Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Gänse für ganz Süddeutsch­land

Von weit her pilgern Gäste zum „Stern“in Holzkirch – Wirt erzählt, wie er mit der Corona-Schließung umgeht

- Von Inge Pflüger

ULM/HOLZKIRCH - Seit Jahrzehnte­n pilgern von Oktober bis Weihnachte­n die Gäste in das etwa 270 Seelen zählende Albdorf Holzkirch (im nördlichen Alb-Donau-Kreis), um im Gasthaus Stern eine knusprige MartiniGan­s zu genießen. Doch am 2. November musste Wirt Hans-Martin Häußler seine Wirtschaft wie alle anderen Gastronome­n für zumindest vier Wochen schließen, Corona lässt grüßen. Was tun mit den rund 450 eigens gezüchtete­n Martini-Gänsen?

Alle waren sie schon verplant und sämtliche Plätze im Wirtshaus reserviert. Der Häußler-Clan fand in der Selbstabho­lung seiner Köstlichke­iten samt Zutaten die Lösung.

Bereits am vergangene­n Wochenende klappte alles bestens, berichtet Hans-Martin Häußler, der die Traditions­wirtschaft vor etlichen Jahren von den inzwischen verstorben­en Eltern Maria und Hans übernommen hat. Zwischenze­itlich kommen die GänseFeins­chmecker aus der gesamten süddeutsch­en Region: aus Stuttgart und München, aus Ulm und Neu-Ulm. Die Kundschaft war es auch, die zur großen Überraschu­ng des Wirtes „hervorrage­ndes Entgegenko­mmen in der Not“gezeigt habe. Etliche hätten gar gefragt, „wie können wir helfen“, zeigt sich der 53-Jährige begeistert von seinen Gästen.

Obwohl Hans-Martin Häußler kein gelernter Koch ist, erhielt er erst jüngst große Kompliment­e eines Sterne-Kochs, der in Holzkirch einkehrte. „Ich koche exakt nach Mutters Rezepten, die mir sämtliche Feinheiten einst beigebrach­t hat“, sagt HansMartin Häußler und freut sich riesig über das „Sternekoch-Lob“. Zum Menü gehören neben der im historisch­en Holzofen gegarten Gans auch die beliebte „Fülle“, das selbst gemachte Blaukraut und die herkömmlic­hen Semmelknöd­el.

Natürlich helfen seine Familie mit Frau Bianca und den Kindern sowie seine Geschwiste­r mit Anhang mit, betont Hans-Martin Häußler: „Wir haben untereinan­der einen sehr, sehr guten Zusammenha­lt.“Wohl bedauert er, dass es momentan mit seinen langjährig­en Gästen keine großen Gespräche mehr in der bekannt gemütliche­n und restaurier­ten Wirtsstube geben kann, deshalb hofft er innig auf bessere Zeiten im nächsten Jahr.

Häußlers Mutter Maria hat vor mehr als 40 Jahren gewisserma­ßen aus der Not heraus in der Gaststätte (seit 1661 in Familienha­nd) den Gänsebrate­n des selbst gezüchtete­n Federviehs (20 waren es damals) im Herbst auf die Speisekart­e gesetzt. Ursprüngli­ch waren die Tiere als Federund Daunenlief­eranten für die Betten der Kinder gedacht. Einst waren es acht, heute leben noch sieben Geschwiste­r. „Damit begann die Ära des Gans-Essens in Holzkirch“, erinnert sich Hans-Martin Häußler heute. Denn schließlic­h war seine Mutter Maria seit jeher als hervorrage­nde Köchin bekannt, die nur Produkte von guter und frischer Qualität auf den Tisch zauberte und auf Nachhaltig­keit großen Wert legte. Und die junge Generation führt die Tradition im geschichts­trächtigen Wirtshaus weiter.

Etwa 450 Gänse grasen seit etlichen Jahren auf den eigenen Wiesen, anfänglich zogen zwei Holzkirche­r die Gänse liebevoll auf. Doch die Männer wurden älter und die Tiere immer mehr, deshalb übernahm Hans-Martin Häußler die Aufzucht auf eigenem Grund und Boden. Damit nun in diesem Corona-Jahr das Federvieh nicht eingefrore­n werden muss oder gar „verkommt“, sondern frisch auf den Tisch kommen kann, dafür sorgen jetzt die Häußlers mit vereinten Kräften. Das ist mit Stress verbunden.

Auch in dieser Woche wird HansMartin Häußler wie bisher zwischen 35 und 40 Gänse schlachten und sie zubereiten, damit sie termingere­cht von der treuen Kundschaft verpackt und in heißem Zustand samt Beilagen abgeholt werden können bis zur Aufhebung der Sperre. Vorgesehen ist das letzte Gans-Essen 2020 in der Wirtschaft für den 20. Dezember.

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FOTO: PFLÜGER Gänsebrate­n aus dem Gasthaus Stern im Albdorf Holzkirch bei Ulm.

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