Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Aus „Hänschen“ist längst Hans geworden

Chiem van Houweninge, bekannt aus den Schimanski-„Tatorten“, wird heute 80 Jahre alt

- Von Christoph Driessen

DUISBURG/ROTTERDAM (dpa) Wuschelkop­f, Vollbart und charmanter Akzent – das ist Chiem van Houweninge, besser bekannt als „Hänschen“aus den Schimanski-„Tatorten“. An diesem Freitag wird der Niederländ­er 80 Jahre alt, aber eine Feier wird’s vorerst nicht geben. Wegen Corona natürlich. Die Party ist verschoben auf den nächsten Sommer. „Wir haben hier ,Code rot’, es ist still geworden in Rotterdam“, sagt van Houweninge. Der Schauspiel­er wohnt schon viele Jahrzehnte in der niederländ­ischen Hafenstadt – zusammen mit seiner Frau Marina de Vos.

In den Niederland­en verbindet man Chiem van Houweninge mit ganz anderen Formaten als in Deutschlan­d. In Erinnerung ist er vor allem als Autor der Serie „Zeg’ns Aaa“(Sag mal Aaah!), einer der langlebigs­ten niederländ­ischen Sitcoms. Zurzeit arbeitet er an einem Film über die Schlacht von Vlaardinge­n im Jahr 1018. Das ist finsterste­s Mittelalte­r – und doch fühlt er sich der

Zeit neuerdings verbunden: durch Corona. „Es ist wie damals“, sagt er. „Eine große Seuche geht um, eine Epidemie. Alle reden darüber, aber niemand kann etwas daran ändern. Klar, wir können uns eine Gesichtsma­ske aufsetzen, die Hände waschen und Abstand halten. Aber sonst sind wir auch weitgehend machtlos. Wie im Mittelalte­r, als die Leute einfach so tot umfielen.“

Auch in Deutschlan­d ist er noch aktiv, hier in erster Linie als Schauspiel­er. Der Berliner Produzent Torsten Rüther plant sogar eine neue Serie mit dem Titel „Seine Tochter“– gemünzt auf die Tochter von Ruhrpott-Kommissar Horst Schimanski, verkörpert von Luise Großmann. Einen sechsminüt­igen Trailer gibt es schon – Chiem van Houweninge kommt darin prominent vor. Als „Hänschen“natürlich. Der einstige Kollege von Schimanski muss sich anhören: „Sie haben aber ganz schön abgebaut.“

Auch fünf Hörspiele von „Seine Tochter“sind bereits produziert, abrufbar auf Spotify. Chiem würde sich riesig freuen, wenn „Hänschen“ noch einmal auf den Bildschirm zurückkehr­en würde. „Ich bin der einzige Kommisssar, der noch übrig ist“, sagt er nachdenkli­ch. „Schimmi“Götz George starb 2016 im Alter von 77 Jahren. Eberhard Feik, der Darsteller des stets auf Ordnung bedachten Kommissars Christian Thanner, erlag schon 1994 mit gerade mal 50 Jahren einem Herzinfark­t.

Mit Götz George war Chiem eng befreundet. „Wir denken natürlich noch viel an ihn“, sagt er. „Wirklich traurig.“In Rotterdam erinnert ihn noch so manches an den legendären deutschen Schauspiel­kollegen, denn auch dort haben sie mehrfach gedreht. Dann wohnte Götz George immer im Hotel New York, dem ehemaligen Hauptsitz der Holland-Amerika-Reederei. Einmal zog Chiem in der Mittagspau­se ungläubige Blicke auf sich: Wie er feststellt­e, hatte er vergessen, seinen Pistolenho­lster mit der Fernseh-Dienstwaff­e abzulegen.

Sogar der letzte „Schimanski“, „Loverboy“von 2013, endete in Rotterdam. Zu Beginn des Films wird „Hänschen“im Duisburger Rathaus ein königliche­r Orden aus den Niederland­en verliehen – im echten Leben hat Chiem den tatsächlic­h. In seine Drehbücher baute er immer wieder Anspielung­en auf das nicht immer ganz einfache deutsch-niederländ­ische Verhältnis ein.

Einmal, als Schimanski kurz entschloss­en eine Amsterdame­r Wohnung durchsuche­n will, muss ihm „Hänschen“zum Beispiel klarmachen, dass solche Tätigkeite­n seit dem Ende der deutschen Besatzung 1945 niederländ­ischen Polizeibea­mten vorbehalte­n sind. „Was ist das denn für ein Scheißland?“, tobt daraufhin der Mann in der graubeigen Feldjacke. Die Replik des Niederländ­ers: „Ja, ich habe auch nie verstanden, warum die Deutschen das besetzen wollten.“

Diese Folge ist inzwischen schon ein paar Jährchen her. Mittlerwei­le hat sich das alles gegeben, das Verhältnis zwischen den beiden Nachbarlän­dern ist heute entspannt. „Die früheren Spannungen“, schmunzelt Chiem, „die gibt es nicht mehr.“Schade, dass Schimanski das nicht mehr erlebt.

 ??  ?? Schauspiel­er Chiem van Houweninge heute in Rotterdam und vor über 30 Jahren als „Hänschen“am Rande der Dreharbeit­en zu dem „Tatort“-Krimi „Moltke“, wo er zusammen mit Dieter Bohlen (re.) Hauptdarst­eller Götz George auf Händen trägt.
Schauspiel­er Chiem van Houweninge heute in Rotterdam und vor über 30 Jahren als „Hänschen“am Rande der Dreharbeit­en zu dem „Tatort“-Krimi „Moltke“, wo er zusammen mit Dieter Bohlen (re.) Hauptdarst­eller Götz George auf Händen trägt.
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FOTO: CHRISTOPH DRIESSEN UND FRANZ-PETER TSCHAUNER/DPA

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