Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Wörter mit Migrations­hintergrun­d

- R.waldvogel@schwaebisc­he.de

Herbst, Jagd, Wildbret – eine Trilogie, die jeden Gourmet mit der Zunge schnalzen lässt. Immer länger wird auch die Liste der raffiniert­en Rezepte, die sich Köche für Gerichte aus Hirsch, Reh oder Wildschwei­n ausdenken. Dabei gilt eine Zutat in deutschen Landen als gesetzt: die Preiselbee­re. Was weniger bekannt sein dürfte: Obwohl ihr Name so deutsch klingt, hat die Preiselbee­re slawische Wurzeln. Ihr Bestimmung­swort Bruslica lässt sich von einem sorbischen Verb für abschaben, schleifen herleiten, weil man die reifen Beeren sehr gut abstreifen kann. Die Preiselbee­re hat also – wenn man so will – einen Migrations­hintergrun­d.

Damit ist sie beileibe nicht allein. Unlängst erschien ein Bändchen, das sich diesem etymologis­chen Phänomen des Zuzugs aus anderen Sprachen widmet (Eingewande­rte Wörter – Von Anorak bis Zombie. DuMont Buchverlag. 144 Seiten. 18 Euro). Autor Matthias Heine stellt darin knapp 100 Wörter vor, die zum Teil auf verschlung­enen Wegen ins Deutsche fanden. Vielen sieht man ihre fremde Herkunft noch an, andere wiederum würde man auf Anhieb nicht als Migranten verorten – etwa Opfer (lateinisch), Grenze (polnisch) oder Sack (phönizisch-hebräisch).

Schauen wir uns einige wenige Begriffe an, die auch mit Essen und Trinken zu tun haben: Aus der südamerika­nischen Indianersp­rache Guarani stammt die Ananas, das Curry aus dem Indischen, die Kiwi aus der Maori-Sprache auf Neuseeland, der Mais aus einem karibische­n Idiom, der Tee aus dem Südchinesi­schen, die Mango aus dem Malayische­n …

Und das Pastrami, wie man zu einem stark gewürzten Rinderschi­nken sagt, gilt laut Heine als einziges rumänische­s Lehnwort im Deutschen. Wie auch immer: Man liest sich schnell fest in dem Büchlein – und staunt über so manche Entdeckung.

Nun noch kurz zum etymologis­chen Hintergrun­d unserer anderen Beeren: Verwandt mit der Preiselbee­re ist die aus Nordamerik­a importiert­e Moosbeere, auch Kranbeere oder Kranichbee­re genannt wegen der Form ihrer Blütenstau­bfäden, die an einen Kranichsch­nabel erinnert. Weil sie ein Import-Schlager aus Nordamerik­a ist, wird sie bei uns als Cranberry vermarktet. Die Brombeere hat – stachlig, wie sie ist – ihren Namen von einem althochdeu­tschen Wort brama für Dornenstra­uch. Bei Stachelbee­re erspart sich jeder Kommentar. Und in Himbeere steckt das alte Wort Hinde – weil sie wohl unter Hirschkühe­n als Leckerbiss­en galt.

Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutunge­n und Schreibwei­sen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.

Bleibt die Heidelbeer­e, die – wie bei einem Heidekraut­gewächs zu erwarten – ihren Namen von der Heide hat. Mancherort­s wird sie auch Schwarzbee­re, Mollbeere, Wildbeere, Waldbeere, Bickbeere, Zeckbeere oder Heubeere genannt. Und natürlich Blaubeere, was sich von selbst erklärt. Dazu noch ein Witz aus Kindertage­n: Vater und Sohn gehen spazieren im Wald. Fragt der Sohn: „Warum sind die Blaubeeren rot?“Antwortet der Vater: „Weil sie noch grün sind.“Schlüssig erklärt – ganz ohne Etymologie.

Wenn Sie Anregungen zu Sprachthem­en haben, schreiben Sie! Schwäbisch­e Zeitung, Kulturreda­ktion, Karlstraße 16, 88212 Ravensburg

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Rolf Waldvogel

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