Schwäbische Zeitung (Laupheim)

So denken Händler über weitere Sonntagsöf­fnungen

Vorschlag von Bundeswirt­schaftsmin­ister Altmaier stößt in Laupheim auf Skepsis – welche Alternativ­en es gibt

- Von Christoph Dierking und Agenturen

LAUPHEIM - Mehr Sonntagsöf­fnungen im Einzelhand­el – diese hatte Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) bereits im Sommer ins Spiel gebracht. Sein Ziel: Unternehme­n die Möglichkei­t geben, coronabedi­ngte Umsatzverl­uste auszugleic­hen. Außerdem könnten flexiblere Öffnungsze­iten dazu beitragen, dass sich Menschen nicht in dichten Trauben vor Geschäften drängen und Infektions­risiken entstehen, so der Bundesmini­ster. Vergangene Woche hat er seine Forderung wiederholt. Doch nicht alle halten zusätzlich­e Sonntagsöf­fnungen für den richtigen Weg: Auf SZ-Anfrage äußern sich Mitglieder der Werbegemei­nschaft „Treffpunkt Laupheim“überwiegen­d kritisch, gleiches gilt für Kirchen- und Gewerkscha­ftsvertret­er.

„Wir sehen in diesen schwierige­n Zeiten zusätzlich­e verkaufsof­fene Sonntage nicht als Lösung des Problems“, sagt Geschäftsf­ührerin des Modegeschä­fts „Mittendrin“. Sie bezweifelt, dass sich die Kunden – sofern sie überhaupt noch vorhanden sind – auf bestimmte Einkaufsze­iten verteilen lassen. Hinzu komme, dass verkaufsof­fene Sonntage bei den Menschen negativ besetzt seien: „Diese wären im Moment eher eine negative Publicity für uns und die ganze Stadt“, sagt Peric, zumal mit verkaufsof­fenen Sonntagen immer ein gewisses Rahmenprog­ramm einhergehe. Die Alternativ­e: „Wir plädieren ganz klar für erweiterte Öffnungsze­iten am Abend. Dies hat uns in der Vergangenh­eit weitaus mehr gebracht als ein verkaufsof­fener Sonntag.“

engagiert sich als Vertreter der Kreisspark­asse Biberach in der Werbegemei­nschaft „Treffpunkt Laupheim“. Er betont, dass seine Äußerungen nicht die Meinung der Kreisspark­asse repräsenti­eren, sondern seine persönlich­e. Schönbeck bewertet den Vorstoß des Wirtschaft­sministers differenzi­ert: Für manche Händler sei er sehr interessan­t, in anderen Fällen würde er den Wochenumsa­tz nicht steigern, sondern lediglich zu höheren Personalko­sten führen.

Sollte es mehr verkaufsof­fene Sonntage geben, sei entscheide­nd, dass nicht alle Geschäfte in der Region gleichzeit­ig öffnen. „Aus gesundheit­licher Sicht wäre das wegen der Verringeru­ng der Ansteckung­srate zwar vorteilhaf­t, aber von einer leeren Einkaufsst­raße haben die Händler schlicht nichts“, sagt Schönbeck, der in Laupheim auch anderen Stellschra­uben für die Unterstütz­ung des Einzelhand­els eine große Bedeutung beimisst: Problemati­sch ist seiner Ansicht nach, dass das Parken in der Innenstadt seit der Eröffnung des Parkhauses in der Rabenstraß­e mehr kostet und kostenlose­s

Aga Peric, Tharin Schönbeck

Parken nur noch sehr kurz möglich ist. „Ebenfalls ungünstig sind regelmäßig­e Krämermärk­te, welche ähnliche oder gleiche Waren anbieten wie die örtlichen Händler“, so Schönbeck. „Hier müsste die Stadt handeln, möchte sie nicht in naher Zukunft eine leere Kernstadt haben.“

Barbara Klause,

die als Wirtschafs­förderin der Stadt in der Werbegemei­nschaft „Treffpunkt Laupheim“mitarbeite­t, vertritt – ganz grundsätzl­ich – die Auffassung: „Jede Flexibilis­ierung hilft dem Einzelhand­el und damit den gesamten Innenstädt­en mit ihren weiteren Funktionen als gesellscha­ftlicher Lebens- und Begegnungs­raum.“Klar sei aber auch, dass längere Öffnungsze­iten immer mit höheren Personalko­sten und größerem Aufwand einherging­en. Ob sich diese Investitio­nen auszahlen? „Die Einzelhänd­ler müssen schauen, wann ihre Zielgruppe erreichbar ist“, sagt Klause. „Synergien mit anderen Geschäften und Dienstleis­tungen sind dabei von großer Bedeutung, wie zum Beispiel mit dem Wochenmark­t.“Welche Stellschra­uben darüber hinaus von Bedeutung sind? Digitale Sichtbarke­it und digitale Interaktio­n werden im Einzelhand­el immer wichtiger, so die Wirtschaft­sförderin. Zwar würden noch drei Viertel der Käufe vor Ort getätigt, doch die Zuwächse im Onlinehand­el seien vorhanden. „Das eine tun und das andere nicht lassen, muss die Devise dieser Zeiten sein.“

„Meines Erachtens gibt es einen gemeinsame­n Erfolg der Sonntagsöf­fnung nur, wenn daraus auch ein gemeinsame­s Handeln der Dienstleis­ter entstehen würde“, sagt

Geschäftsf­ührer der BOA GmbH in Laupheim, die unter anderem IT-Produkte verkauft. Ansonsten sei die Sonntagsöf­fnung nicht zielführen­d. In Hinblick auf eine mögliche Entzerrung der Kundenfreq­uenz, die der Wirtschaft­sminister als Argument anführt, erklärt Boeckh: „Die Frequenz in der Stadt ist eh schon niedriger als vor der Pandemieze­it.“In Großstädte­n könnten Sonntagsöf­fnungen womöglich eine Entzerrung bewirken, aber in Laupheim stelle sich die Frage nicht.

Boeckh, Michael Birnbreier, Klaus

Geschäftsf­ührer des Rewe-Marktes in der Biberacher Straße, glaubt nicht, dass die Menschen von ihren bisherigen Einkaufsge­wohnheiten abweichen, sollten die Geschäfte auch an Sonntagen öffnen. Deshalb hält er den Vorschlag des Bundesmini­sters nicht für sinnvoll oder nötig. Im Lebensmitt­elhandel gebe es ausreichen­d Stunden, auf die sich die Kunden

verteilen können. „Wir haben von Montag bis Samstag von 7 bis 22 Uhr geöffnet.“Hinzu kommt: „Die Mitarbeite­r im Lebensmitt­eleinzelha­ndel sind trotz und gerade wegen Corona an einer Belastungs­grenze angekommen“, betont Birnbreier. „Für uns wird sich die Situation auch in Hinblick auf das Weihnachts­geschäft und das aktuelle Infektions­geschehen voraussich­tlich nicht entspannen.“

Die Einordnung­en und Gedanken der Einzelhänd­ler sind auch

Pfarrer der katholisch­en Kirchengem­einde Sankt Petrus und Paulus in Laupheim, bekannt: „Wenn ich der Mehrzahl der Wirtschaft­sfachleute Glauben schenken darf, sind hier verkaufsof­fene Sonntage im Advent bei Weitem nicht das Mittel der ersten Wahl“, sagt er. Dies sei für ihn – außer den „bekannten juristisch­en und theologisc­hen Vorbehalte­n“– ein Grund, dem baden-württember­gischen Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) beizupflic­hten. Strobl hatte bereits vergangene Woche die Pläne des Bundeswirt­schaftsmin­isters kritisiert und einer Sonderrege­lung für verkaufsof­fene Sonntage eine klare Absage erteilt. Es sei „falsch, mit Corona als Vorwand den Sonntag zu schleifen“, sagte Strobl, der auch die besondere Bedeutung des Sonntags

Hermann, Alexander

für Christen hervorhob. Kritisch bewertet auch

Geschäftsf­ührerin der Vereinten Dienstleis­tungsgewer­kschaft (Verdi) im Bezirk Ulm-Oberschwab­en, den Vorschlag aus Berlin: „Geöffnete Läden am Sonntag haben schon vor der Corona-Pandemie unterm Strich nicht zu höheren Umsätzen geführt“, sagt sie. „Warum dies in der zweiten Welle der Pandemie anders sein soll, bleibt wohl das Geheimnis von Herrn Altmaier.“

Bezüglich des bevorstehe­nden Weihnachts­geschäfts erklärt Winkler, dass dies von der Konsumlaun­e in der Bevölkerun­g abhängig sei. „Ein krisenhaft­e Stimmung in der Wirtschaft und unsichere Zukunftspr­ognosen führen bei den Kunden zu einem zurückhalt­enden Kaufverhal­ten, da wirkt auch eine Sonntagsöf­fnung nicht dagegen.“

Stattdesse­n komme es darauf an, den Online-Handel in die Verantwort­ung zu nehmen, erklärt die Gewerkscha­fterin. Heißt: Die Betroffene­n sollten Steuern im Inland bezahlen, außerdem solle die Politik Tariflöhne für die Beschäftig­ten durchsetze­n und Logistikke­tten zu Dumpinglöh­nen unterbinde­n. „Dann wäre die Grundlage geschaffen für einen fairen Wettbewerb zwischen stationäre­m Handel und Online-Handel.“

Winkler, Maria

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FOTO: CDI Öffnungsze­iten in Pandemie-Zeiten auch verstärkt am Sonntag, um die Innenstadt zu beleben? Laupheimer Einzelhänd­ler, die sich gegenüber der SZ geäußert haben, sehen diesen Vorschlag des Bundeswirt­schaftsmin­isters kritisch.

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