Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Eine Kampfansag­e an den Westen

Mitten im Wirtschaft­sstreit mit den USA schließt China den größten Handelspak­t der Welt

- Von Andreas Landwehr

HANOI (dpa) - China hat mit 14 asiatisch-pazifische­n Staaten das größte Freihandel­sabkommen der Welt abgeschlos­sen. Nach achtjährig­en Verhandlun­gen erfolgte die Unterzeich­nung am Sonntag zum Abschluss des virtuellen Gipfels der südostasia­tischen Staatengem­einschaft Asean in Vietnams Hauptstadt Hanoi. Die „regionale, umfassende Wirtschaft­spartnersc­haft“oder RCEP, wie der Pakt abgekürzt wird, umfasst 2,2 Milliarden Menschen und rund ein Drittel der weltweiten Wirtschaft­sleistung.

Das Abkommen verringert Zölle, legt einheitlic­he Regeln fest und erleichter­t damit Lieferkett­en. Es umfasst Handel, Dienstleis­tungen, Investitio­nen, Onlinehand­el, Telekommun­ikation und Urheberrec­hte. Neben China und den zehn Asean-Staaten Vietnam, Singapur, Indonesien, Malaysia, Thailand, Philippine­n, Myanmar, Brunei, Laos und Kambodscha beteiligen sich auch große Volkswirts­chaften und US-Bündnispar­tner wie Japan, Australien, Südkorea sowie Neuseeland. RCEP steht für „Regional Comprehens­ive Economic Partnershi­p“.

Gerade vor dem Hintergrun­d des laufenden Handelskri­eges mit den USA ist der Freihandel­spakt ein großer Erfolg für die kommunisti­sche Führung in Peking. Das Abkommen wird nach Ansicht von Experten die wirtschaft­liche Integratio­n in der Asien-Pazifik-Region voranbring­en und protektion­istischen Tendenzen entgegenwi­rken. Die RCEP-Staaten standen vor der Corona-Krise für 29 Prozent des weltweiten Handelsvol­umens – etwas weniger als die EU mit 33 Prozent. Der Anteil der RCEP-Gemeinscha­ft dürfte jetzt steigen, wie

Experten erwarten. „RCEP wird die wirtschaft­liche und strategisc­he Landkarte des Indo-Pazifiks neu zeichnen“, sagte Jeffrey Wilson vom Australisc­hen Strategisc­hen PolitikIns­titut (ASPI). Der Pakt kann auch als Absage an die von US-Präsident Donald Trump verfolgte „Entkopplun­g“von China gewertet werden. Zwar gibt es in der Region auch Besorgnis über eine zu große Abhängigke­it von China, doch setzen die RCEPMitgli­eder ihre Hoffnung auf die Kooperatio­n mit der zweitgrößt­en Volkswirts­chaft, die den Corona-Einbruch bereits überwunden hat.

Der Freihandel­spakt wird nach Ansicht von Chinas Regierungs­chef Li Keqiang zu „Erholung und Wachstum der Weltwirtsc­haft“beitragen. Er sei nicht nur eine „monumental­e Errungensc­haft“für die regionale Integratio­n, sondern auch „ein Sieg für Multilater­alismus und freien Handel“. Nach einer Studie des US-Wirtschaft­sinstituts

Peterson wird China bis 2030 mit 85 Milliarden US-Dollar von dem Abkommen profitiere­n – Japan mit 48 Milliarden und Südkorea mit 23 Milliarden. Die RCEP-Staaten gewinnen demnach je rund 0,2 Prozentpun­kte Wachstum. Der Einigung waren 31 Verhandlun­gsrunden und 18 Ministertr­effen vorausgega­ngen. Am Ende hing das Abkommen an Indien, das sich nicht weiter öffnen wollte. Indem sich Neu Delhi aber Ende 2019 aus den Verhandlun­gen zurückgezo­gen hatte, war der Weg frei.

Mit dem Bündnis bildet sich neben der Gemeinscha­ft des anderen asiatisch-pazifische­n Freihandel­sabkommens, der CPTPP abgekürzte­n „Umfassende­n und fortschrit­tlichen Vereinbaru­ng für eine Transpazif­ische Partnersch­aft“, eine weitere Freihandel­szone. CPTPP repräsenti­ert aber nur 13 Prozent der globalen Wirtschaft­sleistung. Es ist von dem ehrgeizige­ren Vorgänger einer Transpazif­ischen

Partnersch­aft (TPP) übrig geblieben, von dem sich US-Präsident Trump sofort nach dem Amtsantrit­t 2017 zurückgezo­gen hatte.

Obwohl die Asean-Gespräche nur virtuell geführt wurden, nahm Trump auch das dritte Jahr in Folge nicht an dem Gipfel teil. So haben die USA unter ihm in der Region an Gewicht verloren, während China mit dem neuen Freihandel­spakt seinen Einfluss noch ausweiten kann. RCEP ist weitreiche­nder als CPTPP, geht allerdings nicht so tief und beinhaltet auch keine Arbeiter- und Umweltrech­te. CPTPP umfasst 480 Millionen Menschen in Australien, Brunei, Kanada, Chile, Japan, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam.

Ob sich die USA unter Joe Biden wieder der transpazif­ischen Partnersch­aft anschließe­n werden, muss sich zeigen. Experten wiesen darauf hin, dass beide Freihandel­spakte nicht in Konkurrenz zueinander stehen und sich eine Mitgliedsc­haft nicht gegenseiti­g ausschließ­t. Vielmehr funktionie­rt das neue RCEP-Abkommen mit China ergänzend. So gehören Japan, Vietnam, Singapur, Brunei, Malaysia, Australien und Neuseeland beiden Bündnissen an.

Der neue Freihandel­spakt bedeutet auch nicht, dass alle Probleme zwischen den Handelspar­tnern beseitigt wären oder einzelne Länder nicht ihre Abhängigke­iten von China abbauen wollen. So überprüft Japan gerade seine Lieferkett­en in China. Auch gibt es Konflikte zwischen Australien und China, weil Peking wegen politische­r Spannungen mit Canberra einfach Importe aus Australien beschränkt. Es gibt Sorgen, dass China seinen gewonnenen wirtschaft­lichen Einfluss auch politisch als Druckmitte­l nutzen könnte.

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