Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wie das Virus die Geldanlage ändert

Angesichts der Zinsflaute wird der Fondssparp­lan zum neuen Sparbuch

- Von Thomas Spengler

STUTTGART - Verwundert rieben sich gestandene Börsianer die Augen: Ausgerechn­et die deutschen Privatanle­ger haben sich nicht wieder enttäuscht vom Kapitalmar­kt abgewandt, als die Kurse im Zuge der Corona-Pandemie um bis zu 40 Prozent in den Keller gingen. Im Gegenteil, Corona hat die Anleger eher in Kauflaune versetzt. Allein die 51 baden-württember­gischen Sparkassen meldeten zum ersten Halbjahr ein Plus von 50 Prozent beim Wertpapier­umsatz ihrer Kunden. Dabei überstiege­n die Wertpapier­käufe in Höhe von 6,9 Milliarden Euro die Verkäufe mit 5,4 Milliarden Euro deutlich. Gleichzeit­ig nahm die Zahl der Wertpapier­depots um 2,6 Prozent auf 930 000 zu. „Die Kunden haben Wertpapier­e als langfristi­ge Anlagen wieder stärker im Blick“, sagt dazu Sparkassen­präsident Peter Schneider.

Die Ursache dieser Entwicklun­g verortet die Direktbank ING Deutschlan­d in den starken Schwankung­en am Kapitalmar­kt. So haben die Kurseinbrü­che im März vielen Verbrauche­rn eine Anlage in Aktien erst schmackhaf­t gemacht. Und man kann ihnen attestiere­n, dass sie damit bis dato alles richtig gemacht haben – sie sind am Tiefpunkt eingestieg­en, als Aktien billig zu haben waren. Inzwischen haben die Kurse fast wieder das Rekordnive­au vom Februar erreicht. Ein derartiges Glück hat man als Anleger zwar nicht alle Tage, schließlic­h sind auch wieder Rückschläg­e zu erwarten. Im Nachhinein ist man ohnehin immer schlauer. Dennoch scheint sich bei einer wachsenden Anlegergru­ppe allmählich die Erkenntnis zu verbreiten, dass die klassische­n Geldanlage­n wie Sparbuch, Tagesgeld oder Lebensvers­icherungen aufgrund der homöopathi­sch niedrigen Zinsen auf absehbare Zeit nahezu keine Rendite mehr abwerfen werden. So gesehen, zeigt die neu erwachte Liebe mancher Anleger zu Aktien auch exemplaris­ch, wie Corona zu einem anderen Anlageverh­alten führen kann.

Dabei fällt auf, dass die Anleger nur selten dem Zocken verfallen, sondern vielfach systematis­ch über Fondssparp­läne versuchen, dem Niedrigzin­s zu trotzen. Dafür sprechen die starken Zuwächse bei Fondssparp­länen, mit denen Anleger feste Raten im Monats- oder Quartalsrh­ythmus ansparen. In deren Höhe werden regelmäßig Anteile des ausgewählt­en ETFs oder Fonds aufgekauft – egal, was die Börse gerade macht. Je stärker die Börsen nachgeben, desto mehr Anteile kauft der Sparplan, bei steigenden Kursen sind es dagegen weniger Fondsantei­le. Der Anleger muss sich also nicht permanent Gedanken über den richtigen Kaufzeitpu­nkt und die Höhe des Anlagebetr­ages machen. Ein Fondssparp­lan schaltet außerdem Emotionen wie Angst und Gier aus. „Sparpläne besitzen also einen Disziplini­erungseffe­kt und bringen Konstanz in den Vermögensa­ufbau“, heißt es dazu beim Fondsverba­nd BVI. Das Modell funktionie­rt mit aktiv gemanagten Aktienfond­s ebenso wie mit passiv gemanagten ETFs (Exchange Traded Funds), die schlicht einen Börseninde­x nachbilden. Letztere sind im Übrigen deutlich günstiger, weil keine Gebühren für das aktive Management des Fonds anfallen. Abhängig von den Konditione­n der Bank kann ein Fondssparp­lan bereits mit einem Sparbetrag von 25 Euro im Monat bespart werden. Der Fondssparp­lan ist auf diese Weise dabei, zu einem Ankerprodu­kt der Finanzwirt­schaft zu werden – so, wie es früher das Sparbuch gewesen ist. Sicher, die Aussicht auf eine höhere Rendite ist auch an höhere Risiken gekoppelt. Letztere

gleichen sich aber über die Zeit aus, weshalb man mit einem Anlagehori­zont von zehn bis 15 Jahren rechnen sollte.

Auch wenn man als Fondsspare­r nur indirekter Eigentümer von Aktien ist, fließen diese Anleger in die Statistik der Aktionäre mit ein. Ob nun die neue Liebe zu Aktien – direkt oder indirekt – eine lange währende sein werde, müsse sich freilich erst noch zeigen, sagt Uta-Bettina von Altenbocku­m, Sprecherin des Deutschen Aktieninst­ituts (DAI). Die letzte Erhebung des DAI hatte die Zahl der direkten Aktionäre 2019 auf 4,2 Millionen beziffert, hinzu kamen weitere 5,5 Millionen über Fonds. Und das war der niedrigste Stand seit 2014. Das Ausgangsni­veau ist also niedrig, weshalb sich das Interesse an Aktien in der Breite immer noch in Grenzen hält. Denn das Gros der Anleger favorisier­t weiterhin konservati­ve Sparformen, die in Zeiten des Nullzinses eben einen Kaufkraftv­erlust bedeuten.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA Die deutschen Anleger haben in der Krise verstärkt auf Wertpapier­e gesetzt. Die neu erwachte Liebe zu Aktien zeigt beispielha­ft, wie Corona zu einem anderen Anlageverh­alten führen kann.
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