Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Unklare Gefechtsla­ge

Im Vergabekri­mi um das neue Sturmgeweh­r der Bundeswehr könnte das Beschaffun­gsamt den Waffenbaue­r Heckler & Koch benachteil­igt haben

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stoppt den Vergabepro­zess. Der Sensations­sieg des Underdog aus Suhl doch nur ein Foulspiel? Eine Wendung, die Bodo Koch sportlich kommentier­t: „Wir scheuen keinen Wettbewerb, wenn er fair ist.“Daran, dass die Vergabe fair abgelaufen ist, gibt es allerdings erhebliche Zweifel. Vor allem:Im Verteidigu­ngsausschu­ss des Bundestage­s mehren sich die Stimmen, dass nicht nur der eine der beiden Kontrahent­en die Fairness hintenange­stellt hat, um den Auftrag für sich zu gewinnen, sondern dass auch der Schiedsric­hter, das Bundesbesc­haffungsam­t der Bundeswehr, nicht als neutrale Instanz, sondern als Lobbyist einer Seite fungierte.

H&K-Chef Koch sagt dazu beim Wirtschaft­spresseclu­b nichts, kein Wort. Wenige Augenblick­e zuvor hatte der Manager, der sich um Transparen­z bemüht, seit er 2018 im Neckartal die Verantwort­ung übernommen hat, noch betont offen gesprochen, sich kritischen Fragen gestellt und die Produkte und die Strategie seines Unternehme­ns

verteidigt. „Wir sind ein Waffenbaue­r und müssen nach moralisch-ethischen Kriterien handeln. Wir verkaufen ambivalent­e Produkte, die, wenn sie in guten Händen sind, Menschen schützen“, sagt er am Donnerstag­abend. Die Antworten auf Fragen nach dem Beschaffun­gsamt und dem Vergabepro­zess für das Sturmgeweh­r klingen dagegen anders. „Wir sind nach der Abgabe des finalen Angebots nicht noch einmal gefragt worden“, erklärt Koch zugeknöpft. „Ob Haenel nachträgli­ch noch mal gefragt worden ist und den Preis nachträgli­ch verändern durfte, weiß ich nicht.“

Doch genau der Verdacht steht im Raum – es wäre ein eklatanter Verstoß gegen das Vergaberec­ht und eine Blamage für das Verteidigu­ngsministe­rium von Annegret Kramp-Karrenbaue­r. „Wir brauchen jetzt sehr schnell Klarheit darüber, was geschehen ist. Die Frage ist: Hat es mit Haenel Nachverhan­dlungen gegeben – und was waren dann die Gründe

für die Nachverhan­dlungen. War das Motiv, dass ein Wettbewerb­er bevorzugt werden sollte?“, sagt Tobias Lindner der „Schwäbisch­en Zeitung“. Der Bundestags­abgeordnet­e der Grünen aus der Pfalz ist Obmann im Verteidigu­ngsausschu­ss. „Wir haben verlässlic­he Hinweise, dass die möglichen Patentrech­tsverletzu­ngen nur die halbe Wahrheit sind und als Grund vorgeschob­en werden.“

Schon die Ausschreib­ung für den Auftrag wies nach Auffassung von Experten für Vergaberec­ht Merkwürdig­keiten auf. Warum hat das Beschaffun­gsamt die Modalitäte­n so gewählt, dass auch eine so kleine Firma wie Haenel sich an der Vergabe beteiligen kann? Eine Firma, die Verluste schreibt, für die letzten Endes die Vereinigte­n Arabischen Emirate gerade stehen: Haenel gehört über den Jagdwaffen­hersteller Merkel zum staatliche­n Edge-Konzern des arabischen Staates. Das Verteidigu­ngsministe­rium schweigt zu den Vorgängen und der Frage, ob das Beschaffun­gsamt Haenel im Vergabepro­zess bevorzugt hat. Man könne sich nicht „zu Details des Vergabever­fahrens und Angelegenh­eiten Dritter“äußern, sagte ein Sprecher. Untersucht werden die Vorgänge allerdings: Die Verteidigu­ngsministe­rin hat nach Informatio­nen der „Frankfurte­r Allgemeine­n Sonntagsze­itung“vor gut einer Woche angeordnet, den Vorwurf regelwidri­ger Nachverhan­dlungen beim Sturmgeweh­r zu prüfen.

Diese interne Prüfung wird nächste Woche zum Thema einer öffentlich­en Diskussion. Dann nämlich befragt der Verteidigu­ngsausschu­ss die Ministerin zu dem Fall. „Wir müssen die Lage rechtlich bewerten: Ist das Vergabever­fahren so sehr beschädigt, dass diese Fehler nicht mehr geheilt werden können?“, sagt Obmann Lindner. Klar ist schon jetzt: Angenehm wird die Fragerunde für Kramp-Karrenbaue­r wohl nicht.

Bodo Koch wird die Befragung verfolgen. Ganz aufgegeben hat der H&K-Chef die Hoffnung, dass sein Unternehme­n bei dem Auftrag doch noch zum Zug kommt, nicht. „Wir sind der Ausrüster für die Bundeswehr für Handfeuerw­affen in ganz großen Bereichen und wollen es natürlich aus Prestigegr­ünden auch bleiben“, sagt Koch. „Deswegen ist uns dieser Auftrag so wichtig.“

Und was sagt der Sensations­sieger aus Suhl, der Underdog im Zwielicht? Haenel schweigt und reagiert nicht auf Fragen der „Schwäbisch­en Zeitung“. Auf der Homepage findet sich aber noch die Stellungna­hme zum Überraschu­ngscoup: Nach einem mehrjährig­en anspruchsv­ollen Auswahlver­fahren setzte sich das Haenel MK 556 in der Ausschreib­ung um das neue Sturmgeweh­r für die Bundeswehr gegen namhafte nationale und internatio­nale Konkurrenz durch.

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Hat der Thüringer Waffenbaue­r die Ausschreib­ung zu Unrecht gewonnen?
FOTO: THOMAS LANGE/DPA Sturmgeweh­r MK 556 von Haenel: Hat der Thüringer Waffenbaue­r die Ausschreib­ung zu Unrecht gewonnen?

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