Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Bevor es knallt
Diskussion über Silvesterfeuerwerk entbrannt – Kretschmann gegen Verbot
STUTTGART/BERLIN (dpa/AFP) Die anhaltend hohen Corona-Infektionszahlen haben eine Debatte über ein Verbot von Silvesterfeuerwerken ausgelöst. Die Meinungen über den Silvesterbrauch gehen quer durch die Parteien und Kommunen stark auseinander.
Keine großen Partys, aber wenigstens ein Feuerwerk: Führende Regierungsvertreter aus Baden-Württemberg wollen, dass Silvester trotz Corona-Pandemie mit Böllern und Raketen gefeiert werden kann. Das Silvesterfeuerwerk muss in diesem Jahr coronabedingt ausfallen“, sagt dagegen der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, der „Bild“-Zeitung vom Donnerstag. Wendt gab zu bedenken, zu Silvesterböllern gesellten sich „rasch Alkohol, Personengruppen und Partystimmung“. Dies sei aber nicht angesagt. Der Vizechef der Gewerkschaft der Polizei, Jörg Radek, verwies allerdings auf die Notwendigkeit, Verbote auch zu kontrollieren und durchzusetzen. Dies sei aber „in der Silvesternacht personell kaum machbar“. Vielmehr solle an die Bürger appelliert werden, auch in der letzten Nacht des Jahres auf größere Feiern zu verzichten.
Der CSU-Bundestagsabgeordnete Michael Kuffer vertrat in dem Blatt die Auffassung, „Silvesterböllerei und Feuerwerk“müssten verboten werden. Wegen der aufgeheizten Stimmung im Land sei es zu gefährlich, wenn Leute auch noch mit Sprengstoff durch die Straßen laufen würden. Der FDP-Abgeordnete Theurer erklärte hingegen, er sei „gegen einen Automatismus für immer neue Verbote“. „Wer jeden Tag eine neue Verbotssau durchs Dorf treibt, treibt noch mehr Menschen auf die Straße und in die Arme der Corona-Leugner.“Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) lehnt ein Verbot ab.
Trotz der hohen Infektionszahlen durch das Coronavirus und der Auflagen im Alltag sind baden-württembergische Spitzenpolitiker gegen ein generelles Verbot von Feuerwerk an Silvester. „Entscheidend ist, ob Feuerwerk zum Pandemiegeschehen beiträgt. Das sehe ich erstmal nicht“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Donnerstag und warnte: „Man darf jetzt nicht die Pandemie als Vorwand nehmen, um all die Dinge zu verbieten, die einem schon immer nicht gefallen haben.“Das letzte Wort hätten aber die jeweiligen Kommunen.
Mehrere deutsche Städte hatten schon vor Monaten Verbotszonen etwa in Innenstädten angekündigt. Neben der Ausbreitung des Virus bei Feiern könnte es ein weiteres Ziel eines Verbots sein, ausreichende Kapazitäten für Covid-19-Patienten in den Kliniken bereitzuhalten.
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) zeigt sich skeptisch: . „Es muss jede und jeder selbst wissen, ob Böllern unter diesen Bedingungen überhaupt sinnvoll ist.“Die Menschen müssten bereits mit vielen Einschränkungen leben, um sich und auch das Leben von anderen zu schützen. Es sei aber auch klar, dass das diesjährige Silvester anders werde als die bisherigen Feiern. „In der Hinsicht können wir es definitiv nicht krachen lassen.“Landestourismusminister Guido Wolf (CDU) sieht in einem pauschalen Verbot derzeit das falsche Signal. „Die Lage ist schwierig genug. Lassen wir den Menschen, sofern möglich, doch auch noch Freude und liebgewonnene Traditionen.“
In Stuttgart wird derzeit geprüft, ob und wie Silvester in diesem Jahr gefeiert werden kann. „Es laufen Gespräche zwischen den städtischen Fachbehörden und der Polizei, wie das Infektionsrisiko niedrig zu halten ist“, sagte ein Sprecher. „Es gibt aber noch keine Entscheidung.“
Allerdings scheint Stuttgart eher eine Ausnahme zu sein. In Ulm wird das Thema nach Angaben der Stadt noch nicht diskutiert. Auch in Freiburg und in Heidelberg ist das mögliche Verbot von Silvesterfeuerwerk derzeit noch kein Thema, wie es aus den beiden Rathäusern heißt. Und wenn, dann zumindest nicht wegen der Corona-Pandemie, sondern wegen der Brandgefahr, verlautet zum Beispiel in Freiburg.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund spricht sich jetzt schon gegen ein generelles Verbot von Böllern und Feuerwerk in der CoronaPandemie aus. „Die Leute haben doch Frust ohne Ende. Alles wird verboten, nirgends kann man hin“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg am Donnerstag. „Natürlich wird das kein Silvester geben mit riesen Partys und riesen Feuerwerken.“Für die einzelnen Haushalte sehe er aber keinen Anlass für ein großes Verbot. Die klassischen, großen Feuerwerke mit Tausenden von Zuschauern werde es wohl sowieso nicht geben, wenn es bei der aktuellen Infektionslage bleibe, so Landsberg. Dabei könne der nötige Abstand nicht eingehalten werden, auch mit Masken sehe es schwierig aus.
Die niederländische Regierung hatte aufgrund der Corona-Pandemie am vergangenen Freitag ein Feuerwerksverbot an Silvester beschlossen. Damit solle verhindert werden, dass sich Ärzte und Krankenpfleger zusätzlich um Menschen kümmern müssten, die sich an Feuerwerkskörpern verletzen, erklärte die Regierung.
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