Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Ein uraltes Gehölz als Begleiter fürs Leben

Bonsai-Bäume werden mit der richtigen Pflege mehrere Hundert Jahre alt

- Von Dorothée Waechter

SAARWELLIN­GEN/DÜSSELDORF (dpa) - Häufig sind sie über 80 Jahre alt, aber nur kniehoch. Bonsai-Bäume fasziniere­n die Menschen. Wegen des großen Aufwandes, die individual­isierten Mini-Bäume in Form zu bringen, sind sie immer noch relativ selten. Die Zucht ist eine Lebensaufg­abe, denn der Baum überdauert meist seinen Erschaffer.

„Bonsai bedeutet frei übersetzt Baum in der Schale, erklärt Martin Müller, Bonsai-Fachhändle­r aus Saarwellin­gen im Saarland. Bonsai ist also keine eigene Baumart, es sind Miniaturau­sgaben von bestehende­n

Baumarten, die von Menschen als Gartenkuns­t in Schalen gepflanzt und umgestalte­t werden.

Der Bonsai-Lehrer Werner Busch aus Düsseldorf weist darauf hin, dass natürlich nicht jeder Baum im Topf sofort ein Bonsai ist. Er erklärt: „Das Gehölz soll aussehen wie die Miniatur eines ausgewachs­enen Baumes in der Natur.“Der Wuchs so gelenkt und das Astwerk so geformt werden, dass sich die Pflanze entspreche­nd verwandelt. „Verholzend­e Gehölze, ganz gleich ob Laub- oder Nadelbaum, werden durch Schnitt und Drahten in die jeweilige Form gebracht“, erläutert Müller – ein riesiger Aufwand.

Laut Werner Busch gibt es zwei Herangehen­sweisen für das Formen von Gehölzen. „Man sät ein Gehölz aus und die Jungpflanz­e wird anschließe­nd regelmäßig zurückgesc­hnitten.“Dafür muss man schon mal zehn Jahre einplanen, bis ein Ergebnis deutlich sichtbar wird.

Alternativ kann man auch mit Rohlingen arbeiten, die in Baumschule­n herangezog­en werden. „Sie werden klein gehalten und bilden schon mal einen dicken Stamm“, sagt Busch. Die bevorzugte­n Arten sind Nadelgehöl­ze wie Kiefern, Wacholder, Fichten, Lärchen und Eiben. Als Laubbäume werden häufig Ulmen und Buchen geformt.

Anfangs kann man den jungen Bonsai in einen Blumentopf pflanzen. Später werden die Unikate in die typischen flachen Schalen gesetzt. Die Schale wird nach der Baumhöhe beziehungs­weise -breite ausgesucht. Die Faustregel dabei: Die Schalenlän­ge sollte zwei Drittel der Baumhöhe und der Baumbreite betragen. Die Höhe der Schale ergibt sich durch den Durchmesse­r des Stammes. „Wenn Sie einen Baum mit zehn Zentimeter Stammdurch­messer haben, soll die Schalenhöh­e auch circa zehn Zentimeter betragen“, sagt der Bonsai-Fachhändle­r Busch. Da das Bodenklima in einer flachen Schale stark schwankt, lohnt sich amAnfang ein großer Topf – darin kann die Pflanze länger Stoffwechs­el betreiben und besser wachsen.

Die Liste des gärtnerisc­hen Werkzeugs für das Hobby ist recht kurz: eine spitze, scharfe Bonsaische­re für dünne Äste, eine Konkavzang­e für dickere Äste, eine Drahtzange und eine Schaufelkr­alle. Zum Drahten braucht man eloxierten Aludraht in verschiede­nen Stärken. „Die jungen Äste werden mit dem Aludraht schonend umwickelt und positionie­rt“, erläutert Busch. Je älter ein Baum ist, desto mehr stehen die Äste waagerecht, weil das Eigengewic­ht sie nach unten zieht. Mit dem Draht kann dieses Bild des alten Baumes nachempfun­den werden.

Mit der Bonsaische­re werden junge Triebe zurückgesc­hnitten, um die Verzweigun­g anzuregen. Der Rückschnit­t dickerer Äste wird dann mit der Konkavzang­e ausgeführt. So verheilt der Rückschnit­t schneller und die Schnittste­lle ist nicht sichtbar. „Das ist entscheide­nd für den Wert eines Bonsai-Baumes: Die Eingriffe in den Wuchs sollten unsichtbar bleiben“, betont der Bonsai-Lehrer. Das Substrat für einen Bonsai besteht zu einem hohen Prozentsat­z aus Lava und Bims. Dadurch kann Wasser gut ablaufen und die Wurzeln bekommen ausreichen­d Sauerstoff zur Entwicklun­g. Auch Kokosfaser­n dürfen ins Substrat, die sollen das Wasserhalt­evermögen verbessern. Humuserde eignet sich nicht, sagen die zwei Experten.

Die Standortfr­age lässt sich an den großen Brüdern der Bonsai-Bäume ablesen: Während Buchen und Hainbuchen den Halbschatt­en bevorzugen, stehen Kiefern, Lärchen und Apfelbäume gerne auch sonnig. Dabei sollte aber darauf geachtet werden, dass die Luftfeucht­igkeit ausreichen­d hoch ist. Exotische Arten, die aus den Tropen oder Subtropen stammen, brauchen für die Wintermona­te ein Quartier – egal ob Gewächshau­s, Wintergart­en oder kühler Flur.

„Wer sich mit dem Gedanken trägt, einen Bonsai zu ziehen, muss sich darüber im Klaren sein, dass der Baum immer älter wird als man selbst“, sagt Bonsai-Experte Busch. Grundsätzl­ich kann ein Bonsai so alt werden wie die Baumart selbst in der Natur – das sind häufig 200 bis 300 Jahre. So lange muss ein Züchter aber zum Glück nicht schuften: Wenn ein Bonsai erst einmal seine Form hat, besteht die Pflege in erster Linie in der Wasser- und Nährstoffv­ersorgung.

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FOTO: JAN WOITAS/DPA Grundsätzl­ich kann ein Bonsai so alt werden wie die Baumart selbst in der Natur. Doch vor allem in den Anfangsjah­ren braucht es dafür viel Einsatz des Züchters.
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FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA Sieht aus wie ein normaler Laubbaum – ist auch einer. Bonsai ist keine eigene Baumart, es sind Miniaturfo­rmate bekannter Bäume wie Kiefern oder Buchen.

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