Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Großeinsatz: Mann im Ausnahmezustand
65-Jähriger in betreuter Wohngemeinschaft wird mit SEK-Unterstützung überwältigt
RIEDLINGEN - Einen Großeinsatz von Polizei, Feuerwehr und Rotem Kreuz hat am Montagvormittag ein Bewohner in einer Wohngemeinschaft des Zentrums für Psychiatrie an der Potsdamer Straße in Riedlingen ausgelöst. Der 65-Jährige hatte offenbar gedroht, aus einem Fenster im Obergeschoss des Gebäudes zu springen. Unter Beteiligung von Kräften des Spezialeinsatzkommandos aus Göppingen konnte er kurz vor 12 Uhr überwältigt und anschließend unverletzt in ärztliche Obhut übergeben werden. Während des dreistündigen Einsatzes war der Bereich in der Grüninger Siedlung weiträumig gesperrt.
Laut Angaben der Polizei, die zu dem Einsatz keine näheren Auskünfte geben wollte, war der Mann gegen 9 Uhr in einem psychischen Ausnahmezustand gewesen und habe sich nicht helfen lassen wollen. Stattdessen habe er mit Straftaten gedroht und sich in seinem Zimmer verbarrikadiert. Eine Bewaffnung des „äußerst unkooperativen Mannes“sei nicht auszuschließen gewesen. Als alles Zureden nicht half, wurden weitere Polizeikräfte hinzugezogen. Die Feuerwehr unterstützte die Polizei dabei, die Zufahrt weiträumig zu sperren. Auch Passanten sollten sich nicht in der Nähe des Gebäudes aufhalten. Das DRK postierte einen Rettungswagen mit Notarzt vorsorglich vor dem Haus, die Feuerwehr bereitete ein aufblasbares Sprungkissen vor.
Der Verursacher des Einsatzes gestikulierte immer wieder am offenen Fenster, schrie: „Was für eine Straftat wird mir vorgeworfen?“Für manche der Anwohner, die den Auftritt in gebührendem Abstand beobachteten, war er offenbar kein Unbekannter. „Der mault dauernd rum“, berichtete einer. Für gefährlich halte man ihn nicht. Allerdings ähnelte die Szenerie bald eher der einer Geiselnahme. Das Polizeirevier Riedlingen war scheinbar vollzählig vertreten. Gegen 10.45 Uhr trafen etliche Autos mit Angehörigen des Spezialeinsatzkommandos aus Göppingen ein und bezogen in der Nachbarschaft Stellung. Weitere SEK-Kräfte wurden mit einem Hubschrauber bei der Realschule abgesetzt. Hundeführer waren vor Ort. Im Nachbarhaus wurden ein SEK-Mann und ein Polizist vom Riedlinger Revier einquartiert, um das Geschehen auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu beobachten. Auch eine Drohne aus dem SEK-Fundus wurde zum Spähen eingesetzt und schwebte eine Zeitlang vor dem Haus. Nach SZ-Information versuchte eine Verhandlungsgruppe der Kriminalpolizei Kontakt zu dem Mann aufzunhemen und ihn dazu zu bewegen, die Wohnung zu verlassen.
Der schien aber gar nicht daran zu denken, setzte sich immer wieder auf die Fensterbrüstung, warf Gegenstände hinunter und winkte gelegentlich den Menschen zu. Irgendwann schien er sich beruhigt zu haben, während die Zeit verging und die Spannung stieg, wie dieser Einsatz wohl enden würde. Möglicherweise wollte die Einsatzleitung nicht abwarten bis zum Unterrichtsende, wenn die Schüler auf die Straße strömen. Kurz vor Mittag, als der hartnäckige Bewohner aus unerfindlichen Gründen soeben an einem Seil ein Gießkännchen zu Boden gelassen hatte, trat ein SEK-Angehöriger in Aktion, der den Mann vom Gehweg aus ansprach. In dem Moment zündeten Polizisten vom Garagendach aus einen Knallkörper unmittelbar vor dem offenen Fenster. Den Schreckmoment nutzten die Kollegen, um sich von innen Zugang zu der Wohnung zu verschaffen. Anschließend ließ sich der Bewohner ohne Widerstand nach unten zum bereitstehenden Rettungswagen geleiten, mit dem er in die Klinik gebracht wurde.
Es handle sich um einen Bewohner einer siebenköpfigen betreuten Wohngemeinschaft des ZfP, der an einer psychischen Erkrankung leide, war von Dr. Paul Lahode, Geschäftsbereichsleitung Arbeit und Wohnen des ZfP in Bad Schussenried, zu erfahren. Wie alle WG-Mitglieder werde er in seiner Eigenständigkeit begleitet und unterstützt. Mitarbeiter des ZfP suchen mehrmals täglich die WG auf, deren Bewohner nicht nur ambulant, sondern auch engmaschig von der Psychiatrischen Institutsambulanz in Riedlingen betreut werden. Der Auslöser für den psychischen Ausnahmezustand sei nicht bekannt. Der Mann, der seit zwei Jahren dort wohnt, sei bislang weder als fremdnoch eigengefährdend eingestuft. Aus diesem Grund habe auch keine Rechtsgrundlage für eine Klinikeinweisung bestanden. Mitarbeiter des ZfP hätten am Montag noch vergeblich versucht, ihn zu einer freiwilligen Aufnahme zu bewegen: „Man hat ihn in Gesprächen leider nicht mehr erreicht.“
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