Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Junger Waldkauz auf Abwegen
Eule fällt in einen Kamin und sitzt fest – Mitglieder des Nabu Laupheim befreien den Vogel aus misslicher Lage
GLAUPHEIM - Einen ganz besonderen – und unerwarteten – Besucher hat eine Frau in Laupheim Mitte Mai gehabt: Ein junger Waldkauz hatte sich in ihr Haus verirrt. Mitglieder des Nabu halfen Mensch und Tier.
Mitten in der Woche, kurz vor Mittag, klingelt das Telefon von Georg Walcher in Laupheim. Walcher, seines Zeichens Vogel-Experte des hiesigen Naturschutzbunds, hört sich das Anliegen der Dame am anderen Ende der Leitung an. „Meine Haushaltshilfe hat gesehen, dass sich im Kamin etwas bewegt“, berichtet diese. „Da sitzt ein Tier drin. Bitte kommen Sie und holen es heraus.“
Georg Walcher verspricht, umgehend zu kommen, und kontaktiert seine Vereinskameradin Antje Mauch, die gemeinsam mit ihrer 16jährigen Tochter Johanna ebenfalls zum Einsatzort mitten in Laupheim eilt. Dort, im sorgsam mit Malervlies abgedeckten Wohnzimmer, entdecken die Tierfreunde im durch Glastüren verschlossenen Kamin einen Waldkauz.
„Es war noch ein junges Tier, aber schon voll flugfähig“, erzählt Antje Mauch. Ganz ruhig sitzt der Vogel in einer Ecke des Kamins und schaut mit großen Augen heraus auf die zu Hilfe geeilten Menschen. Mit speziellen dicken Lederhandschuhen holt der im Umgang mit Wildvögeln erfahrene Georg Walcher den gefiederten „Halbstarken“vorsichtig heraus. Das geht nicht ohne Zappeln ab, daher muss das Tier zum Abtransport in einen Rupfensack verfrachtet werden. Dabei verhält sich der junge Kauz vorbildlich: „Er hat kein Theater gemacht“, versichert Antje Mauch.
Im Rupfensack transportieren ihn die Nabu-Mitglieder zu Fuß zum nahegelegenen Schlosspark. Dort darf Johanna Mauch den Waldkauz – und nicht die Katze – aus dem Sack lassen, indem sie ihn behutsam an den Beinen fasst und ins Freie bringt. Georg Walcher überprüft nochmals, ob das Tier unverletzt ist. Das ist der Fall, auch wenn der Ruß aus dem Kamin die Federn ein wenig eingestaubt hat. „Mit der Gefiederpflege hatte der Vogel sicher noch einige Tage zu tun“, ist Walcher überzeugt.
„Der Vogel ist dann rund 30 Meter weit zu den Bäumen geflogen und hat sich auf einen Ast gesetzt“, erinnert sich Antje Mauch. Von dort schaute das Tier auf seine Retter herunter – „als würde es Danke sagen!“
Warum der Waldkauz, der eigentlich zu den nachtaktiven Tieren gehört, sich am helllichten Tag in den Kamin verirrte, bleibt ein Rätsel. „Vielleicht war er ja zu lange aus“, spekuliert Antje Mauch. „Und dann hat er in der Morgenluft die Orientierung verloren.“Den Kamin könnte der Vogel-Teenager eventuell mit einer Wohnhöhle verwechselt haben. „Alleine hätte er da jedenfalls nicht mehr rausgefunden“, sind die menschlichen Retter überzeugt.
Dass Greifvögel in Laupheim in eine derartige Notlage geraten, kommt nach Erfahrung des Nabu nicht allzu oft vor. „Vielleicht einoder zweimal im Jahr“, meint Antje Mauch. In diesem Fall war es vor allem für ihre Tochter Johanna ein außergewöhnliches Erlebnis – und das auch noch mit einem Happy End.