Schwäbische Zeitung (Laupheim)

„Das ist schon fast wie eine Geheimspra­che“

„Dommele“, „Kirchenbau­er“, „Röhrenbart­le“: Volkhard Held entschlüss­elt die alten Namen der Häuser in Wain

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WAIN - Wenn es um die Geschichte Wains geht, führt an Volkhard Held fast kein Weg vorbei. Der gebürtige Wainer befasst sich seit Jahren mit der Historie und hat zum Beispiel die Urkunde gefunden, in der Wain erstmals erwähnt wurde. Momentan befasst er sich mit den alten Namen der Häuser und ihrer Geschichte. Im Interview mit Verena Pauer spricht der 76-jährige Rentner über ihre Bedeutung und Herkunft und seinen Kampf gegen das Vergessen.

SZ: Herr Held, warum haben Häuser in Wain Namen?

Held: Es gab früher in Wain sehr viele Leute mit gleichem Namen. Zum Beispiel haben auf 200 Metern drei Hans Walcher gelebt, die auch noch alle ungefähr im gleichen Alter waren. Hausnamen gab es deshalb vor allem, um die Leute zu unterschei­den. In meiner Jugend haben wir nur Hausnamen verwendet. Heute ist das in Vergessenh­eit geraten. Vor einigen Jahren habe ich mit meinem Onkel einen Rundgang durch den Ort gemacht. Er wusste Namen, die nicht einmal ich kannte. Deshalb habe ich angefangen, die alten Hausnamen zu sammeln. Jetzt habe ich ungefähr 140 Namen, die ich Häusern zuordnen kann.

Sind diese Namen eine Besonderhe­it von Wain?

Ich denke, das gibt es überall. Mir sind sie schon oft begegnet. Aber ich achte auch besonders darauf. Allerdings werden sie überall gleich behandelt. Sie sind in Vergessenh­eit geraten.

Wie sind diese Hausnamen entstanden?

Oft sind sie einem bestimmten Namen zuzuordnen und können auch eine Verballhor­nung des Namens sein. Ein Haus heißt zum Beispiel „Dommele“. Das hat nichts damit zu tun, dass da jemand Dummes gewohnt hätte, sondern das „Thomasle“, also der kleine Thomas. Das Haus „Hansmätte“hat seinen Namen von seinem Bewohner Hans Martin. Es gibt aber auch Häuser, deren Namen sind an Berufe oder Eigenschaf­ten angelehnt. Ein Beispiel ist das Haus „Röhrenbart­le“. Vor dem Haus stand ein Brunnen mit Röhren, aus denen Wasser floss. Diese Röhren hat Bartholomä­us, der Bewohner des Hauses, selbst hergestell­t.

Wie haben Sie die Namen herausgefu­nden?

Ich habe viel mit alten Bürgern geredet. Einige von ihnen leben heute gar nicht mehr. In der Dorfchroni­k habe ich auch einige gefunden. Viele hatte ich aber auch noch im Gedächtnis.

Der Stiftungsr­at der Wainer Michaelski­rche und der evangelisc­he Kirchengem­einderat haben vorgeschla­gen, Erklärtafe­ln an Häusern anzubringe­n. Was halten Sie von der Idee?

Ich habe im Wainer Mitteilung­sblatt gelesen, dass sie sich dafür interessie­ren. Sie können gerne vorbeikomm­en, wenn sie wollen. Ich möchte mich da nicht aufdrängen. Vielleicht brauchen sie mich aber auch nicht und stellen ihre eigenen Untersuchu­ngen an. Ich selbst sitze an einer Broschüre mit Bildern, die der Dorfchroni­k zugeordnet werden kann. Bürgermeis­ter Stephan Mantz weiß auch von dem Projekt. Außerdem finde ich eine Broschüre mit Bild vom Haus und Erklärtext besser als Schilder an den Häusern. Natürlich kann jeder, der will, an seinem Haus selbst ein Schild anbringen. Aber die Erklärung braucht man zum Verständni­s auch. Hausnamen wurden geändert oder vertauscht. So ist zum Beispiel das Haus „Kirchenbau­er“nicht der original Kirchenbau­er. Das Haus, an dem heute das alte Rathaus steht, trug früher diesen Namen. Als es abgerissen wurde, hat der Nachbar den Namen übernommen.

Werden diese Namen heute gar nicht mehr genutzt?

Ein paar Alteingese­ssene benutzen sie schon noch. Die meisten Zugezogene­n haben ja keinen Zugang dazu. Das ist manchmal schon fast wie eine Geheimspra­che. Aber viele wissen auch bestimmte Namen nicht mehr. So ging es mir auch. Dann habe ich mit Leuten gesprochen, die das wissen könnten, und habe es wieder rausgefund­en. Deswegen mache ich das ja. Die Namen sollen nicht komplett in Vergessenh­eit geraten. Mich interessie­ren die alten Geschichte­n. Das ist mein Hobby. Ich glaube, niemand in Wain weiß mehr über die Geschichte als ich. Es ist wichtig, sich damit auseinande­rzusetzen.

Wie weit sind Sie denn mit dem Projekt?

Es gibt Häuser, bei denen ich noch keinen Hausnamen herausgefu­nden habe. Bei einigen alten Höfen gibt es aber auch keinen Namen. Ein Beispiel ist da der „Bühler Hof“. Warum der keinen Namen hat, weiß ich nicht. „Bühler“ist einfach der Name der Familie, die dort wohnt. Ich glaube, dass ich keine Namen mehr finden werde. Bei zwei oder drei ist zwar der Name bekannt, aber die Häuser lassen sich nicht mehr finden. Niemand weiß mehr, wo die gestanden haben, oder ich persönlich habe sie trotz großer Bemühungen nicht gefunden. Im Moment bin ich dabei, meine Ergebnisse aufzuarbei­ten, also die Texte zu schreiben und den Häusern und Bildern zuzuordnen. Ich bringe sie also in die richtige Form zur Veröffentl­ichung.

 ?? FOTO: ROLAND RAY ?? Volkhard Held vor dem Gebäude Hörenhause­r Straße 26 in Wain-Auttagersh­ofen. Sein Vater Albert Held wurde hier geboren. Das Haus trägt den Namen „Maderhof“. Der Ursprung sei nicht genau geklärt, sagt Held. Überliefer­ungen zufolge war ein früherer Bewohner sehr geschickt im Mähen.
FOTO: ROLAND RAY Volkhard Held vor dem Gebäude Hörenhause­r Straße 26 in Wain-Auttagersh­ofen. Sein Vater Albert Held wurde hier geboren. Das Haus trägt den Namen „Maderhof“. Der Ursprung sei nicht genau geklärt, sagt Held. Überliefer­ungen zufolge war ein früherer Bewohner sehr geschickt im Mähen.

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