Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Ein Boden, der alle tragen soll
Aktivistin Susanne Wiest stellt im Petitionsausschuss ihre Idee für ein bedingungsloses Grundeinkommen vor
BERLIN - Weil die Zahl der CoronaInfizierten wieder steigt, fürchten viele Firmen und Geschäfte, dass sie erneut schließen müssen. Hunderttausende Kulturschaffende, Konzertveranstalter und Selbstständige verdienen bereits seit März kaum Geld. Da passte es gut, dass am Montag Susanne Wiest ihren Vorschlag für die „Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens“für alle Bundesbürger im Petitionsausschuss des Bundestag vorstellen konnte.
„Viele Menschen fallen bei den Corona-Hilfsmaßnahmen der Regierung durch das Raster“, erklärte die Aktivistin, die seit Jahren für das Grundeinkommen kämpft. „Wir müssen unserer Gesellschaft einen Boden einziehen, der alle trägt.“Im runden Anhörungssaal, unter dessen Fenstern die leeren Ausflugsschiffe auf der Spree entlangfahren, plädierte sie dafür, das Grundeinkommen „kurzfristig und zeitlich begrenzt, aber solange wie notwendig“einzuführen. Gut 176 000 Personen haben ihre Petition unterzeichnet, auf diversen Plattformen kamen während der vergangenen Monate über eine Million Unterschriften für die angedachte Sozialleistung zusammen.
Die Bundesregierung hat zwar Hunderte Milliarden teure CoronaHilfsprogramme aufgelegt, doch viele Selbstständige und kleine Firmen profitieren tatsächlich kaum davon. Meist darf das Geld nur für Betriebsausgaben, nicht aber für den persönlichen Lebensunterhalt verwendet werden. Diese Lücke haben Union und SPD inzwischen bemerkt, weshalb Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) diskutieren, ob sie vorübergehend eine Art staatlichen Unternehmerlohn einführen sollen.
Zur Unterstützung brachte sich Wiest den Freiburger Wirtschaftsprofessor Bernhard Neumärker mit. Der erklärte, wie man ein KrisenGrundeinkommen für alle Erwachsenen in Höhe von zunächst 550 Euro pro Monat quasi sofort umsetzen könnte. Es sei nicht kompliziert, vorhandene Sozialleistungen wie Hartz IV und einen Teil der Corona-Programme umzuwidmen. Das Geld zur Finanzierung des Grundeinkommens sei vorhanden, so Neumärker.
Während Katja Kipping, Parteichefin der Linken, und Beate MüllerGemmeke von den Grünen wohlwollend nachfragten, äußerten sich die Abgeordneten von Union, SPD, FDP, AfD und der Vertreter des Wirtschaftsministeriums kritisch. Pascal Kober, sozialpolitischer Sprecher der FDP betonte, auch er erhielte mit dem Grundeinkommen quasi eine „Diätenerhöhung“, die er gar nicht brauche. Susanne Wiest antwortete, wohlhabende Bürger könnten das Geld ja freiwillig an den Staat zurückspenden. Das Krisen-Grundeinkommen sei erstmal ein Übergangsmodell, um die Corona-Zeit zu überstehen. Danach ließe sich das System so organisieren, dass Leute mit hohen Einkommen und Vermögen die Sozialleistung mittels höherer Steuersätze automatisch zurückzahlten.
Die Diskussion im Petitionsausschuss wirft ein Licht auf das weitere Verfahren. Grundsätzlich muss der Ausschuss die Eingaben samt einer positiven oder negativen Empfehlung an das Plenum des Bundestages weiterleiten. Im Falle des Grundeinkommens könnte eher das Zweite passieren. Wenn es für Susanne Wiest und ihre Unterstützer gut läuft, kommt es aber immerhin zu einer Aussprache im Parlament, wodurch das Thema mehr öffentliche Bedeutung erhielte – und eine Startrampe für die nächsten Schritte der Kampagne.