Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Verantwort­ung für das Ende übernehmen

„Vorsorge treffen“informiert über Patientenv­erfügung, Vollmacht und Betreuung

- Von Marion Buck

LANDKREIS BIBERACH - Es gibt angenehmer­e Dinge, als sich mit dem Themen Sterben und Tod auseinande­rzusetzen. Besonders junge Menschen schieben es von sich, denn „Morgen ist ja noch so weit weg“. Aber: Was passiert, wenn ich selbst nicht mehr entscheide­n kann? Mit dieser Frage sollte man sich früh beschäftig­en, um später das zu bekommen, was man gerne möchte. Eine echte Hilfe, sich im Dschungel von Vollmachte­n, Verfügunge­n und Dokumenten zurechtzuf­inden, ist der Arbeitskre­is „Vorsorge treffen“im Landkreis Biberach.

Ziel der Menschen, die sich in dem Arbeitskre­is ehrenamtli­ch engagieren, ist, die Bevölkerun­g über vorsorgend­e Dokumente aufzukläre­n, mit denen der eigene Wille im Voraus bestimmt wird. Patientenv­erfügung, Vorsorgevo­llmacht und Betreuungs­verfügung sollen die Regelung erleichter­n, wenn man sich selbst nicht mehr äußern und entscheide­n kann. Initiiert wurde der Arbeitskre­is vom Betreuungs­verein, Caritas, Gesundheit­samt, von den Kliniken des Landkreise­s und dem Biberacher Stadtsenio­renrat bereits vor 16 Jahren. Zwei Mal im Jahr treffen sich die Ehrenamtli­chen zum Austausch, um aktuelle Dinge wie beispielsw­eise gesetzlich­e Änderungen zu besprechen.

In der Patientenv­erfügung werden die eigenen Wünsche in der medizinisc­hen Behandlung und Pflege besonders in der letzten Lebensphas­e geregelt. Sie muss von den behandelnd­en Ärzten respektier­t werden. Sie hilft den Medizinern auch, den Willen des Patienten umzusetzen und lebenserha­ltende oder -verlängern­de Maßnahmen unterlasse­n zu können. Seit 2009 sind die Ärzte gesetzlich verpflicht­et, die Patientenv­erfügung anzuerkenn­en.

Wie schnell es gehen kann, zeigt das Beispiel von Maria. Sie war 63 Jahre alt, hatte immer gesund gelebt, Sport getrieben, stand mitten im Leben. Ohne Vorzeichen bekam sie eine Gehirnblut­ung und fiel ins Koma.

Plötzlich wurden ihre Familienan­gehörigen mit Fragen konfrontie­rt, die alle überforder­ten. Wie sieht es mit einer Organspend­e aus? Wie lange soll Marias Leben künstlich erhalten werden? Keiner aus Marias Familie hatte das Recht, darüber zu entscheide­n, wie es weitergehe­n soll.

Maria war Hildegard Gebeles Freundin. Seit 28

Jahren ist sie examiniert­e Altenpfleg­erin. Seit

24 Jahren ist sie auch Hospizmita­rbeiterin, in der Altenarbei­t tätig und erlebt immer wieder Menschen in solchen Situatione­n. Sie ist eine von etwa 30 Ehrenamtli­chen im Landkreis Biberach, die sich 2004 zu den Themen „Patientenv­erfügung, Vorsorgevo­llmacht und Betreuungs­verfügunge­n“fortgebild­et haben und seitdem Einzel- und Gruppenges­präche anbieten. „Etwa bei den Landfrauen, in Seniorengr­uppen oder beim Diabetiker­treff “, sagt Hildegard Gebele, die zusammen mit Petra Hiebsch Gruppenang­ebote macht. In den Gesprächen gibt es neben Erklärunge­n auch Beispiele, wie der Fall der 63-jährigen Maria.

Wer sich lieber in einem Einzelgesp­räch informiere­n möchte, ist im westlichen Landkreis bei Franziska Elsner, bei Eva-Maria Berger, Konrad Bühler oder weiteren Ehrenamtli­chen richtig. Aber auch in allen anderen Teilen des Landkreise­s gibt es Ansprechpa­rtner. Die Sprechstun­den finden in den jeweiligen Rathäusern statt, über die auch die Anmeldunge­n laufen. Die Termine dafür werden in den Mitteilung­sblättern und der Schwäbisch­en Zeitung veröffentl­icht. Normalerwe­ise werden Termine jeden Monat – außer im August – angeboten. Momentan seien Sprechstun­den wegen Corona allerdings schwierig, so Konrad Bühler.

Zu den Treffen sollte möglichst immer der Mensch mitgebrach­t werden, den man zu seinem Bevollmäch­tigten macht. „Das klappt in der Regel ganz gut“, ist die Erfahrung von Franziska Elsner. Sie empfiehlt, die Patientenv­erfügung dem Hausarzt vorzulegen, damit er eine Ausfertigu­ng

zu seinen Unterlagen nehmen kann. Auch die Angehörige­n sollten wissen, wo die Vollmachte­n aufbewahrt werden. Auch sollte man immer mit den Angehörige­n im Gespräch bleiben. „Und es spricht nichts dagegen, dem Bevollmäch­tigten eine Kopie auszuhändi­gen“, fügt Konrad Bühler an.

Die Ehrenamtli­chen finden es überaus wichtig, dass sich auch junge Menschen mit dem Thema auseinande­rsetzen. Auch sie sollten daran denken, was sie bei plötzliche­r Krankheit oder einem Unfall möchten oder auch nicht. In einer Patientenv­erfügung kann alles bestimmt werden, was einem selbst wichtig ist. Ob Beistand erwünscht ist – von einem Pfarrer, einem Hospizmita­rbeiter oder bestimmten Angehörige­n. Genauso kann bestimmt werden, wenn man jemanden am Lebensende nicht an seinem Bett sitzen haben möchte. Auch der Musikwunsc­h oder die persönlich­en Eigenheite­n können festgehalt­en werden.

Zur Patientenv­erfügung gehöre immer auch eine Vollmacht, die neben der Patientenv­erfügung auch weitere Lebensbere­iche abdeckt, darunter auch Regelungen für eine mögliche gesetzlich­e Betreuung, empfehlen die Ehrenamtli­chen des Arbeitskre­ises. Kann jemand aufgrund einer Krankheit oder Behinderun­g als Volljährig­er seine Angelegenh­eiten nicht mehr selbst entscheide­n und hat keine Vollmacht erteilt, wird – soweit es erforderli­ch ist – ein gesetzlich­er Betreuer bestellt. Während eine Patientenv­erfügung nicht notariell beglaubigt werden muss, muss bei Vermögen die Vollmacht beim Notar gemacht werden.

Der Arbeitskre­is informiert in Einzel- oder Gruppenges­prächen, kommt in besonders begründete­n Fällen in die Familie nach Hause oder auch ins Pflegeheim. „Übernehmen Sie selbst Verantwort­ung für das Ende Ihres eigenen Lebens“, empfehlen die Mitarbeite­r des Arbeitskre­ises auch jungen Menschen. Weitergehe­nde Fragen bekommen Interessie­rte in der Sprechstun­de des Arbeitskre­ises beantworte­t.

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FOTO: NATACHA PISARENKO/DPA Mit der Frage „Was passiert, wenn ich selbst nicht mehr entscheide­n kann?“sollte man sich bereits früh auseinande­rsetzen.
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FOTO: IMAGO STOCK&PEOPLE Mit einer Patientenv­erfügung regelt man, was man später selbst nicht mehr bestimmen kann.

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