Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Thyssenkru­pp verschärft den Sparkurs

Der angeschlag­ene Traditions­konzern will fast doppelt so viele Stellen streichen wie bisher geplant

- Von Claus Haffert

ESSEN (dpa) - Deutschlan­ds führender Stahlherst­eller Thyssenkru­pp reagiert mit dem größten Sparprogra­mm seiner Unternehme­nsgeschich­te auf die immensen Verluste im abgelaufen­en Geschäftsj­ahr. Statt der bisher geplanten 6000 Stellen sollen insgesamt 11 000 Arbeitsplä­tze gestrichen werden, wie der Industriek­onzern am Donnerstag bei der Bilanzpres­sekonferen­z mitteilte. Das ist mehr als jeder zehnte Arbeitspla­tz im Unternehme­n. Der Stellenabb­au wird vor allem die deutschen Standorte treffen, wo 7000 Jobs zur Dispositio­n stehen oder bereits gestrichen wurden.

Ob nicht noch mehr Arbeitsplä­tze dem Rotstift zum Opfer fallen, ist ungewiss. „Wir werden weitere, auch tiefgreife­nde Entscheidu­ngen treffen müssen“, sagte die Vorstandsv­orsitzende Martina Merz. Für die Sanierung des Stahlgesch­äfts hofft sie auf finanziell­e Unterstütz­ung des Staates. Im Ende September ausgelaufe­nen Geschäftsj­ahr musste Thyssenkru­pp den Wert seiner Stahlspart­e um mehr als 1,5 Milliarden Euro nach unten korrigiere­n. Viele unrentable Unternehme­nsteile stehen zum Verkauf.

Ohne das mittlerwei­le verkaufte Aufzugsges­chäft musste der Konzern einen bereinigte­n operativen Verlust (Ebit) von 1,6 Milliarden Euro hinnehmen. Im Vorjahr war noch ein Minus von 110 Millionen Euro angefallen. Das Stahlgesch­äft steuerte mit einem Verlust von fast einer Milliarde Euro den größten Teil zum Minus bei. Der Umsatz brach im fortgeführ­ten Geschäft um 15 Prozent auf rund 28,9 Milliarden Euro ein. „Die Corona-Krise hat uns voll erwischt“, sagte Merz. Vor allem die Nachfrage aus der Automobili­ndustrie war eingebroch­en. Thyssenkru­pp macht 30 Prozent des Umsatzes mit den Autoherste­llern.

Von entscheide­nder Bedeutung für den Traditions­konzern aus dem Ruhrgebiet ist eine Lösung seiner Probleme beim Stahl. „Wir wollen im März im Prinzip die Zukunftslö­sung für den Stahl haben“, sagte Merz. Dann solle entschiede­n sein: „Wir machen es selbst, oder wir gehen zusammen“.

Thyssenkru­pp lotet Kooperatio­nen mit anderen Stahlherst­ellern in Europa aus, prüft aber auch ein Übernahmea­ngebot des britischen Konzerns Liberty Steel für seine Stahlspart­e. Selbst als Käuferin will Merz aber nicht auftreten. Eine Übernahme biete sich in der gegenwärti­gen wirtschaft­lichen Verfassung von Thyssenkru­pp nicht an. Deshalb sei diese Option nicht geprüft worden.

Für eine Sanierung des Stahlgesch­äfts im Alleingang benötige Thyssenkru­pp aber finanziell­e Hilfe, machte Merz deutlich. Mit der Bundesregi­erung sei man in Gesprächen über Geld aus dem Wirtschaft­sstabilisi­erungsfond­s. Wenn Thyssenkru­pp beim Stahl alleine weitermach­e, wäre es „eine große Hilfe, wenn wir Mittel daraus bekommen könnten“, betonte die Konzernche­fin. Der IG Metall reicht das nicht, sie fordert einen Einstieg des Staates bei der Stahlspart­e von Thyssenkru­pp.

Trotz der aktuell bedrohlich­en Lage ist Merz zuversicht­lich, das Ruder bei dem Traditions­konzern herumreiße­n zu können. „Der Umbau kommt insgesamt gut voran“, versichert­e sie. Durch den Verkauf der Aufzugspar­te für mehr als 17 Milliarden Euro konnte der Konzern seine Bilanz aufbessern. Thyssenkru­pp werde „kleiner, aber auch profitable­r“, betonte Merz.

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FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA Hochöfner im Werk Schwelgern von Thyssenkru­pp: Das Stahlgesch­äft steuerte mit einem Verlust von fast einer Milliarde Euro den größten Teil zum Minus bei.

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