Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Diese Zwillinge packen vieles gemeinsam an

Georg und Bernhard Thalhofer sind Stadträte in Vöhringen – Was die Brüder sonst noch gemeinsam haben

- Von Ursula Katharina Balken

VÖHRINGEN/ILLERBERG - Noch heute hört Bernhard Thalhofer die Stimme der Lehrerin, die strengen Blickes auf ihn zusteuert. „Das gibt einen Verweis, man wirft das Schreibmäp­pchen seines Nachbarn doch nicht auf den Fußboden!“Doch der gescholten­e Bub wehrt sich vehement, „ich hab doch gar nix getan“. In Wirklichke­it war Bruder Georg der Sünder.

Damals galt es als Mutprobe, im Unterricht die Schreibute­nsilien des Nachbarn auf die Erde zu befördern. Das war einer der Scherze, die sich das Illerberge­r Zwillingsp­aar Georg und Bernhard Thalhofer von Zeit zu Zeit mal erlaubte. Sie glichen sich wie ein Ei dem anderen und hatten die Plätze getauscht. „Aber Frau Lehrerin blickte es nicht“, sagen sie und lachen. Die jetzt 49-Jährigen teilen viele Gemeinsamk­eiten. Jetzt sitzen sie sogar zusammen für die CSU im Vöhringer Stadtrat. Das dürfte eine Seltenheit sein.

Freilich, familiäre Konstellat­ionen gab es in der Lokalpolit­ik immer wieder. Mutter und Sohn Hesser beispielsw­eise waren bis in die abgelaufen­e Amtsperiod­e im Stadtrat vertreten. Das Besondere an diesem Gespann: Mama Renate gehörte den Freien Wählern an, Sohn Florian der CSU. Aber dass Zwillinge im Gremium vertreten sind und zudem noch in der gleichen Fraktion, das ist schon ungewöhnli­ch und dürfte wohl höchsten Seltenheit­swert besitzen.

Der Eintritt ins Erdenleben fand für die „Thalhofer Buben“, wie sie im Dorf nur genannt wurden, am 16. Mai 1971 statt. Georg war 50 Minuten früher da. Ganz einfach war es für Mama und Papa nicht. Die Buben waren

Frühchen und kamen zwei Tage nach der Geburt nach Memmingen in die Kinderklin­ik, während die Mama bereits nach zwei Tagen entlassen wurde. Am 18. Mai nämlich kam es in Illertisse­n zu einem schweren Zugunglück. Es gab sechs Tote und zahlreiche Verletzte. Für die Versorgung der Verletzten brauchte man Platz im Krankenhau­s. Deshalb verließ die Mama bereits so schnell nach der Geburt die Klinik.

Die Buben gediehen prächtig. Wenn von Vater Georg die Rede war, hieß es in Illerberg nur „der MädeleThal­hofe“. Möglicherw­eise habe das den Vater ein bisschen geärgert. Denn im Hause Thalhofer gab es bereits vier Mädchen. Aber als die Buben auf der Welt waren, brannte der Nachbar ein Feuerwerk ab. „Den stattliche­n Doppelkind­erwagen schob voller Stolz unser Vater durchs Dorf.“

Damals war es noch nicht so selbstvers­tändlich, dass die Väter den Nachwuchs im Wagen spazieren fuhren. Die Zwillinge waren auch immer gleich gekleidet, was nach Erreichen der fünften Klasse für die beiden Buben nicht mehr so prickelnd war.

Papa Thalhofer war bei der Freiwillig­en Feuerwehr Illerberg Gerätewart und stellvertr­etender Kommandant. „Wir Buben konnten dann immer mit ins Gerätehaus, durften auch schon Schläuche zum Trocknen aufhängen“, berichten unisono Georg und Bernhard. Beide Buben traten in die Fußstapfen des Vaters. Georg war später 18 Jahre Kommandant der Wehr und Bruder Bernhard Vorsitzend­er. Beide Thalhofer-Buben waren außerdem elf Jahre Ministrant­en und nehmen heute lebhaft am Vereinsleb­en teil, sie sagen von sich selbst: „Wir sind Vereinsmei­er.“

Als es um die Berufswahl ging, trennten sich die Wege. Zunächst stieg Georg den Leuten aufs Dach und lernte Kaminkehre­r. Über verschiede­ne Stationen wechselte er zuletzt ins Landratsam­t und wacht hier über Seen, Flüsse und Bäche in diesem Lebensraum. Ökologie ist für ihn immens wichtig. „Es reicht nicht, irgendwohi­n zwei Bäume zu pflanzen. Wenn man ein Fluss- oder Bachufer wieder naturnah gestalten will, braucht man eine Konzeption, was im Augenblick durch das Wasserentw­icklungsko­nzept ganz aktuell ist. Gewässer braucht Struktur, um auch Kleinlebew­esen Lebensraum zu verschaffe­n.“

Bernhard lernte erst mal das Schreinerh­andwerk. Jetzt leitet er den technische­n Einkauf in der Turmuhrenf­abrik Wörz in Biberach, ein Gebiet, auf dem ihm seine kaufmännis­chen Fähigkeite­n ebenso dienlich sind wie sein technische­s Verständni­s.

Das Thalhofers­che Elternhaus ist politisch interessie­rt. Auch da eiferten die Söhne dem Vater nach. Bernhard Thalhofer trat in die CSU ein, vor zwölf Jahren schaffte er den Sprung in den Stadtrat. Nach zwei Amtsperiod­en räumte er den ihm sicheren vorderen Platz und ließ sich als Kandidat auf den wenig aussichtsr­eichen 24. Platz setzen. „Mit Absicht, jetzt sollen unsere jungen Leute ran.“Aber er wurde auf Platz elf hoch und damit wieder ins Gremium gewählt.

Zum ersten Mal trat Zwillingsb­ruder Georg Thalhofer an und übt sich mit Platz zehn im Schultersc­hluss mit seinem Bruder. Aber so ähnlich sie sich auch sind, so driften ihre Ansichten bisweilen auseinande­r. Während Georg Thalhofer die Probleme strukturie­rt und angeht, was machbar ist und was nicht, spricht Bernhard Themen oft unkonventi­onell und spontan an. So Thalhofer über Thalhofer. Aber Unstimmigk­eiten überstehen nie einen Tag. Was die Zwillinge eint, ist die Liebe zur Heimat. Deshalb, so sagen sie, sind sie dem Vereinsleb­en eng verbunden und zitieren das bekannte Wort „Vereine sind der Kitt, der die Gemeinde zusammenhä­lt“.

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FOTO: BALKEN Die Thalhofer-Zwillinge Georg (links) und Bernhard gehören der Feuerwehr an. Auch im übrigen Vereinsleb­en sind die Brüder aktiv und seit diesem Jahr gemeinsam im Stadtrat.

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