Schwäbische Zeitung (Laupheim)
So denken Händler über weitere Sonntagsöffnungen
Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Altmaier stößt in Laupheim auf Skepsis – welche Alternativen es gibt
LAUPHEIM - Mehr Sonntagsöffnungen im Einzelhandel – diese hatte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bereits im Sommer ins Spiel gebracht. Sein Ziel: Unternehmen die Möglichkeit geben, coronabedingte Umsatzverluste auszugleichen. Außerdem könnten flexiblere Öffnungszeiten dazu beitragen, dass sich Menschen nicht in dichten Trauben vor Geschäften drängen und Infektionsrisiken entstehen, so der Bundesminister. Vergangene Woche hat er seine Forderung wiederholt. Doch nicht alle halten zusätzliche Sonntagsöffnungen für den richtigen Weg: Auf SZ-Anfrage äußern sich Mitglieder der Werbegemeinschaft „Treffpunkt Laupheim“überwiegend kritisch, gleiches gilt für Kirchen- und Gewerkschaftsvertreter.
„Wir sehen in diesen schwierigen Zeiten zusätzliche verkaufsoffene Sonntage nicht als Lösung des Problems“, sagt Geschäftsführerin des Modegeschäfts „Mittendrin“. Sie bezweifelt, dass sich die Kunden – sofern sie überhaupt noch vorhanden sind – auf bestimmte Einkaufszeiten verteilen lassen. Hinzu komme, dass verkaufsoffene Sonntage bei den Menschen negativ besetzt seien: „Diese wären im Moment eher eine negative Publicity für uns und die ganze Stadt“, sagt Peric, zumal mit verkaufsoffenen Sonntagen immer ein gewisses Rahmenprogramm einhergehe. Die Alternative: „Wir plädieren ganz klar für erweiterte Öffnungszeiten am Abend. Dies hat uns in der Vergangenheit weitaus mehr gebracht als ein verkaufsoffener Sonntag.“
engagiert sich als Vertreter der Kreissparkasse Biberach in der Werbegemeinschaft „Treffpunkt Laupheim“. Er betont, dass seine Äußerungen nicht die Meinung der Kreissparkasse repräsentieren, sondern seine persönliche. Schönbeck bewertet den Vorstoß des Wirtschaftsministers differenziert: Für manche Händler sei er sehr interessant, in anderen Fällen würde er den Wochenumsatz nicht steigern, sondern lediglich zu höheren Personalkosten führen.
Sollte es mehr verkaufsoffene Sonntage geben, sei entscheidend, dass nicht alle Geschäfte in der Region gleichzeitig öffnen. „Aus gesundheitlicher Sicht wäre das wegen der Verringerung der Ansteckungsrate zwar vorteilhaft, aber von einer leeren Einkaufsstraße haben die Händler schlicht nichts“, sagt Schönbeck, der in Laupheim auch anderen Stellschrauben für die Unterstützung des Einzelhandels eine große Bedeutung beimisst: Problematisch ist seiner Ansicht nach, dass das Parken in der Innenstadt seit der Eröffnung des Parkhauses in der Rabenstraße mehr kostet und kostenloses
Aga Peric, Tharin Schönbeck
Parken nur noch sehr kurz möglich ist. „Ebenfalls ungünstig sind regelmäßige Krämermärkte, welche ähnliche oder gleiche Waren anbieten wie die örtlichen Händler“, so Schönbeck. „Hier müsste die Stadt handeln, möchte sie nicht in naher Zukunft eine leere Kernstadt haben.“
Barbara Klause,
die als Wirtschafsförderin der Stadt in der Werbegemeinschaft „Treffpunkt Laupheim“mitarbeitet, vertritt – ganz grundsätzlich – die Auffassung: „Jede Flexibilisierung hilft dem Einzelhandel und damit den gesamten Innenstädten mit ihren weiteren Funktionen als gesellschaftlicher Lebens- und Begegnungsraum.“Klar sei aber auch, dass längere Öffnungszeiten immer mit höheren Personalkosten und größerem Aufwand einhergingen. Ob sich diese Investitionen auszahlen? „Die Einzelhändler müssen schauen, wann ihre Zielgruppe erreichbar ist“, sagt Klause. „Synergien mit anderen Geschäften und Dienstleistungen sind dabei von großer Bedeutung, wie zum Beispiel mit dem Wochenmarkt.“Welche Stellschrauben darüber hinaus von Bedeutung sind? Digitale Sichtbarkeit und digitale Interaktion werden im Einzelhandel immer wichtiger, so die Wirtschaftsförderin. Zwar würden noch drei Viertel der Käufe vor Ort getätigt, doch die Zuwächse im Onlinehandel seien vorhanden. „Das eine tun und das andere nicht lassen, muss die Devise dieser Zeiten sein.“
„Meines Erachtens gibt es einen gemeinsamen Erfolg der Sonntagsöffnung nur, wenn daraus auch ein gemeinsames Handeln der Dienstleister entstehen würde“, sagt
Geschäftsführer der BOA GmbH in Laupheim, die unter anderem IT-Produkte verkauft. Ansonsten sei die Sonntagsöffnung nicht zielführend. In Hinblick auf eine mögliche Entzerrung der Kundenfrequenz, die der Wirtschaftsminister als Argument anführt, erklärt Boeckh: „Die Frequenz in der Stadt ist eh schon niedriger als vor der Pandemiezeit.“In Großstädten könnten Sonntagsöffnungen womöglich eine Entzerrung bewirken, aber in Laupheim stelle sich die Frage nicht.
Boeckh, Michael Birnbreier, Klaus
Geschäftsführer des Rewe-Marktes in der Biberacher Straße, glaubt nicht, dass die Menschen von ihren bisherigen Einkaufsgewohnheiten abweichen, sollten die Geschäfte auch an Sonntagen öffnen. Deshalb hält er den Vorschlag des Bundesministers nicht für sinnvoll oder nötig. Im Lebensmittelhandel gebe es ausreichend Stunden, auf die sich die Kunden
verteilen können. „Wir haben von Montag bis Samstag von 7 bis 22 Uhr geöffnet.“Hinzu kommt: „Die Mitarbeiter im Lebensmitteleinzelhandel sind trotz und gerade wegen Corona an einer Belastungsgrenze angekommen“, betont Birnbreier. „Für uns wird sich die Situation auch in Hinblick auf das Weihnachtsgeschäft und das aktuelle Infektionsgeschehen voraussichtlich nicht entspannen.“
Die Einordnungen und Gedanken der Einzelhändler sind auch
Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde Sankt Petrus und Paulus in Laupheim, bekannt: „Wenn ich der Mehrzahl der Wirtschaftsfachleute Glauben schenken darf, sind hier verkaufsoffene Sonntage im Advent bei Weitem nicht das Mittel der ersten Wahl“, sagt er. Dies sei für ihn – außer den „bekannten juristischen und theologischen Vorbehalten“– ein Grund, dem baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl (CDU) beizupflichten. Strobl hatte bereits vergangene Woche die Pläne des Bundeswirtschaftsministers kritisiert und einer Sonderregelung für verkaufsoffene Sonntage eine klare Absage erteilt. Es sei „falsch, mit Corona als Vorwand den Sonntag zu schleifen“, sagte Strobl, der auch die besondere Bedeutung des Sonntags
Hermann, Alexander
für Christen hervorhob. Kritisch bewertet auch
Geschäftsführerin der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) im Bezirk Ulm-Oberschwaben, den Vorschlag aus Berlin: „Geöffnete Läden am Sonntag haben schon vor der Corona-Pandemie unterm Strich nicht zu höheren Umsätzen geführt“, sagt sie. „Warum dies in der zweiten Welle der Pandemie anders sein soll, bleibt wohl das Geheimnis von Herrn Altmaier.“
Bezüglich des bevorstehenden Weihnachtsgeschäfts erklärt Winkler, dass dies von der Konsumlaune in der Bevölkerung abhängig sei. „Ein krisenhafte Stimmung in der Wirtschaft und unsichere Zukunftsprognosen führen bei den Kunden zu einem zurückhaltenden Kaufverhalten, da wirkt auch eine Sonntagsöffnung nicht dagegen.“
Stattdessen komme es darauf an, den Online-Handel in die Verantwortung zu nehmen, erklärt die Gewerkschafterin. Heißt: Die Betroffenen sollten Steuern im Inland bezahlen, außerdem solle die Politik Tariflöhne für die Beschäftigten durchsetzen und Logistikketten zu Dumpinglöhnen unterbinden. „Dann wäre die Grundlage geschaffen für einen fairen Wettbewerb zwischen stationärem Handel und Online-Handel.“
Winkler, Maria