Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Wo Unkraut zur Delikatesse wird
Eine kulinarische Reise in den Landkreis Bayreuth – Wirte bringen Wildkräuter auf den Tisch
karte von Brotzeit und Braten dominiert wird, gehört heute der Vergangenheit an.
„Ich liebe es, kreativ zu sein und zu experimentieren“, sagt Raab. Zusammen mit anderen Küchenchefs aus der Region hat er den Verein Essbares Fichtelgebirge gegründet und sich zum Wildkräuterkoch weitergebildet. „Meinen Gästen zu zeigen, wie vielseitig einsetzbar und gesund unsere Wildkräuter sind, das ist mein Anspruch“, sagt er. „Das wussten die Leute schon in vergangenen Jahrhunderten. Es sollte nicht in Vergessenheit geraten.“
Mit der Bezeichnung Kräuterdorf schmückt sich der staatlich anerkannte Erholungsort Nagel. Hier
es drei öffentliche Blumen- und Kräutergärten und ein „Haus der Kräuter“.
„Bei uns im Fichtelgebirge wachsen mehr als 1000 essbare Kräuter“, erzählt Erika Bauer während einer kleinen Wanderung rund um den Nagelsee. Ihr Blick fällt dabei auf Spitzwegerich, Schöllkraut, Johanniskraut und Schafgarbe.
Die zertifizierte Kräuterführerin hat viele Tipps für die Küche parat. „Die Kleine Braunelle schmeckt wie Spinat und lässt sich gut mit Zwiebel und Öl andünsten. Und Beifuß ist ein prima Würzkraut für deftigen Braten.“Ihren Gästen serviert die Kräuterkennerin im Anschluss auf der Terrasse beim Haus der Kräuter einen selbst gemachten „kleinen“Imbiss.
Von wegen klein. Es gibt Flammkuchen mit Frauenmantel, Wiesenbärenklau, Schafgarbe und Löwenzahn; Frischkäseaufstrich mit Giersch und Vogelmiere; Lachstatar mit Bärwurz und Sauerampfer. Nicht zu vergessen einen Wildkräuterquark, unter anderem mit Weidenröschen, Spitzwegerich und Kerbel. Das Mittagessen kann ausfallen.
Am späten Nachmittag steht dann eine pilzkundliche Führung auf dem Programm. „Temperatur und Feuchtigkeit haben gepasst, aber so ganz genau weiß man trotzdem nicht, warum es in unserer Region in diesem Jahr eine solche Pilzschwemme
gibt“, erklärt Kristina Schröter.
Die 34 Jahre alte, promovierte Biologin hat die Welt der Pilze zum Thema ihrer Doktorarbeit gemacht und weiß ganz genau, welche Pilze man sammeln darf und von welchen man die Finger lassen sollte. Es geht in ein kleines Wäldchen direkt neben dem Nagelsee.
Natürlich hat Schröter das richtige Messer mitgebracht und erklärt, wie man die Objekte der Begierde fachgerecht erntet. Lange suchen muss man wirklich nicht. Steinpilze, Maronen, Butterpilze, Birkenröhrlinge und andere köstliche Speisepilze finden sich überall. Und nach einer guten halben Stunde ist der mitgebrachte Weidenkorb zur Freude der Sammler bereits gut gefüllt.
Der Tag klingt bei einem Abendessen im Gasthof Puchtlers Deutscher Adler in Bischofsgrün aus. Er ist seit 100 Jahren in Familienbesitz.
Auch Thomas Puchtler ist Wildkräuterkoch und Mitglied im Verein Essbares Fichtelgebirge. Und auch er weiß, mit regionalen Produkten und mit viel Liebe zum Detail zu punkten. Heute empfiehlt er hausgemachte Nudeltaschen, gefüllt mit heimischen Wildkräutern, Steinpilzen und Ricotta-Käse, als Nachtisch dann Holunderblüteneis mit kandierten Vogelbeeren und Löwenzahnhonig. Wer kann dazu schon Nein sagen?