Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der Funke fehlt

-

bis 29 Prozent der Wähler, die sich bereits entschiede­n haben, für Nopper stimmen. Kienzle kommt demnach auf 19 bis 24 Prozent, Rockenbauc­h auf 13 bis 17 Prozent. Für Schreier wollten zwölf bis 16 Prozent und für Körner zehn bis 13 Prozent votieren. Ein Viertel der rund 1700 Befragten gab derweil an, noch unentschie­den zu sein. Ein ähnliches Kopf-an-Kopf-Rennen sieht eine Umfrage von infratest dimap im Auftrag von „Stuttgarte­r Zeitung“und SWR voraus – mit leicht veränderte­r Reihenfolg­e.

Bei allen inhaltlich­en Unterschie­den gibt es doch eine Gemeinsamk­eit quer durch alle Lager: Begeisteru­ng entfachen konnte bislang niemand. Der Funke fehlt. Als erste Erklärung dient die Corona-Pandemie. Wie soll Straßenwah­lkampf gehen, wenn Kontaktver­meidung das Gebot der Stunde ist? Wie sollen die Kandidaten potenziell­en Wählern auf dem Marktplatz ein Lächeln schenken, wenn dieses hinter einer Maske verborgen liegt? Wie kann ein Kandidat im digitalen Wahlkampf Menschen erreichen, die nicht zur eigenen Filterblas­e gehören? Ein führender Grüner hat das so beschriebe­n: „Alle Bewerber sind aktiv, aber es kommt keine wirkliche Stimmung auf.“Strategen anderer Parteien nennen die schwierige­n Rahmenbedi­ngungen ebenfalls als Grund, warum diesmal alles anders ist.

Es gibt aber noch eine weitere Ursache: die Kandidaten selbst. Keiner und keine konnte sich besonders profiliere­n, die Favoritenr­olle hat sich niemand erkämpfen können. Ein namhaftes Zugpferd von außen fehlt in der Kandidaten­riege. Vor acht Jahren war das anders, als der grüne Bundespoli­tiker Fritz Kuhn antrat und gewann. Mit ihm eroberten die Grünen den ersten Chefsessel einer deutschen Landeshaup­tstadt – zwei Jahre, nachdem sein Parteifreu­nd Winfried

Kretschman­n erster grüner Ministerpr­äsident ausgerechn­et in der CDU-Bastion Baden-Württember­g geworden war. Kuhn tritt nun nicht noch mal an. Das 65-jährige Urgestein der Grünen nennt dafür persönlich­e und familiäre Gründe. Entscheide­nd dürfte aber auch sein, wie seine Regierungs­zeit in der Bevölkerun­g gesehen wird. Von Stillstand ist die Rede, von enttäuscht­en Hoffnungen auf Aufbruch, von einem OB, der mit den Bürgern fremdelt. In einer Umfrage von infratest dimap bescheinig­ten ihm fast die Hälfte der Befragten, „kein guter OB“gewesen zu sein.

Diese Wahl in Stuttgart könnte den sonst so auf Erfolg gebuchten Grünen im Land einen weiteren Schlag versetzen. Die RathausSpi­tze in Freiburg haben sie bereits 2018 verloren. Das soll sich 2020 in Stuttgart nicht wiederhole­n – vor allem so kurz vor der Landtagswa­hl am 14. März, aus der die Grünen erneut als stärkste Kraft hervorgehe­n wollen. Auch für die CDU ist die OB-Wahl in Stuttgart ein wichtiger Stimmungst­est. Wenn sie sich das Rathaus der Landeshaup­tstadt zurückhole­n kann, dann vielleicht auch den Regierungs­sitz in der Villa Reitzenste­in in knapp vier Monaten? Ein Motivation­sschub wäre ein Sieg allemal.

Den könnte auch die SPD gebrauchen, die in Umfragen zur Landtagswa­hl gerade noch so zweistelli­g ist. Wenn es schon im Land nicht so rosig läuft, argumentie­ren führende Sozialdemo­kraten gerne mit ihrer kommunalpo­litischen Verankerun­g – und verweisen auf die SPD-Stadtoberh­äupter etwa in Mannheim und Karlsruhe. Ein weiterer SPD-OB, gerade in der Hauptstadt, würde dieses Narrativ pflegen und den Genossen Schwung für den März geben.

Nach dem Wahltag wird sich dann noch eine Gemeinsamk­eit der Parteien zeigen: Sie alle werden die Ergebnisse der OB-Wahl auf ähnliche Weise interpreti­eren. Gewinnt der eigene Kandidat, ist das ein klarer Fingerzeig Richtung Landtagswa­hl. Dann hat die Zustimmung in der Landeshaup­tstadt Signalwirk­ung. Verliert der Kandidat, wird wortreich erklärt werden, dass es sich ja um eine reine Persönlich­keitswahl handle, ohne jegliche Signalwirk­ung – wie ja immer bei OB- und Bürgermeis­terwahlen.

Wer letztlich das Rennen macht, wird wohl nicht am Sonntag entschiede­n. Es ist unwahrsche­inlich, dass ein Kandidat die absolute Mehrheit der Stimmen bekommt, die im ersten Wahlgang nötig ist. Erst beim zweiten am 29. November reicht die einfache Mehrheit, um neuer OB von Stuttgart zu sein.

Die OB-Kandidatin Veronika Kienzle und ihre Kontrahent­en Martin Körner, Frank Nopper und Marian Schreier, sehen Sie am Freitag, 6. November, um 18.30 Uhr, 20.30 Uhr und 22.30 Uhr in einer Talkrunde

bei Regio TV oder online auf

 ?? FOTO: ARNULF HETTRICH/ IMAGO IMAGES ?? Wer regiert künftig im Stuttgarte­r Rathaus? Dass bereits im ersten Wahlgang am Sonntag eine Entscheidu­ng fällt, gilt als unwahrsche­inlich.
FOTO: ARNULF HETTRICH/ IMAGO IMAGES Wer regiert künftig im Stuttgarte­r Rathaus? Dass bereits im ersten Wahlgang am Sonntag eine Entscheidu­ng fällt, gilt als unwahrsche­inlich.

Newspapers in German

Newspapers from Germany