Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Fortbestand der KMK Metallwerke hängt am seidenen Faden
Alle Mitarbeiter des Kirchberger Unternehmens wurden entlassen – Was das mit der Gründung eines Betriebsrats zu tun hat
KIRCHBERG - Überleben die KMK Metallwerke? Diese Frage ist nach wie vor offen. Doch mittlerweile haben die Bemühungen, einen Investor zu finden, der das insolvente Kirchberger Traditionsunternehmen übernimmt, einen herben Rückschlag erlitten. Wie Insolvenzverwalter Matthäus Rösch berichtet, kam eine Einigung mit einem Investor, mit dem die Verhandlungen schon recht weit gediehen waren, nicht zustande. „Er hat den Beschäftigten einen Arbeitsvertrag vorgelegt. Doch diesen haben viele nicht unterschrieben“, sagt Rösch.
Dafür, dass viele der etwa 180 Beschäftigten mit dem neuen Arbeitsvertrag nicht einverstanden waren, hat Christian Velsink, Gewerkschaftssekretär der IG Metall Ulm, Verständnis. Er zählt die Verschlechterungen im neuen Vertrag auf: „Kein Urlaubs- und Weihnachtsgeld, zwei Stunden längere Wochenarbeitszeit, weniger Urlaub und Einkommenseinbußen von mindestens 500 Euro pro Monat. Und das dauerhaft und nicht befristet.“
Nachdem sich am vergangenen Mittwoch abzeichnete, dass nicht alle Mitarbeiter den neuen Vertrag unterschreiben und die Übernahme durch den Investor damit nicht zustande kommen würde, kam am Donnerstag die nächste Hiobsbotschaft. „In Abstimmung mit dem Gläubigerausschuss wurden alle Mitarbeiter gekündigt“, sagt Rösch. „Aus unserer Sicht war es unumgänglich, diesen Schritt zu gehen.“
Dass die Kündigung schon jetzt erfolgte und nicht erst später, begründet Rösch auch mit der Betriebsratswahl, die am kommenden
Montag stattfinden wird. Bisher gab es in dem Traditionsunternehmen keinen Betriebsrat. Doch der spielt bei Insolvenzen oder Stilllegungen von Betrieben eine wichtige Rolle. „Wenn sich kein Investor findet, verhandelt der Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat einen Sozialplan und die Abfindungen“, erläutert Velsink. „Doch wenn es keinen Betriebsrat gibt, gibt es auch keine Verhandlungen und keine Abfindungen oder Sozialplan.“Die Wahlen würden am Montag trotzdem stattfinden und ab Montag gebe es dann auch einen Betriebsrat
bei KMK, sagt Velsink. „Dieser muss dann an allen weiteren Schritten beteiligt werden.“Doch seine Befugnisse gelten nicht rückwirkend. „Die Entlassungen waren noch vor seiner Gründung“, sagt Velsink. Das bedeute, dass die KMKMitarbeiter keinen Anspruch auf Abfindungen hätten und kein Sozialplan ausgehandelt werden müsse. „Wenn sich kein Investor findet, sind die Mitarbeiter spätestens Ende Januar arbeitslos“, sagt Velsink. Er kritisiert, dass das Vorgehen zulasten der Arbeitnehmer gehe und die
Gläubiger bevorzuge: „Es geht um die Frage: Kriegen die Gläubiger mehr oder die Beschäftigten? So wie es jetzt ist, bekommen die Gläubiger was und die Beschäftigten gehen leer aus.“
Aus Sicht von Rösch stellt sich die Sache anders dar. „Ich muss den Gläubigern und dem Insolvenzgericht Rechenschaft ablegen. Meine Aufgabe ist es aufpassen, dass keine vermeidbaren Verbindlichkeiten entstehen.“Abfindungen an die Mitarbeiter und die Finanzierung eines Sozialplans sind solche Verbindlichkeiten.
„Es gibt eine Deckelung der Abfindung auf zweieinhalb Monatsgehälter pro Arbeitnehmer. Bei so vielen Mitarbeitern sprechen wir da von einem siebenstelligem Betrag“, sagt Rösch. Das seien Kosten, die – wenn sich kein Investor finde – letztlich zulasten der Gläubiger gingen. In einem Aushang in der Firma begründet Rösch die Kündigung von allen Mitarbeiter mit „haftungsrechtlichen Gründen“. „Wenn ich die Gründung des Betriebsrats abgewartet hätte und keine Kündigungen ausgesprochen hätte, könnte ein Gläubiger mir das vorwerfen“, sagt Rösch.
Doch aus seiner Sicht hat die Betriebsratsgründung die Kündigungen nur beschleunigt, aber nicht verursacht. Als Ursache sieht der Insolvenzverwalter den Unterschied zwischen dem, was Investoren bereit sind zu bieten, und dem, was die Belegschaft sich vorstellt. „Die Erfahrungen der vergangenen Wochen haben gezeigt, dass die Diskrepanz zwischen den Anforderungen von Investoren und den Vorstellungen der Belegschaft sehr groß ist.“Für die Zukunft ist er in diesem Punkt auch wenig optimistisch. „Stand heute seh ich nicht, dass diese Diskrepanzen überwunden werden.“
In Gesprächen mit Mitarbeitern werden Ärger und Frustration deutlich. „Die Stimmung ist total mies“, sagt ein langjähriger KMK-Mitarbeiter im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“, der nicht namentlich genannt werden möchte. Neben den schlechten Konditionen im neuen Arbeitsvertrag kritisiert er den Druck, der auf die Beschäftigten ausgeübt worden sei, den Vertrag zu unterschreiben. „Ich habe den Vertrag am vergangenen Dienstag bekommen, am nächsten Tag zehn Uhr sollte ich ihn wieder unterschrieben abgeben. Ich hatte nicht einmal Zeit, den Vertrag von einem Rechtsanwalt prüfen zu lassen“, sagt der Mitarbeiter. „Es gab keine Verhandlungsmöglichkeit. Man hat uns die Pistole auf die Brust gesetzt.“
Ähnlich schildert es ein Kollege von ihm. „Der Insolvenzverwalter hat massiv Druck gemacht. Er hat zu uns gesagt: ,Wenn der Vertrag nicht zustande kommt, hat jeder zum 18. Oktober die Kündigung auf dem Tisch.’ Also einen Tag vor der Betriebsratswahl. Er wollte den Betriebsrat verhindern.“Die Verschlechterung im Verdienst im neuen Arbeitsvertrag gibt er mit 500 bis 700 Euro brutto pro Monat an.
Was beide langjährige KMK-Angehörige nicht verstehen können, ist, weshalb der Insolvenzverwalter genau diesem Investor den Vorzug gab. „Es waren mehrere Investoren da, das stimmt. Aber dieser hat aus unserer Sicht das beste Angebot abgegeben. Er hätte 135 Mitarbeiter übernommen. Die anderen hätten nur 80 oder 100 weiter beschäftigt und zudem noch einen geringeren Kaufpreis bezahlt“, sagt Rösch. Das Angebot des Investors sei auch in den Augen der Gläubiger akzeptabel gewesen.
Mit den Kündigungen hat der Insolvenzverwalter die sogenannte Ausproduktion eingeleitet. „Es ist im Prinzip eine geordnete Schließung. Es werden noch Aufträge abgearbeitet und man federt die Folgen für die Kunden ab“, sagt Rösch. Nach dem Ende der Ausproduktion kommt die Stilllegung. Der Insolvenzverwalter schließt nicht aus, dass, bevor es soweit ist, doch noch ein Investor übernimmt. „Die Verhandlungen laufen weiter“, sagt er.