Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Schulallta­g unter besonderen Bedingunge­n

Wie die Schule St. Franziskus ihren Alltag unter Pandemiebe­dingungen organisier­t

- Von Birgit van Laak

INGERKINGE­N - Kinder mit schweren Mehrfachbe­hinderunge­n fördern, lautet die tägliche Aufgabe der 68 Lehrer der Schule St. Franziskus in Ingerkinge­n. In Zeiten der Corona-Pandemie ist ihre Arbeit besonders herausford­ernd. Manche Regelungen, die an anderen Schulen einfach funktionie­ren, lassen sich hier nicht immer komplett umsetzen: Eine Magensonde zu wechseln oder pflegerisc­he Unterstütz­ung, das geht nicht mit eineinhalb Metern Abstand. So bewältigt die Schule den Alltag.

An der Schule St. Franziskus gibt es derzeit einen Corona-Fall. Eine Lehrkraft ist nach Angaben von Schulleite­r Thomas Kehm positiv auf das Virus getestet worden und befindet sich in Quarantäne. Vier Schüler bleiben seit den Herbstferi­en als Kontaktper­sonen ebenfalls in Quarantäne, sagt Kehm. Alle vier seien Externe, sodass der stationäre Bereich und das benachbart­e Wohnheim nicht betroffen sei, so Kehm.

In St. Franziskus gilt es für 124 Kinder und Jugendlich­e mit Behinderun­g einen Unterricht unter Pandemiebe­dingungen zu organisier­en. Die Hygiene- und Abstandsre­geln ließen sich an den Sonderpäda­gogischen Bildungs- und Beratungsz­entren (SBBZ) nicht eins-zu-eins umsetzen, erläutert Kehm. Das sei bereits im vergangene­n Schuljahr deutlich geworden. Für die SBBZ gibt es deshalb Ausnahmere­gelungen von den Vorschrift­en. „Wir müssen viel selbst entscheide­n“, sagt Kehm. Abstand halten und Maske anziehen, das werde umgesetzt, wo es gehe. „Viele unserer Schüler können die Maske tragen. Für sie bedeutet das zudem einen sinnvollen Lerneffekt für den Alltag außerhalb der Schule.“Es gebe aber auch Kinder mit schwerer Behinderun­g, die die Maske auf Mund und Nase einfach nicht dulden würden. „Sie bekommen Angst, ertragen den Stoff vor dem Mund nicht oder haben Atemproble­me“, schildert Kehm die Situation. „Bei manchen geht es einfach nicht.“

Für Schüler mit Autismus-Spektrum-Störung sei es zudem ein massives Problem, wenn das halbe Gesicht des Lehrers von einer Maske bedeckt sei. „Diesen Schülern bereitet es schon Schwierigk­eiten, wenn jemand eine andere Frisur hat“, erläutert Kehm, wie schwer sich diese Kinder schon mit kleinsten Veränderun­gen

tun. Für Schüler, die schlecht hören und die Reaktion des Lehrers an der Mimik ablesen, wird es ebenfalls zum Problem, wenn sie nur die Augen ihres Gegenübers sehen. „Sie sprechen zum Teil selbst nicht und drücken sich selbst nur über die Mimik aus.“Mit einem Gesicht hinter der Maske könnten die Schüler nichts anfangen.

Individuel­l entscheide­n heißt es deshalb für Lehrer und Schule. Manches geht einfach nicht. Das gilt auch für die Abstandsre­geln. Zu den Aufgaben der Lehrer zählen auch pflegerisc­he Tätigkeite­n wie das Wechseln von Sonden, Lagern oder auch mal Wickeln. „Das geht nicht mit eineinhalb Metern Distanz“, weiß Kehm.

Abstände einzuhalte­n funktionie­rt hingegen an anderer Stelle dank der speziellen Abläufe leichter. „Wir haben nur wenige Klassen mit den typischen parallelen Pausen“, sagt Kehm. Deshalb ließen sich diese wenigen Schüler auf verschiede­ne Ecken der Schule verteilen, sodass sie unter sich blieben.

Die großzügige Mensa im Neubau bietet viel Platz, nicht nur beim Mittagstis­ch, sondern auch bei Lehrerbesp­rechungen.

Gegessen wird in Schichten, dazwischen erfolgt eine Runde Lüften mit Desinfizie­ren der Tische. Die Schüler dürfen das Besteck nicht mehr selbst aus den Kästen nehmen, Getränke holen jetzt die Lehrer.

Der Schulallta­g hat sich drastisch verändert. So manches ist nicht mehr möglich. Die letzten Abschlussk­lassen konnten nicht ins Schullandh­eim fahren. „Sie waren untröstlic­h“, erzählt Kehm. „Das Reiten in Rißegg ist gestoppt, zusammen in die Bücherei nach Biberach zu fahren ebenso“, berichtet Kehm. „Das sind alles Dinge, die das Salz in der Suppe waren. Aber unsere Schüler haben sich mit der Situation arrangiert.“

Die Lehrer sehnten sich nach einem Stück Normalität, weiß der Ingerkinge­r Schulleite­r. Die belastende Situation dauere schon sehr lange. Manche machten sich Sorgen um ihre eigene Familie, insbesonde­re, wenn sie daheim pflegebedü­rftige Eltern hätten. „Alle wären froh, wenn das Ganze vorüber wäre“, sagt Thomas Kehm. „Aber sie gehen gut und sehr verantwort­ungsvoll mit der Lage um.“

 ?? FOTO: ST.-ELISABETH-STIFTUNG ?? Der Schulallta­g in St. Franziskus unterschei­det sich sehr von dem in anderen Schulen.
FOTO: ST.-ELISABETH-STIFTUNG Der Schulallta­g in St. Franziskus unterschei­det sich sehr von dem in anderen Schulen.
 ?? FOTO: ROBERT STIRNER/ST.-ELISABETH-STIFTUNG ?? Dass die neue Mensa der Schule St. Franziskus so geräumig ist, erweist sich jetzt als großer Vorteil: Hier lassen sich Abstände gut einhalten, nicht nur beim Essen, sondern auch bei Lehrerbesp­rechungen.
FOTO: ROBERT STIRNER/ST.-ELISABETH-STIFTUNG Dass die neue Mensa der Schule St. Franziskus so geräumig ist, erweist sich jetzt als großer Vorteil: Hier lassen sich Abstände gut einhalten, nicht nur beim Essen, sondern auch bei Lehrerbesp­rechungen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany