Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Der Subvention­sschub

Hohe staatliche Förderunge­n sorgen für Rekordabsa­tz bei Elektroaut­os – Verbessert­e Lade-Infrastruk­tur gefordert

- Von Christof Rührmair und Christian Ebner

MÜNCHEN/FRANKFURT (dpa) - Es hing offenbar doch vor allem am Preis und nicht an Reichweite­nangst oder fehlender Infrastruk­tur: Dank hoher Prämien starten Elektroaut­os und Plug-in-Hybride plötzlich durch. Zumindest auf dem Papier drückt das auch den CO der Neuzulassu­ngen deutlich. Nun wollen Bundesregi­erung und Fahrzeugbr­anche auf einem neuerliche­n „Auto-Gipfel“an diesem Dienstag über weitere Förderunge­n und den Ausbau der Ladeinfras­truktur nachdenken, die dem Boom deutlich hinterherh­inken.

Mit Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) und Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) haben sich bereits zwei Unions-Schwergewi­chte für eine Verlängeru­ng der eigentlich im kommenden Jahr auslaufend­en „Innovation­sprämie“bis ins Jahr 2025 ausgesproc­hen. Zweimal hat die Bundesregi­erung in diesem Jahr die Förderung erhöht: Im Februar stieg der Höchstsatz von 4000 auf 6000 Euro. Seit Juni sind es inklusive Hersteller­anteil 9000 Euro.

Beide Änderungen haben sich unmittelba­r in den Neuzulassu­ngen und Förderantr­ägen niedergesc­hlagen: Im März legten beide deutlich zu, bevor sie von Corona ausgebrems­t wurden. Doch richtig los ging es dann nach der zweiten Aufstockun­g: Im Oktober wurde der aktuelle Rekord mit Anträgen für gut 34 200 Autos in einem Monat erreicht. Vor einem Jahr lag er noch bei 10 100. Bei den Neuzulassu­ngen sind die Zahlen noch etwas höher: 48 017 reine Elektroaut­os und Plug-in-Hybride kamen im Oktober neu auf die Straße. Das sind 17,5 Prozent der Neuzulassu­ngen – nach weniger als sieben Prozent zu Jahresbegi­nn.

Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffe­r hält die hohen Subvention­en allerdings für ein gefährlich­es und langfristi­g unbezahlba­res Gift. Laut seiner regelmäßig­en Rabattstud­ie betrug im Oktober der Preisnachl­ass bei vollelektr­ischen Neuwagen im Schnitt 36,9 Prozent – rund doppelt so viel wie bei Verbrenner­n. Und nach der Party drohe den Hersteller­n nicht nur wegen der geringen Restwerte der Gebrauchte­n ein heftiger Kater: „Das reine Elektroges­chäft wird deutlich einbrechen, und bei den Hybriden müssen die Autobauer eigene Anreize setzen. Ohne Subvention­en kriegen sie die nicht los“, sagt Dudenhöffe­r. Schon jetzt lerne der Konsument, dass der Kauf eines E-Fahrzeuges eine riskante Investitio­n sei, die man über hohe Zuzahlunge­n abfedern müsse.

Besonders sind gerade Plug-inHybride als Dienstwage­n wegen der Steuervort­eile bei privater Nutzung begehrt. Der Anteil von Privatkund­en liege mit 24 Prozent deutlich unter dem bei den Vollstrome­rn mit 47 Prozent, sagt Dudenhöffe­r. Er hält die am schnellste­n wachsende Antriebsar­t für eine „Mogelpacku­ng“. Niemand wisse, wie häufig die meist schweren Hybride tatsächlic­h mit Strom aufgeladen werden oder eben doch als reine Verbrenner unterwegs sind.

Zumindest auf dem Papier drückt der aktuelle Boom aber den durchschni­ttlichen CO2-Ausstoß der zugelassen­en Neuwagen in Deutschlan­d deutlich. In der ersten Jahreshälf­te pendelte er noch um die 150 Gramm pro Kilometer. Dann ging es abwärts. Im Oktober lag er laut Kraftfahrt­Bundesamt bei 131,4 Gramm.

Derzeit gebe es durch die Prämie sehr viel „Dampf“beim Thema elektrifiz­ierte Autos, sagt auch Thomas Peckruhn, Vizepräsid­ent des Zentralver­bands Deutsches Kraftfahrz­euggewerbe (ZDK). Wegen der langen Lieferzeit­en hätten manche Kunden schon Sorge, ob sie noch rechtzeiti­g ein Auto bekämen, um von der Prämie zu profitiere­n. Das sorge für zusätzlich­en Druck. Er selbst gehe aber nicht davon aus, dass die Prämie in den nächsten Jahren wegfällt. Damit die Entwicklun­g nachhaltig sei, müsse die Förderung beibehalte­n und die öffentlich­e Ladeinfras­truktur verbessert werden.

Die Energiewir­tschaft will sich allerdings nicht hetzen lassen. Wegen der immer noch vergleichs­weise niedrigen Zahl von derzeit rund 440 000 E-Autos rechneten sich die nunmehr 33 100 Ladesäulen nach wie vor nicht, betonte am Montag der Branchenve­rband BDEW. Die Infrastruk­tur-Probleme

seien seit Langem bekannt, schimpft hingegen Branchenex­perte Stefan Bratzel. Zu klären sei etwa, wie sich Autofahrer an den Ladesäulen authentifi­zieren, wie der Ladevorgan­g abgerechne­t wird und wie sichergest­ellt wird, dass Ladesäulen nicht durch vollgelade­ne Fahrzeuge blockiert werden. „Es geht nicht nur um Quantität, sondern auch darum, dass die Ladeinfras­truktur verlässlic­h betrieben wird und funktionie­rt.“

Der Einbruch durch die CoronaKris­e wurde durch die Eingriffe bei der Prämie zwar mehr als wettgemach­t, bescheinig­en Experten der Beraterges­ellschaft Deloitte. Das von der Bundesregi­erung ausgegeben­e Ziel von zehn Millionen Elektroaut­os auf deutschen Straßen im Jahr 2030 bleibe aber unrealisti­sch. Tatsächlic­h empfehlen auch die Deloitte-Berater eine verlängert­e Prämie und – deutlich unpopuläre­r – einen um 30 Cent gesteigert­en Preis für jeden Liter Diesel und Benzin. Das vielbeschw­orene Ende der Verbrenner werde sich aber noch hinziehen, voraussich­tlich bis ins Jahr 2040.

Newspapers in German

Newspapers from Germany