hut: „Das hat er gut gemacht.“
Scholl war natürlich nicht allein mit seiner Lobeshymne. Den ganzen Mittwoch über muss Kimmich mit einem öligen Rücken herumgelaufen sein, so viele der Mittelfeld-Größen des Landes äußerten sich. „Es war sehr, sehr gut gemacht von Joshua. In dem Moment einen Chipball einzubauen, ist natürlich eine Überraschung für den Torwart“, meinte Bastian Schweinsteiger. Für Lothar Matthäus war der Heber in der 43. Minute „das Tor zur Meisterschaft“, eines „mit Kopf“. Und mit Auge. Voller Gefühl – und effektiv. Denn: Wenn Kimmich trifft, verliert Bayern nie (neun Siege, zwei Unentschieden). Es war bereits sein drittes Weitschusstor in dieser Saison.
Der 25-Jährige bestach in Dortmund als umtriebiger, aggressiver Sechser, „als Spielmacher nach vorne und nach hinten“wie Trainer Hansi Flick kürzlich seine Rolle bezeichnete. Der ehemalige Rechtsverteidiger füllt seine Lieblingsposition im Zentrum des Spiels mit Leben, im Maschinenraum des Aufbauspiels hat er das Sagen. Wer das Sagen hat, bekommt den Ball. Wer den Ball hat, hat die Macht. 102 Ballkontakte bildeten den Topwert der Gäste am Dienstagabend. Mit 13,73 gelaufenen Kilometern stellte Kimmich zudem einen neuen Rekord für einen Bayern-Profi jeder wusste, wie wichtig diese drei Punkte waren“, meinte der Schwabe, der aus Bösingen im Landkreis Rottweil stammt und beim dortigen VfB das Fußballspielen lernte, ehe er mit zwölf Jahren ins Nachwuchsleistungszentrum des VfB Stuttgart wechselte. Neben Manuel Neuer hat sich Kimmich zum Nachwuchs-Chef etabliert, zum Sprecher der jüngeren Profis, wurde Mitglied im Mannschaftsrat. „Kimmich hat alles richtig gemacht, ist ein Leader geworden in jungen Jahren in einer Mannschaft, die so gespickt ist mit Stars“, erklärte Matthäus, selbst viele Jahre Kapitän bei Bayern und in der Nationalelf.
Dass Kimmichs Weg vorgezeichnet ist, daran zweifelt keiner. „Er geht voran, bringt Leistung, dann kann man auch den Mund aufmachen“, so Matthäus, der weiß, wovon er spricht. Für ihn ist Kimmich „ein Vorzeigeprofi. Ich traue ihm alles zu in seiner Karriere: Kapitän bei Bayern, Kapitän in der Nationalmannschaft.“Darauf angesprochen sagt Trainer Flick, nicht bekannt für euphorische Vorhersagen: „Was die Zukunft bringt, wird man sehen. Joshua ist ein Spieler, mit dem man als Trainer immer zufrieden ist, weil er immer hundert Prozent gibt.“In jedem Sport, selbst auf Hobby-Basis.
Tennis ist Kimmichs Ding. Ob er mit dem Filzball Lobs auch so gut draufhat wie mit der größeren Kugel? Er gilt als Bewunderer von Großmeister Roger Federer („Ein Vorbild, Gentleman und ein sauberer Sportler, der für Eleganz und Klasse steht“), schlug einmal Bälle mit Tommy Haas und besuchte im vergangenen Sommer das Wimbledon-Turnier. Mit seinem Hobby-Team „Pfeffys“gewann er 2016 das Laienturnier des TC Herrenzimmern – samt Pokal. Den gab's während der EM 2016 nicht, als er bei einem Match Manuel Neuer unterlag. Ziemlich deutlich. Neuers hämischer Kommentar bei „Facebook“: „Gegen Kimmich kurzen Prozess gemacht. 6:0, 6:1, 6:0. Der eine Spielverlust ärgert mich.“
Der perfekte Heber gegen Bürki dürfte dagegen beide froh stimmen, war er doch möglicherweise entscheidend zum achten Titel in Folge.