Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Ein uraltes Gehölz als Begleiter fürs Leben
Bonsai-Bäume werden mit der richtigen Pflege mehrere Hundert Jahre alt
SAARWELLINGEN/DÜSSELDORF (dpa) - Häufig sind sie über 80 Jahre alt, aber nur kniehoch. Bonsai-Bäume faszinieren die Menschen. Wegen des großen Aufwandes, die individualisierten Mini-Bäume in Form zu bringen, sind sie immer noch relativ selten. Die Zucht ist eine Lebensaufgabe, denn der Baum überdauert meist seinen Erschaffer.
„Bonsai bedeutet frei übersetzt Baum in der Schale, erklärt Martin Müller, Bonsai-Fachhändler aus Saarwellingen im Saarland. Bonsai ist also keine eigene Baumart, es sind Miniaturausgaben von bestehenden
Baumarten, die von Menschen als Gartenkunst in Schalen gepflanzt und umgestaltet werden.
Der Bonsai-Lehrer Werner Busch aus Düsseldorf weist darauf hin, dass natürlich nicht jeder Baum im Topf sofort ein Bonsai ist. Er erklärt: „Das Gehölz soll aussehen wie die Miniatur eines ausgewachsenen Baumes in der Natur.“Der Wuchs so gelenkt und das Astwerk so geformt werden, dass sich die Pflanze entsprechend verwandelt. „Verholzende Gehölze, ganz gleich ob Laub- oder Nadelbaum, werden durch Schnitt und Drahten in die jeweilige Form gebracht“, erläutert Müller – ein riesiger Aufwand.
Laut Werner Busch gibt es zwei Herangehensweisen für das Formen von Gehölzen. „Man sät ein Gehölz aus und die Jungpflanze wird anschließend regelmäßig zurückgeschnitten.“Dafür muss man schon mal zehn Jahre einplanen, bis ein Ergebnis deutlich sichtbar wird.
Alternativ kann man auch mit Rohlingen arbeiten, die in Baumschulen herangezogen werden. „Sie werden klein gehalten und bilden schon mal einen dicken Stamm“, sagt Busch. Die bevorzugten Arten sind Nadelgehölze wie Kiefern, Wacholder, Fichten, Lärchen und Eiben. Als Laubbäume werden häufig Ulmen und Buchen geformt.
Anfangs kann man den jungen Bonsai in einen Blumentopf pflanzen. Später werden die Unikate in die typischen flachen Schalen gesetzt. Die Schale wird nach der Baumhöhe beziehungsweise -breite ausgesucht. Die Faustregel dabei: Die Schalenlänge sollte zwei Drittel der Baumhöhe und der Baumbreite betragen. Die Höhe der Schale ergibt sich durch den Durchmesser des Stammes. „Wenn Sie einen Baum mit zehn Zentimeter Stammdurchmesser haben, soll die Schalenhöhe auch circa zehn Zentimeter betragen“, sagt der Bonsai-Fachhändler Busch. Da das Bodenklima in einer flachen Schale stark schwankt, lohnt sich amAnfang ein großer Topf – darin kann die Pflanze länger Stoffwechsel betreiben und besser wachsen.
Die Liste des gärtnerischen Werkzeugs für das Hobby ist recht kurz: eine spitze, scharfe Bonsaischere für dünne Äste, eine Konkavzange für dickere Äste, eine Drahtzange und eine Schaufelkralle. Zum Drahten braucht man eloxierten Aludraht in verschiedenen Stärken. „Die jungen Äste werden mit dem Aludraht schonend umwickelt und positioniert“, erläutert Busch. Je älter ein Baum ist, desto mehr stehen die Äste waagerecht, weil das Eigengewicht sie nach unten zieht. Mit dem Draht kann dieses Bild des alten Baumes nachempfunden werden.
Mit der Bonsaischere werden junge Triebe zurückgeschnitten, um die Verzweigung anzuregen. Der Rückschnitt dickerer Äste wird dann mit der Konkavzange ausgeführt. So verheilt der Rückschnitt schneller und die Schnittstelle ist nicht sichtbar. „Das ist entscheidend für den Wert eines Bonsai-Baumes: Die Eingriffe in den Wuchs sollten unsichtbar bleiben“, betont der Bonsai-Lehrer. Das Substrat für einen Bonsai besteht zu einem hohen Prozentsatz aus Lava und Bims. Dadurch kann Wasser gut ablaufen und die Wurzeln bekommen ausreichend Sauerstoff zur Entwicklung. Auch Kokosfasern dürfen ins Substrat, die sollen das Wasserhaltevermögen verbessern. Humuserde eignet sich nicht, sagen die zwei Experten.
Die Standortfrage lässt sich an den großen Brüdern der Bonsai-Bäume ablesen: Während Buchen und Hainbuchen den Halbschatten bevorzugen, stehen Kiefern, Lärchen und Apfelbäume gerne auch sonnig. Dabei sollte aber darauf geachtet werden, dass die Luftfeuchtigkeit ausreichend hoch ist. Exotische Arten, die aus den Tropen oder Subtropen stammen, brauchen für die Wintermonate ein Quartier – egal ob Gewächshaus, Wintergarten oder kühler Flur.
„Wer sich mit dem Gedanken trägt, einen Bonsai zu ziehen, muss sich darüber im Klaren sein, dass der Baum immer älter wird als man selbst“, sagt Bonsai-Experte Busch. Grundsätzlich kann ein Bonsai so alt werden wie die Baumart selbst in der Natur – das sind häufig 200 bis 300 Jahre. So lange muss ein Züchter aber zum Glück nicht schuften: Wenn ein Bonsai erst einmal seine Form hat, besteht die Pflege in erster Linie in der Wasser- und Nährstoffversorgung.