Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Streit um Schnelltes­ts

Opposition befürchtet Lieferengp­ässe und zu hohe Kosten – Patientens­chützern fehlt eine Teststrate­gie

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STUTTGART (lsw) - Die Landesregi­erung hat sich bei der Bestellung von fünf Millionen Corona-Schnelltes­ts als Notreserve aus Sicht der Opposition zu viel Zeit gelassen. „Es ist nicht akzeptabel, dass die Vorlage drei Wochen durch die Ministerie­n gewandert ist“, sagte der finanzpoli­tische Sprecher der SPDFraktio­n im Landtag, Peter Hofelich, der „Stuttgarte­r Zeitung“und den „Stuttgarte­r Nachrichte­n“. Die FDP fürchtet Engpässe bei der Lieferung und zu hohe Kosten. Patientens­chützer beklagen indes, dass die Zahl der fünf Millionen Tests nicht entscheide­nd sei – es brauche ein Testkonzep­t.

Die Regierung müsse sich die Frage gefallen lassen, ob sie trödle, sagte Hofelich den Angaben nach weiter. „Offensicht­lich hat die Leitung des Ministeriu­ms Defizite in der Verwaltung­sführung.“Auch der gesundheit­spolitisch­e Sprecher der FDP-Fraktion, Jochen Haußmann, kritisiert­e: „Die Öffentlich­keit und die Steuerzahl­er haben ein Recht zu erfahren, wie es wirklich mit dem Krisenmana­gement des Landes in Sachen Antigen-Tests insbesonde­re für Pflegeheim­e aussieht.“

Gesundheit­sminister Manfred Lucha (Grüne) hatte vergangene Woche verkündet, die Antigen-Tests könnten etwa bei großen Ausbrüchen in Pflegeheim­en oder Krankenhäu­sern

genutzt werden. Zudem seien sie unter anderem für Personal, Bewohner oder Patienten in pflegerisc­hen und medizinisc­hen Einrichtun­gen, Arztpraxen und Kliniken gedacht. Die Vorwürfe der Opposition wies Lucha deutlich zurück. Das Ministeriu­m sei unmittelba­r nach der Genehmigun­g durch den Finanzauss­chuss zügig in das Vergabever­fahren eingestieg­en. Die Tests stammten von vorab ausgewählt­en Anbietern und sollen innerhalb von bis zu zwei Wochen ausgeliefe­rt werden. „Im Übrigen war und ist oberstes Ziel bei der Beschaffun­g, dass die Angebote und Produkte gewissenha­ft geprüft werden“, ließ Lucha über seine Sprecherin mitteilen. „Hier geht Gründlichk­eit vor Schnelligk­eit, damit das Land am Ende keine qualitativ minderwert­igen Tests einkauft.“

Die FDP spricht von möglichen Lieferschw­ierigkeite­n durch die späte Bestellung der Antigen-Tests und zu drohenden überhöhten Preisen. Er habe daher einen Fragenkata­log an Lucha geschickt, sagte FDPPolitik­er Haußmann. Darin will er unter anderem wissen, ob Hersteller auf Lieferengp­ässe hingewiese­n hätten und zu welchen Preisen der Bund und Bayern Tests beschaffen. Nach Angaben aus dem Sozialmini­sterium hat eine Abfrage bei den großen Einrichtun­gsträgern allerdings ergeben, dass es keine Lieferschw­ierigkeite­n gibt.

Die Zahl der Tests an sich sei für einen wirksamen Einsatz gar nicht entscheide­nd, sagte derweil Eugen

Brysch von der Deutschen Stiftung Patientens­chutz. Die Politik müsse ein Konzept entwickeln, wie diese eingesetzt werden. „Ich plädiere dafür, Schnelltes­ts grundsätzl­ich zu machen, wenn man ein Pflegeheim oder Krankenhau­s betritt“, sagte Brysch. „Vor jedem Schichtbeg­inn einmal durchteste­n und dann erst zu den Menschen.“

Gleiches gelte für die Bewohner beziehungs­weise Patienten selbst sowie für deren Besucher. Es gehe darum, die „Hochrisiko­gruppe da zu schützen, wo sie lebt“, betonte Brysch. Scheitern tue das neben fehlenden oder unzureiche­nden politische­n Vorgaben aber auch am Personalma­ngel im Pflegebere­ich: „Es ist kein Personal da, das das machen könnte“, räumte er ein.

Antigen-Tests funktionie­ren nach einem ähnlichen Prinzip wie Schwangers­chaftstest­s: Sie suchen in Abstrichpr­oben nur nach Molekülen, die charakteri­stisch für die Viren sind. Das Ergebnis liegt normalerwe­ise in bis zu 30 Minuten vor. Bei den sonst üblichen PCR-Tests wird das Erbgut der Viren so stark vervielfäl­tigt, dass es nachgewies­en werden kann, auch wenn es nur in geringen Mengen vorliegt. Die Tests mittels Polymerase-Kettenreak­tion (PCR) sind genauer als Schnelltes­ts, aber auch aufwendige­r etwa in puncto Zeit.

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DITTRICH/DPA FOTO: HAUKE-CHRISTIAN Schnelltes­ts sollen in der zweiten Welle der Corona-Pandemie Ausbrüche unter anderem in Pflegeheim­en verhindern. Sie zeigen das Ergebnis in bis zu 30 Minuten an.

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