Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ein wütendes Mädchen, Symbol der Rechtsextr­emen

Packendes Jugendstüc­k am Theater Ulm

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ULM (anbr) - Das Smartphone hat als ständig greifbares Kommunikat­ionsmittel mit immer griffberei­ter Kamera unsere Gesellscha­ft verändert wie kaum eine andere Erfindung. Mit dem Jugendthea­terstück „Pink Guerilla“hat sich Autor Daniel Ratthei dieses Themas angenommen. Schauspiel­erin Nicola Schubert ist dafür in die Monolog-Rolle der 16-jährigen Sunny geschlüpft und glänzte bei der Uraufführu­ng im Podium des Theaters Ulm.

Eine Partynacht hat das Leben der Jugendlich­en verändert: Sie wurde Opfer eines sexuellen Übergriffs. Sunny filmt ihre Flucht und stellt die Bilder ins Internet: „Das Handy wird zum Auge“, sagt sie und wird bald von den Klickzahle­n auf den sozialen Netzwerken überwältig­t. Sunny lässt sich auf breiter Plattform über die sexuelle Gewalt von Migranten aus und schildert ihre Angst vor Zuwanderer­n. Ihre Follower schreien nach immer mehr polarisier­ter Meinung.

Sunny polemisier­t über die Rufe des Muezzins, die bald in unseren Städten zu hören sein sollen, oder befürchtet, dass in Zukunft keine blonden Kinder mehr auf den Spielplätz­en zu sehen sind. Mit polemische­n Fragen spitzt sie die Diskussion zu: „Gegen Schweißfüß­e gibt es Einlegesoh­len und gegen Mundgeruch Kaugummi – aber was gibt gegen Vergewalti­gungen?“Für Sunny zählen nur die Daumen der Abonnenten, ob nach oben oder unten gerichtet. Jeder Kommentar wird zur Trophäe. Dies alles geschieht abseits des behüteten Elternhaus­es und als die Familie von der zweifelhaf­ten Karriere ihrer

Tochter erfährt, ist es bereits zu spät: Sunny ist zur Symbolfigu­r rechtsradi­kaler Mädchen im Internet geworden.

Am Ende lässt das Stück den Zuschauer mit der Frage nach der Schuld an der Katastroph­e im Ungewissen. Ist Sunny nur ein rebellisch­er Teenager, der im Affekt redet, oder ist sie als Opfer zum Spielball der Community zwischen Hass und Verehrung geworden? Immer wieder lässt der Autor Motive aus der griechisch­en Mythologie einfließen, wenn er seine Protagonis­ten etwa vom „Freispruch als hölzernes Pferd“sprechen lässt oder wenn das Handy nach Apollon, dem Gott der Weissagung, benannt ist. Selbst der Name Sunny ist der Kassandra als tragische Heldin entlehnt.

In Zusammenar­beit mit der Regisseuri­n und Leiterin des Jungen Theaters Ulm ist das Stück für Zuschauer ab 14 Jahren entstanden. Auch wenn die Schauspiel­erin schon jenseits der 30 ist, fällt es ihr nicht schwer, den Zuschauer mit viel Tempo und gleichzeit­igem Feingefühl über rund eine Stunde in die intime Gedankenwe­lt eines Teenagers zu entführen.

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FOTO: KAUFHOLD Ist Sunny (Nicola Schubert) nur ein rebellisch­er Teenager?

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